Ich höre dieses „Freie Radio“ aus Halle gelegentlich, ausschließlich auf Fahrten mit den Kindern. Es ist natürlich kein „freies“, sondern ein manisch angstbesetztes linkes Programm, das dort geboten wird.
Aus der Selbstbeschreibung:
Das Programm wird von circa 300 Menschen in ihrer Freizeit oder ihrem Praktikum erstellt. Freie Radios agieren mit einem emanzipatorischen Anspruch im Sinne gesellschaftlicher Gleichheit und individueller Freiheit. Ihr Ziel ist es, allen Menschen in diesem Sinne den Zugang zum Rundfunk zu ermöglichen. Freie Radios arbeiten aktiv am Abbau von Diskriminierungen und stellen diesen das Modell der konkurrenzfreien, solidarischen Assoziation entgegen.
Typische Autofahrfrage: „Wir schalten mal Corax ein, ja? ich wette, daß es gerade um Oury Yalloh geht! Wer wettet dagegen?“ Die Dagegenwetter verlieren meistens.
Und doch mag ich es. Ich liebe die „antifaschistischen Nachrichten“, ich liebe es, wie meine Kinder den üblichen Moderatorenton („äh“, öh“, „also sozusagen“, „sozagen“, „Hmm… weeß ick ooch nicht“, „naja, also, naja“) nachahmen, und ich liebe die langen Vorträge über Marxismus/ Bourgeoisie/ Kapitalismus/ Neoliberalismus.
Heute schalte ich ein und bin mitten in einem Referat, das eine Frau mit einer klassisch ostdeutschen, aber nicht-sächsischen Stimme vorträgt: „.. dieses beschissene System abzuschaffen, das muß unsere Agenda…“ Kräht die Jüngste von hinten: „Sofort erkannt! Angela Merkel!
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- Januar 2018
Den Medienkonsum unserer Kinder zu regeln ist für uns mittelschwer. Bekanntlich kann nach den ersten und prägenden fünf, sechs Jahren nicht mehr viel „erzogen“ werden. Danach gilt es allenfalls, als Markierungen Grenzpfähle einzuhauen und hier und dort Türen einladend zu öffnen. Unsere Kinder haben uns nie fernsehend erlebt und nie eine Smartphonscheibe betrachtend. Insofern gibt es für sie die eine Welt (die häusliche, meist behagliche, fürsorgliche), die kaum an der Strippe hängt, und die andere (stressige, herausfordernde), die ebendas laufend tut.
Unsere Kinder befinden sich zwangsläufig dazwischen. Solche Regelungen wie „halbe Stunde/Tag TV im Vorschulalter” oder Zeit-die-du-wöchentlich-im-Internet-verbringen-darfst-Depots hatten wir nie. (Ich wüßte auch gar nicht, woher die Zeit dafür käme?).
Und doch gibt es immer wieder gewisse… Ertappungen. Kind wollte „kurz mal die mails abrufen“. Eine halbe Stunde später betrete ich das Zimmer, aufgerufen ist ein Bericht über das Dschungelcamp. Kind erschrickt und macht flatterende Handbewegungen mit der Maus.
„Ah, Dschungelcamp! Würdest Du Dir das gern mal anschauen?“ – „Nee!! War Zufall, ich wollte eigentlich nur…“
Ist schon gut. „Gucken die das, in Deiner Klasse?“ – „Klar. Alle.“
Gut. Schlecht. Dumm jedenfalls, wenn das Kind völlig uninformiert wär. Nichts gegen Hinterweltlertum, aber niemals erzwungenes.
„Dann klick doch noch mal zurück, mich interessiert das. Les mal vor!“
Kind (es hat ein echtes Qualitätsmedium aufgerufen, suedddeutsche.de) liest:
„Wenn Matthias Mangiapane, der mit seinem Lebenspartner durch diverse Reality-TV-Formate tingelt, sagt “Ich würde Kängurupenis auf jeden Fall essen, ich hatte schon ganz andere Sachen im Mund”, dann jubilieren auch die Bild-Zeitung und alle Trinkspiel-affinen Zuschauer. “Penis!” Und ex. Die Opfer dieser medialen Konditionierung sollten allerdings auch nicht verschwiegen werden. Natascha Ochsenknecht nennt sie beim Namen (nachdem sie freimütig darüber geplaudert hat, dass sie mitnichten nur auf “Toyboys” stehe, aber total gerne küsse): “Oh Gott, meine Kinder – scheiße, hab’ ich vergessen.”
Das Kind quält sich ein wenig beim Vorlesen. Es weiß ja, daß ich gleich fragen werde, was „toyboys“ heißt, was „und ex“, und warum Kinder hier wohl mit „scheiße“ assoziiert werden usw, usf.
