„Ich bin stolz darauf, was das Breitbart Team innerhalb kurzer Zeit geschaffen hat, um eine weltklasse-Nachrichtenseite zu bauen“, sagte Bannon in einem wortkargen Statement am 9.1.2018.
Der Journalist Michael Wolff veröffentlichte am 5.1.2018 sein Enthüllungsbuch „Fire and Fury“, das vom Trump-Lager als Lügenmärchen dargestellt wurde, und vom Anti-Trump-Lager mal wieder als Anfang vom Ende Trumps. Keine der beiden Darstellungen trifft zu. In der Tat ist „Fire and Fury“ eine recht unterhaltsame, lesbare und ausgewogene Nacherzählung der ersten Monate der Trump-Präsidentschaft. Wie immer sind die, die sich am meisten darüber aufregen, diejenigen, die das Buch gar nicht gelesen haben.
Wenn Steve Bannon seinen Kumpan Trump als „herzlichen Affen“ beschreibt, kann man das nun skandalisieren oder einfach witzig finden. Im Wesentlichen beschreibt Wolff die Trump-Regierung wie man sie sich vorstellt – chaotisch, rebellisch, gegen den Strich und manchmal mit dem Kopf durch die Wand. Dass Trump nicht viel von Politik versteht, aber sehr viel von Menschen und vor allem vom arbeitenden, steuerzahlenden Durchschnitttsbürger, kann den aufmerksamen Trump-Beobachter nicht wirklich überraschen.
Steve Bannon hatte Internet-Pionier Andrew Breitbart 2004 auf der Premiere seiner Reagan-Doku „In the Face of Evil“ kennengelernt, in der er Parallelen zwischen Reagans Kampf gegen den Kommunismus und den Kampf gegen islamischen Terror post‑9/11 aufzeigt. Auf der Premiere „kam so ein Bär von einem Typen auf mich zu, drückte mich so fest dass mein Kopf zu explodieren drohte und sagte irgendwas von wegen, ‚Wir müssen die Kultur zurückerobern’. Ich wusste überhaupt nicht wer der Kerl ist“, so Bannon im Gespräch mit Journalist Joshua Green.
Bannon war in den 90ern als Wall-Street-Banker nach Hollywood gekommen und hatte dort eine erfolgreiche Karriere, die ihm unter anderem die Rechte an der Hit-Sitcom „Seinfeld“ bescherte. Er half Breitbart, Finanziers für seine „konservative Version der Huffington Post“ zu finden, darunter Investment-Genie Robert Mercer, der mit dem Hedgefonds Renaissance Technologies und einem kryptologischen Ansatz im Investment-Geschäft Milliarden verdient hatte.
Mercer investierte ab 2011 mindestens 11 Million $ in den Neustart von Breitbart News als professionelle Webseite mit eigener Redaktion. Andrew Breitbart selbst verstarb mit 43 am 1.3.2012 an einem Herzinfarkt. Bannon übernahm gemeinsam mit Larry Solov die Chefredaktion von Breitbart und heuerte junge intellektuelle Querdenker wie Ben Shapiro und Milo Yiannopoulos an, die sich auf kluge, konservative Weise mit Themen wie GamerGate oder die Alt-Right beschäftigten, über sie sonst nur linke Skandalgeschichten geschrieben wurden. Breitbart wurde zum erfolgreichsten konservativen Nachrichtenportal der Welt.
Steve Bannon hatte Trump seit November 2015 als regelmäßigen Talk-Gast auf seiner Breitbart Radio Sendung kennengelernt. Als Trump 2016 schon mehrere Wahlkampfleiter verschlissen hatte und Ex-Fox-News-Chef Roger Ailes abgelehnt hatte, wandte Trump sich also an den Breitbart-Chefredakteur, um sein Team zu führen.
Bannon wird gerne als diabolischer Strippenzieher dargestellt, der Verbindungen zu Neonazis kultiviere, aber das ist schlicht Unsinn. Nach dem tragischen Tod einer Gegendemonstrantin in Charlottesville, Virgina am 12.8.2017 nannte Bannon die „Ethnonationalisten“ um Richard Spencer und die Alt-Right „Loser“ und „Randelemente“.
Bannons Philosophie ist im Prinzip eine recht einfache, die dem hemdsärmligen Sohn eines irischen Telefontechnikers vom Navy-Megastützpunkt Richmond, Virginia gut zu Gesicht steht: Bannon plädiert für einen „wirtschaftlichen Nationalismus“, der die Interessen der einheimischen Arbeiter und Steuerzahler an allererster Stelle setzt.
