Die Messe wurde auf Latein gelesen, dem Kruzifix zugewandt, mit dem Rücken zur Gemeinde, und ohne Mikrofon.
Die Pfarrer wurden an ihrer Soutane erkannt. Man besuchte den Religionsunterricht und feierte die erste Heilige Kommunion. Das im Aufbau befindliche Frankreich war authentisch, patriotisch und chauvinistisch. Das war das Glück in der besten aller möglichen Welten. Das war die Ruhe vor dem Sturm.“
Manchen mögen diese Worte des französischen Ex-Filmstars Brigitte Bardot aus ihrem lesenswerten Buch „Ein Ruf aus der Stille“ (München 2004) als Sprache des Populismus gelten, doch sagen sie mehr aus über die Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil als viele gelehrten Texte katholischer Theologen. B.B. – heute eine engagierte Tierschützerin, mutige Islamkritikerin und bekennende Anhängerin des Front National – beschwört sehnsüchtig die Zeit ihrer Jugend und rechnet schonungslos mit der Gegenwart ab.
Tatsächlich erlebte die Römisch-Katholische Kirche zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Revolution, die sie in eine schwere Krise stürzte. Es war die Revolution, die sich auf dem Zweiten Vatikanum vollzog, dessen Beschlüsse und deren Umsetzung das Erscheinungsbild der Kirche völlig veränderten.
Das Konzil (1962–1965), das Traditionalisten als das 1789 der Kirche gilt, formulierte nicht nur ein neues Selbstverständnis, das mit der überlieferten Lehre nicht zu vereinbaren ist und propagierte Irrlehren, die inzwischen den Innenraum der Kirche beherrschen, sondern läutete den Niedergang der priesterlichen Berufungen und die sonntägliche Besucherzahl der Gläubigen ein. Die verheerenden Folgen der Bischofsversammlung sind so augenfällig, daß eine Analyse der diversen Konzilsdokumente über die Religionsfreiheit, den Ökumenismus oder das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Reilgionen eigentlich unnötig ist.
Pater Franz Schmidberger, ehemaliger Generaloberer der Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) und heute Regens des Priesterseminars Herz Jesu in Zaitzkoven, geht in dem Interviewbuch selbstverständlich auf die Konzilsdokumente ein, die mit ihren widersprüchlichen Aussagen die Heiligkeit der Kirche angreifen, die traditionelle Lehre unterminieren und zeigt die Brüche auf, die sich das Konzil zu schulden kommen ließ, indem es an den Grundfesten der katholischen Heils- und Erlösungslehre rüttelte und seinen Absolutheitsanspruch preisgab.
Das Leitmotiv des Konzils war, den Menschen zu gefallen und die Versöhnung mit der Welt, die Ersetzung der Gottesrechte durch die Menschenrechte und – gewollt oder ungewollt – die Einleitung eines Selbstzerstörungsprozesses, den Paul VI. , der daran einen nicht geringen Anteil trug, mit den Worten beklagte, durch irgendeinen Riß sei der Gestank Satans in den Innenraum der Kirche eingedrungen.
Der Regisseur und Publizist Ingo Langner hat mit Pater Schmidberger ein längeres Interview geführt, zu dem Lorenz Jäger das Vorwort beisteuerte. Pater Schmidberger gibt detailliert und freimütig Auskunft über das Selbstverständnis der Piusbrüder aufgrund ihrer Ablehnung des nach dem Zweiten Vatikanum festgelegten neuen Meßritus und verschiedener Aussagen des Konzils, über die Stellung zu den Päpsten und der aktuellen Situation zwischen den Leitungsgremien der FSSPX und der römischen Hierarchie, die möglicherweise auf eine Versöhnung in Form einer Personalprälatur hinausläuft. Damit würde der Piusbruderschaft wieder ein kanonischer Status zugestanden, den sie seit den Bischofsweihen durch ihren Gründer Erzbischof Lefebvre seit 1975 nicht mehr besaß.