Aber genau hier wird unser beider Aufmerksamkeit abgelenkt. Inmitten der Lesung startet auf sueddeutsche.de nämlich ein Video mit zwei Hauptpersonen, die echter und hübscher, dabei (noch) mitleiderregender und definitiv würdiger aussehen als die Toyboyspezialistin und ihre x‑fach operierte Konkurrentin im Urwaldlager. Mitten in diese Känguruhpenis-Toyboy-und- Scheiße-Geschichte ploppt nämlich ein Werbevideo von SOS-Kinderdorf. Es geht um Joy und Grace, zwei schwarzen Mädchen, denen es nicht so gut geht.
Wir schauen das kurze SOS-Video. Ich :„Okay, jetzt lies weiter. Es war ja spannend, gell?“ Kind will nicht und muß nicht.
Ich beginne mit einer leichten Verständnisfrage: Wie hängt wohl dieses Dschungelcamp mit diesen Kinderdörfern zusammen? – „Weiß nicht…vielleicht… wegen der Känguruhs?“
Kind schaut mich gequält an. Ich schaue gequält zurück. Ich weiß es auch nicht.
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- Januar 2018
Wer nach einem plastischen Beispiel für „Ersatzhandlungen“ suchte: hier! Seit Monaten schwelt der Streit über Eugen Gomringers Gedicht Avenidas. Dieser Tage ist die, mit Verlaub, zutiefst infantile Debatte vom Feuilleton in die Hauptnachrichten geschwappt. Ich bekomme mittlerweile einen Ausschlag, wenn ich deutsche Radiosprecher mit vor Andacht zitternder Stimme das Mammutwerk („mucheres“: wer war noch nicht auf Majorka?) zitieren höre.
Also noch mal Gommringers inkriminiertes Werk:
avenidas/avenidas y flores/flores/flores y mujeres/avenidas/avenidas y mujeres/avenidas y flores y mujeres y/un admirador.
(Alleen/Alleen und Blumen/Blumen/Blumen und Frauen/Alleen/Alleen und Frauen/Alleen und Blumen und Frauen und/ein Bewunderer)
Worum geht‘s? Irgendwelche linken „Studierenden“ fanden das Gedicht sexistisch. Es degradiere Frauen zu Objekten. Das Problem: Das Poem war (vor Jahren!) auf eine Außenwand der Alice-Salomon-Hochschule (mal gucken, hier kann man u.a. einen „Master Kinderschutz“ erwerben) gemalt worden. Nun wurde entschieden: In ein paar Monaten soll es gegen ein anderes wertvolles Gedicht ausgetauscht werden.
Jetzt gehen alle Kulturschreiber ab wie gesengte Säue. Der Feminismus bedroht die Kunstfreiheit. Beispielhaft einer von ungezählten Beiträgen zu dem „Skandal“, hier aus dem Hause des sonst kernhaft feministischen Bezahlsenders Deutschlandfunk:
Dabei ist dieses Gedicht alles andere als sexistisch. Es ist ein unschuldig-schönes Gedicht, außerdem ein Schlüsselwerk…
Es geht noch moralkeuliger, nämlich im selben Beitrag:
Alice Salomon, die Namensgeberin der Hochschule, hätte sich im Grab umgedreht. Wegen ihrer jüdischen Abstammung wurde die deutsche Sozialreformerin von Menschen ins Exil getrieben, die Bücher verbrannten, weil sie glaubten, so die eigene Bevölkerung vor dem vermeintlich bösen Wort schützen zu können.
Nun drehen sie alle durch. Alle, die #metoo, den Brüderleaufruhr, Frauenquoten etc.pp. voll gerechtfertigt fanden, sehen nun die „Kunstfreiheit“ empfindlich befleckt. Pardon, Kunst?
Ein Schrei / Aufschrei / Lautschrei / es schreit/ sprengt / verhallt / Luft / heiße Luft/ Keinschrei / hecheln /heucheln
Das wäre mein Sekundenwerk. Wer weiß, vielleicht ist es anno 2023 reif für die Wand?
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- Januar 2018
Bei Hadmut Danisch habe ich den nun akademisch bestätigten Beleg dafür gefunden, was empirisch längst erwiesen ist: Rechte sind im Schnitt schönere Menschen als Linke. Geschenkt.
Der Gehenkte
"Unsere Kinder haben uns nie fernsehend erlebt und nie eine Smartphonscheibe betrachtend."
Da hat der Posener also doch recht?
https://starke-meinungen.de/blog/2018/01/24/das-elend-der-ethnopluralisten/