Viele seiner Positionen würden auch bei der SPD Wuppertal gut ankommen: Er ist gegen fremde Kriege und gegen Bankenrettung, und für eine Politik, die dem eigenen Wähler dient, der sich oft heute abgehängt, vergessen und ausgenützt vorkommt. Oder, wie Bill Clinton es 1992 ausdrückte: „It’s the economy, stupid.“ Bannon fokussierte Trumps Botschaft laser-artig auf das Kernthema des „wirtschaftlichen Nationalismus“ – der Grund warum seine Botschaft so überraschend gut bei der arbeitenden Mittelschicht im Rostgürtel von Pittsburgh bis Detroit ankam. Eine Botschaft, die auch beim deutschen Wähler fruchten würde, wenn es denn mal Politiker gäbe, die die Interessen, Steuergelder und Arbeitsplätze einheimischer Arbeitnehmer mal vor denjenigen eingewanderter Analphabeten und dem Rest der Welt stellen würden.
Vermutlich ist Bannon gerade deshalb so bedrohlich für die Linke: Weil er das Thema bedient, das sie aus den Augen verloren haben – das Wohl der Arbeiterklasse. Ein rechter Bernie Sanders oder Sahra Wagenknecht. Deshalb mussten sie ihn – bar besserer Argumente – immer als rechten Nazi verunglimpfen. Das Argument „unsere Leute zuerst“ wird nämlich beim Wähler immer unschlagbar bleiben.
Nach Charlottesville mußte Trump Bannon am 18.8. entlassen. Nach Bannons Darstellung lag er schon lange im Clinch mit der „Soros-nahen Globalisten-Fraktion“ um Ivanka Trump und Jared Kushner im Weißen Haus, die für einen gemäßigteren Kurs plädierten. Ivanka ist immerhin eine Schulfreundin von Chelsea Clinton und hat 2007 an den Wahlkampf von Hillary Clinton gespendet.
Bannon saß tags darauf schon wieder am Chefredakteurs-Schreibtisch in der „Breitbart-Botschaft“, seinem Haus in Washington D.C. Er versprach, „für Trump in den Krieg zu ziehen“. Es war jedoch nicht zu leugnen, dass Breitbart.com nun vermehrt auch Artikel brachte, die die Trump-Regierung angriffen, vor allem „Javanka“ und Sicherheitsberater H.R. McMaster, den Breitbart „den McMeister der Intrige“ taufte.
Im November stellte sich Bannon hinter den ultra-konservativen Roy Moore als Kandidaten für den Senatssitz von Alabama, gegen den „Establishment-Kandidaten“ Luther Strange, der von Trump unterstützt wurde. Bannon flog sogar seinen Mitstreiter Nigel Farage aus London ein, um im tiefsten Alabama eine Wahlkampfrede zu halten: „Es gibt aber auf der konservativen Seite auch Berufspolitiker, die wissen, je enger sie sich an die großen Banken und multinationalen Konzerne heften, je weniger sie sich mit den Medien anlegen, desto besser für sie,“ warnte „Mr. Brexit“ die Südstaatler.
Bannon schug in die gleiche populistische Kerbe: „Diese Leute haben kein Interesse an einer Diskussion mit euch, kein Interesse die illegale Einwanderung aufzuhalten. Sie habe nur teure Fernsehwerbung geschaltet weil sie denken, ihr seid dumme Hinterwäldler. Das sind die selben Leute die vom ersten Tag an versucht haben, Trump zu vernichten. Aber der Tag der Abrechnung kommt, meine Herren.“
Moore war jedoch auch unter Konservativen in Alabama nicht unumstritten. Viele traditionelle Republikaner lehnten den Haudegen ab, vor allem nachdem Vorwürfe laut wurden, er habe als 30-jähriger minderjährigen Mädchen Avancen gemacht. Trump unterstützte Moore erst am Tag der Wahl mit einer Twitter-Botschaft: „Roy Moore wird immer mit uns Stimmen“. Wir sprachen mit einer republikanischen Wählerin aus Alabama, die sagte „Wir werden Luther Strange auf den Wahlzettel schreiben, weil wir weder Moore noch den Demokraten wollen.“
Als der demokratische Gegenkandidat Doug Jones in Alabama gewann – der erste linke Senator aus Alabama seit 30 Jahren – gab Trump Bannon die Schuld: „Der Grund warum ich ursprünglich Luther Strange unterstützt habe ist, weil ich dachte, dass Roy Moore nicht gewinnen kann. Ich hatte Recht!“ (Die deutschen Medien schaffen es trotzdem irgendwie, daraus eine „Niederlage für Donald Trump“ zu fantasieren.)