Es ist ein hochinteressantes Buch, das allerdings einige Widersprüche nicht ausräumen kann. So erkennt die Piusbruderschaft zwar die nachkonziliaren Päpste von Johannes dem XXIII. bis Franziskus ausdrücklich als rechtmäßige Päpste an, behält sich aber das Recht vor, lehrmäßige Aussagen nicht zu akzeptieren, falls diese nicht ihren traditionalistischen Ansprüchen genügen, weil sie zu modernistisch sind. Dieser Spagat ist schwer vermittelbar: Ist und bleibt eine Häresie nicht eine Häresie? Und gehört ein Papst, der sie verkündet, nicht automatisch abgesetzt?
Ebenso bleiben die Piusbrüder die Antwort auf die Frage schuldig, wie denn die römisch-katholische Kirche als Heilsinstitution wieder aufgebaut werden soll, wenn man sich selbst darauf beschränkt in seinen Meßzentren und Kapellen die Heilige Messe nach dem Meßbuch von 1962 zu feiern, das bereits nicht mehr die volle katholische Wahrheit verkündet.
Auf diese Fragen gibt das Buch leider keine eindeutige Antwort. Es ist jedoch nur zu verständlich, daß viele Katholiken eine Heilige Messe der Piusbrüder bevorzugen, in der wenigstens der Ritus noch seine Schönheit und Ästhetik entfalten kann, anstatt sich in einer „Kirche“, die mehr einer Turnhalle ähnelt, mit dem Gemeindevorsteher vor einem windschiefen Kreuzchen zu versammeln. Es ist auch richtig, daß Äußerlichkeiten immer auch auf Inhalte schließen lassen. Das Zweite Vatikanum bewies dies, indem es die Tridentinische Messe abschaffte und damit einem herrlichen jahrhundertealten Ritus den Garaus machte, was zur Folge hatte, daß auch die religiösen und theologischen Inhalte bis zur Unkenntlichkeit verwässert wurden. Dennoch müßte mehr passieren, damit Deutschland und Europa wieder blühende christliche Länder werden, und keine islamischen oder atheistischen Wüsten. Die FSSPX müßte sich am Kampf für eine Rekonstituierung der römisch-katholischen Kirche noch stärker beteiligen, sonst wird sich an dem erbärmlichen Zustand der Kirche nichts ändern und Gläubige aus Verzweiflung zu den Orthodoxen Ostkirchen abwandern.
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Gott, Kirche, Welt und des Teufels Anteil: Ingo Langner im Gespräch mit Pater Franz Schmidberger von der Priesterbruderschaft St. Pius X. 214 Seiten, 14,80 Euro.
RMH
"Das Konzil (1962-1965), das Traditionalisten als das 1789 der Kirche gilt,"
Und auch hier sollte man nicht vergessen, dass dieses Konzil nur das gestoßen hat, was bereits am Fallen war und dass vieles, was in einer "Revolution" umgesetzt wird, bereits lange vorher angelegt war (diese These finden wir begründet bspw. auch in Toquevilles "L’Ancien Régime et la Revolution").
Mir im katholischen Bayern wurde von vielen älteren Menschen bspw. berichtet, dass die HJ u.a. besonders deshalb so attraktiv für viele ihrer Generation war, weil man damit den prügelnden, herrschsüchtigen und z.T. bigotten Kaplanen, Ordensleuten & Priestern endlich etwas entgegenzusetzen hatte - denn die waren urplötzlich sehr handzahm, wenn das braune Hemd übergezogen war (selbiges galt auch für den BDM). Dies nur am Rande. Ich habe große Hochachtung vor der Pius-Bewegung, auch wenn ich kein Teil davon bin und auch nicht werde, aber man sollte das dann doch nicht zu sehr idealisieren oder romantisieren. In dem Kampf, in dem wir stehen, mag dies aber immerhin dem einen oder anderen spirituellem Halt geben - und einen solchen Halt braucht der Mensch.