Georg May: 300 Jahre gläubige und ungläubige Theologie. Abriss und Aufbau

Felix Dirsch rezensierte für uns Georg May: 300 Jahre gläubige und ungläubige Theologie. Abriss und Aufbau, Stuttgart: Sarto Verlagsbuchhandlung 2017. 1115 S., 49 €

Georg May reprä­sen­tiert eine aus­ster­ben­de Spe­zi­es: die des glau­bens­treu­en Theo­lo­gen. Die­se Hal­tung iso­lier­te den Main­zer Eme­ri­tus nicht nur unter Kol­le­gen. Die Erz­bi­schö­fe von Mün­chen und Frei­sing sowie Wien, Döpf­ner und König, ver­hin­der­ten die Beru­fung des exzel­len­ten Kano­nis­ten. Den­noch hielt der Main­zer Eme­ri­tus nicht nur an der über­lie­fer­ten katho­li­schen Leh­re peni­bel fest, son­dern wei­ter am klas­si­schen Ritus der Hei­li­gen Mes­se und an der her­kömm­li­chen Morallehre.

Wel­che Aus­nah­me­stel­lung May, der 2016 sei­nen 90. Geburts­tag fei­ern konn­te, in den letz­ten Jahr­zehn­ten ein­ge­nom­men hat, zeigt exem­pla­risch sei­ne volu­mi­nö­se neue Mono­gra­phie. Die­se Publi­ka­ti­on ist nicht nur als groß ange­leg­te Sum­me eines bedeu­ten­den Gelehr­ten­le­bens zu begrei­fen; viel­mehr ist das facet­ten­rei­che The­ma dem Autor Her­zens­sa­che. Ein fun­dier­ter Weg­wei­ser durch theo­lo­gi­sche Laby­rin­the der Moder­ne, wie man ihn mit sol­chen prä­zi­sen Urtei­len kaum irgend­wo findet!

May beschäf­tigt sich in sei­nem grund­le­gen­den Über­blick über die Theo­lo­gie­ge­schich­te von der Auf­klä­rung bis zur Gegen­wart nicht nur mit zahl­lo­sen Bio­gra­phien wich­ti­ger Theo­lo­gen, son­dern ver­folgt ein bestimm­tes Beur­tei­lungs­kri­te­ri­um: näm­lich die Recht­gläu­big­keit, soweit anhand von Leben und Werk fest­zu­stel­len. Dem Ver­fas­ser geht es pri­mär dar­um, jene zu ent­lar­ven, die sich von Glau­be und Kir­che abge­wen­det haben – meist mit ver­hee­ren­den Wir­kun­gen auf das kirch­li­che Leben. May beginnt sei­ne Stu­die nicht zufäl­lig mit einem Über­blick über den Pro­tes­tan­tis­mus der Aufklärungszeit.

Pro­mi­nen­te, aber auch weni­ger bekann­te Den­ker die­ser Epo­che wie Rei­ma­rus, Les­sing und Kant mar­kie­ren inso­fern einen Ein­schnitt, als sie an den über­lie­fer­ten Bekennt­nis­schrif­ten ihrer Kon­fes­si­on zum Teil nach­hal­tig rüt­tel­ten. Nicht weni­ge fun­gier­ten als Trend­set­ter des Zeit­geis­tes, lehn­ten die Inhal­te des Cre­dos manch­mal sogar dezi­diert ab. Ohne die­se Zäsur wäre die brei­te Strö­mung des Kul­tur- und Neu­pro­tes­tan­tis­mus im 19. Jahr­hun­dert nicht mög­lich gewe­sen. Sie spiel­te im Kai­ser­reich von 1871 auch in poli­ti­scher Hin­sicht kei­ne unwe­sent­li­che Rol­le, waren doch ent­spre­chen­de Reprä­sen­tan­ten wie Adolf von Har­nack im Umfeld des Kai­sers einflußreich.

May lie­fert eine Rei­he von Bele­gen dafür, daß sowohl auf evan­ge­li­scher wie auch auf katho­li­scher Sei­te vie­le Theo­lo­gen vom tra­dier­ten Glau­ben abge­fal­len sind. Auch die Theo­lo­gie­ge­schich­te des 19. Jahr­hun­derts ver­folgt der Ver­fas­ser akri­bisch. Um 1900 kam es im katho­li­schen Deutsch­land, aber auch in Län­dern wie Frank­reich und Ita­li­en zu der bis heu­te nach­wir­ken­den Kri­se des Moder­nis­mus. Bekann­te Pro­fes­so­ren betrach­te­ten die katho­li­sche Theo­lo­gie und das Glau­bens­le­ben als zu wenig zeit­geist­kon­form. Sie woll­ten umfas­sen­de Refor­men auf Kos­ten der über­lie­fer­ten Wahr­heit. Das katho­li­sche Lehr­amt griff gegen die­se Kyp­top­ro­tes­tan­ten ent­schie­den durch. Einer der Fol­gen war der Anti­mo­der­nis­ten­eid, der unter ande­rem vor Wei­he­hand­lun­gen bis ins Jahr 1967 geleis­tet wer­den mußte.

Auch im 20. Jahr­hun­dert führt May eine gro­ße Zahl von Theo­lo­gen an, schwer­punkt­mä­ßig an den katho­li­schen Fakul­tä­ten. Seit dem Zwei­ten Vati­ka­num stieg die Zahl der vom Glau­ben Abge­fal­le­nen erheb­lich, dar­un­ter bekann­te­re Namen wie Gott­hold Hasen­hüttl (nomi­nell katho­lisch) und als Pen­dant auf pro­tes­tan­ti­scher Sei­te Gerd Lüde­mann. Ande­re wie­der­um stell­ten Tei­le des Kate­chis­mus in Fra­ge und oppo­nier­ten sogar gegen zen­tra­le Grund­ät­ze von Glau­ben und Moral. Fast sämt­li­che Moral­theo­lo­gen wären zu nen­nen. Man kann cum gra­no salis quer durch unter­schied­li­che Fach­dis­zi­pli­nen von Auf­lö­sungs­ten­den­zen spre­chen. Selbst gegen eine prä­gen­de Gestalt wie Karl Rah­ner und dem pro­fi­lier­ten Kuri­en­kar­di­nal Wal­ter Kas­per sind erheb­li­che Ein­wän­de vor­zu­brin­gen, wie May auf­zeigt. Ihnen ste­hen nur weni­ge recht­gläu­bi­ge Theo­lo­gen wie der Dog­ma­ti­ker und spä­te­re Kar­di­nal Leo ‑Scheff­c­zyk, des­sen Leh­rer Micha­el Schmaus und der eben­so zum Kar­di­nal ernann­te Alo­is Grillmeier,
gegenüber.

Daß ange­sichts die­ser Ent­wick­lung die Bilanz der Selbst­de­mon­ta­ge von Theo­lo­gie und Kir­che deut­lich aus­fällt, liegt auf der Hand. May kon­sta­tiert einen fast voll­stän­di­gen Sieg von Neo-Moder­nis­ten, Staats­theo­lo­gen und Häre­ti­kern. Nicht nur sein Frei­sin­ger Stu­di­en­kol­le­ge Joseph Ratz­in­ger ist über die all­ge­mei­ne Unfä­hig­keit der theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten, zu inte­gra­ler Fröm­mig­keit und Pries­ter­tum hin­zu­füh­ren, besorgt, wie aus des­sen Brie­fen an den Ver­fas­ser hervorgeht.

– – –

Georg Mays 300 Jah­re gläu­bi­ge und ungläu­bi­ge Theo­lo­gie kann man hier bestel­len.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)