Die jüngsten Enthüllungen aus Wolffs Buch brachten für Trump wohl das Faß zum überlaufen. Bannon hatte das Treffen von Präsidentensohn Donald Trump Jr. im Wahlkampf 2016 mit einer russischen Anwältin, die vorgab, belastendes Material über Hillary Clinton zu haben, „vaterlandsverräterisch“ und „unpatriotisch“ genannt – womit er objektiv nicht so weit daneben liegt, hat Donald Jr. sich doch für das Treffen entschuldigt und den E‑Mail Verkehr dazu offengelegt.
Für Trump war damit allerdings eine Grenze überschritten: „Als Steve Bannon seinen Job verloren hat, hat er auch seinen Verstand verloren“, sagte Trump in einem Statement am 3.1. Er taufte Bannon, der immer einen viel lässigeren Kleidungsstil pflegt als Trump mit seinen roten Krawatten, auf Twitter den „Schlampigen Steve“. Es ist bekannt, dass Trump wert auf eine gepflegte äußere Erscheinung legt, etwas das er seinem Männerfreund Bannon wohl nachsah. Trumps Attacken wurden persönlich: Bannon habe „geheult und gefleht“ als er ihn entlassen habe, twitterte der Präsident.
Auch die Mercers, die Bannon und Breitbart.com seit 2010 finanziert hatten, distanzierten sich: „Meine Familie und ich haben seit Monaten keinen Kontakt zu Steve Bannon gehabt, noch unterstützen wir seine politische Agenda“, sagte Rebekah Mercer in einem Statement. Nach den Enthüllungen über die Zusammenarbeit zwischen den Mercers und Bannon durch den Journalisten Joshua Green und die linke Webseite Buzzfeed hatte Robert Mercer sich aus der Politik und der Geschäftsführung seines Hedgefonds Renaissance zurückziehen müssen.
Die deutschen Medien jubelten hämisch. „Comeback ausgeschlossen“, titelte die Tagesschau am 10.1. und demonstrierten nur, wie gründlich man sich irren kann, wenn man Propganda statt Journalismus betreibt. Denn bereits tags darauf schien Trump seinen Wutausbruch schon wieder zu bereuen. Dem Wall Street Journal sagte Trump am 11.1., er fühle sich von Bannon zwar „verraten“, aber wolle eine Versöhnung nicht ausschließen: „Wir gucken mal, was passiert.“
Es ist kaum vorstellbar, dass der 64-jährige Bannon sich nun aus der Politik zurückzieht. Die Frage ist nur, wo er jetzt hingeht. Im konservativen Spektrum tut sich zur Zeit einfach zuviel. Laut Buzzfeed will der deutschstämmige Paypal-Begründer Peter Thiel (der erste schwule Redner auf einem republkanischen Parteitag) mit den Mercers und Roger Ailes einen konservativen TV-Sender starten. Milo Yiannopoulos’ Verlag hat mit „Fatwa“ von Pamela Geller sein zweites Buch herausgebracht, und könnte – neben dem nächsten Bestseller von Milo („Despicable“ über die Hollywood-Skandale) – sicher auch ein Bannon-Buch stemmen. 2018 stehen außerdem Kongresswahlen an, bei denen Bannon als Stratege oder sogar als Kandidat vorstellbar wäre. Es gibt sogar Spekulationen, er könnte 2020 für die Präsidentschaft kandideren. Wir gucken mal, was passiert!
Collin McMahon ist Autor und Übersetzer, schreibt u.a. für journalistenwatch.com. Er schreibt gerade an einem Buch über Breitbart, Bannon und Trump, das im Mai bei Antaios erscheint.
William Wall
"Laut Buzzfeed will der deutschstämmige Paypal-Begründer Peter Thiel (der erste schwule Redner auf einem republikanischen Parteitag) mit den Mercers und Roger Ailes einen konservativen TV-Sender starten."
Zumindest Roger Ailes wird sich an diesem Plan nun nicht mehr beteiligen († 18. Mai 2017).
Und: Man hätte in einem Satz nochmal explizit festhalten können, dass Bannon nun auch sein geliebtes Breitbart verlassen hat/musste.
Anonsten guter Bericht zu einem interessanten Thema! :)