»Was die jetzige Regierung als nationale Gesinnung vorschreibt, ist nicht mein Deutschtum«, schrieb die Historikerin, Romanautorin, Dichterin und grande dame des nationalkonservativen
Widerstands, Richarda Huch, im Jahre 1941.
Wolfgang Schwiedrzik hat sich vor 20 Jahren, zu Huchs 50. Todestag, die editorische Mühe gemacht, ihr unvollendet gebliebenes »Gedenkbuch« der Opfer des NS-Widerstands zu veröffentlichen. Zuvor war diese Sammlung biographischer Bilder von Märtyrern wie Goerdeler, Bonhoeffer, der Geschwister Scholl, Dr. Leber, Graf v. Moltke, Graf v. Stauffenberg und vieler anderer weniger Bekannter vom Kommunisten Günter Weisenborn 1953 »nach dem Material von Richarda Huch« ediert worden, aber weder vollständig noch historisch-kritisch, zudem im Bestreben, den mannigfaltigen deutschen Widerstand auf die passende Linie zu bürsten.
Ein weiteres Huch-Gedenkbuch, diesmal zum Gedenken an die Autorin selber, die uns heute eine Leitfigur sein kann, ist alles andere als überflüssig. Denn die Fragen, um die es Huch ging, sind heute entschieden aktueller. Es geht um die »Erarbeitung eines Selbstbewusstseins als Deutscher, der stolz auf die Freiheitskämpfe seines Volkes ist, ohne sich über andere Völker zu erheben und ohne die mörderischen Kriege zu vergessen, die auch von deutschem Boden ausgegangen sind«, konstatiert der Herausgeber. Drei zeitgenössische Texte Huchs zur sogenannten »Stunde Null«, die eine reine Konstruktion der Sieger war, sind am Ende des Bandes abgedruckt. Besonders einleuchtend ist ihre Antwort auf Hermann Hesse, der 1946 von den Deutschen die »Loslösung vom Nationalgefühl« forderte. Huch, mit herausragenden Widerständlern befreundet, gelang es, eine Selbstverortung der Deutschen zu formulieren, die das »Deutschtum« nicht verwarf und gerade im Kampf gegen Hitler deutsche Helden fand. Statt der verordneten »Re-education« unternahm Richarda Huch zusammen mit anderen Intellektuellen nach 1945 den Versuch, die deutsche »Selbstreinigung« von innen zu betreiben. Ein Aufruf in mehreren westdeutschen Zeitungen mit dem Titel »Deutsche Anklage« erschien, ihm war aber unter alliierter Besatzung kein Erfolg beschieden. Zu wirkmächtig war das Siegernarrativ, die Deutschen von außen von ihrer Geschichte abzuschneiden.
Der Aufbau des vorliegenden Buches bleibt bei allen Verdiensten etwas undurchdacht. Drei Aufsätze Schwiedrziks (zum »Gedenkbuch«, zur Reichsidee und zur »Deutschen Anklage«), sein Nachwort und dann die fünf kurzen Originaltexte von Richarda Huch (deren Opus ja beileibe nicht darin bestand, die Lage der Nation nach 1945 zu beschreiben) – da muß es zwangsläufig zu Wiederholungen teils langer Passagen kommen, außer man hätte statt der Aufsätze ein neues Gesamtgefüge geschrieben.
Weiterzulesen in Richarda Huchs Deutscher Geschichte sei uns nachdrücklich empfohlen, die drei Bände sind antiquarisch leicht erhältlich. Huch ist als Nationalkonservative auch dank Schwiedrzik nicht vergessen, doch dieser Schlag monumentalischer Geschichtsschreiber aus Nietzsches »Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben«, der ist ausgestorben. »Wenn der Mensch, der Großes schaffen will, überhaupt die Vergangenheit braucht, so bemächtigt er sich ihrer vermittelst der monumentalischen Historie; wer dagegen im Gewohnten und Altverehrten beharren mag, pflegt das Vergangne als antiquarischer Historiker; und nur der, dem eine gegenwärtige Not die Brust beklemmt, und der um jeden Preis die Last von sich abwerfen will, hat ein Bedürfnis zur kritischen, das heißt richtenden und verurteilenden Historie.« Es gibt seit Kriegsende – mit Nietzsche und Huch zu urteilen – ein Zuviel an richtender und verurteilender Historie.
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Wolfgang M. Schwiedrziks Richarda Huch kann man hier bestellen.