Wolfgang M. Schwiedrzik: Richarda Huch. Das Vermächtnis

Wolfgang M. Schwiedrzik: Richarda Huch. Das Vermächtnis, Wien/Neckargemünd: Mnemosyne 2017. 216 S., 18 €

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

»Was die jet­zi­ge Regie­rung als natio­na­le Gesin­nung vor­schreibt, ist nicht mein Deutsch­tum«, schrieb die His­to­ri­ke­rin, Roman­au­to­rin, Dich­te­rin und gran­de dame des nationalkonservativen
Wider­stands, Richarda Huch, im Jah­re 1941.

Wolf­gang Schwiedrzik hat sich vor 20 Jah­ren, zu Huchs 50. Todes­tag, die edi­to­ri­sche Mühe gemacht, ihr unvoll­endet geblie­be­nes »Gedenk­buch« der Opfer des NS-Wider­stands zu ver­öf­fent­li­chen. Zuvor war die­se Samm­lung bio­gra­phi­scher Bil­der von Mär­ty­rern wie Goer­de­ler, Bon­hoef­fer, der Geschwis­ter Scholl, Dr. Leber, Graf v. Molt­ke, Graf v. Stauf­fen­berg und vie­ler ande­rer weni­ger Bekann­ter vom Kom­mu­nis­ten Gün­ter Wei­sen­born 1953 »nach dem Mate­ri­al von Richarda Huch« ediert wor­den, aber weder voll­stän­dig noch his­to­risch-kri­tisch, zudem im Bestre­ben, den man­nig­fal­ti­gen deut­schen Wider­stand auf die pas­sen­de Linie zu bürsten.

Ein wei­te­res Huch-Gedenk­buch, dies­mal zum Geden­ken an die Autorin sel­ber, die uns heu­te eine Leit­fi­gur sein kann, ist alles ande­re als über­flüs­sig. Denn die Fra­gen, um die es Huch ging, sind heu­te ent­schie­den aktu­el­ler. Es geht um die »Erar­bei­tung eines Selbst­be­wusst­seins als Deut­scher, der stolz auf die Frei­heits­kämp­fe sei­nes Vol­kes ist, ohne sich über ande­re Völ­ker zu erhe­ben und ohne die mör­de­ri­schen Krie­ge zu ver­ges­sen, die auch von deut­schem Boden aus­ge­gan­gen sind«, kon­sta­tiert der Her­aus­ge­ber. Drei zeit­ge­nös­si­sche Tex­te Huchs zur soge­nann­ten »Stun­de Null«, die eine rei­ne Kon­struk­ti­on der Sie­ger war, sind am Ende des Ban­des abge­druckt. Beson­ders ein­leuch­tend ist ihre Ant­wort auf Her­mann Hes­se, der 1946 von den Deut­schen die »Los­lö­sung vom Natio­nal­ge­fühl« for­der­te. Huch, mit her­aus­ra­gen­den Wider­ständ­lern befreun­det, gelang es, eine Selbst­ver­or­tung der Deut­schen zu for­mu­lie­ren, die das »Deutsch­tum« nicht ver­warf und gera­de im Kampf gegen Hit­ler deut­sche Hel­den fand. Statt der ver­ord­ne­ten »Re-edu­ca­ti­on« unter­nahm Richarda Huch zusam­men mit ande­ren Intel­lek­tu­el­len nach 1945 den Ver­such, die deut­sche »Selbst­rei­ni­gung« von innen zu betrei­ben. Ein Auf­ruf in meh­re­ren west­deut­schen Zei­tun­gen mit dem Titel »Deut­sche Ankla­ge« erschien, ihm war aber unter alli­ier­ter Besat­zung kein Erfolg beschie­den. Zu wirk­mäch­tig war das Sie­ger­n­ar­ra­tiv, die Deut­schen von außen von ihrer Geschich­te abzuschneiden.

Der Auf­bau des vor­lie­gen­den Buches bleibt bei allen Ver­diens­ten etwas undurch­dacht. Drei Auf­sät­ze Schwiedrziks (zum »Gedenk­buch«, zur Reichs­idee und zur »Deut­schen Ankla­ge«), sein Nach­wort und dann die fünf kur­zen Ori­gi­nal­tex­te von Richarda Huch (deren Opus ja bei­lei­be nicht dar­in bestand, die Lage der Nati­on nach 1945 zu beschrei­ben) – da muß es zwangs­läu­fig zu Wie­der­ho­lun­gen teils lan­ger Pas­sa­gen kom­men, außer man hät­te statt der Auf­sät­ze ein neu­es Gesamt­ge­fü­ge geschrieben.

Wei­ter­zu­le­sen in Richarda Huchs Deut­scher Geschich­te sei uns nach­drück­lich emp­foh­len, die drei Bän­de sind anti­qua­risch leicht erhält­lich. Huch ist als Natio­nal­kon­ser­va­ti­ve auch dank Schwiedrzik nicht ver­ges­sen, doch die­ser Schlag monu­men­ta­li­scher Geschichts­schrei­ber aus Nietz­sches »Nut­zen und Nach­teil der His­to­rie für das Leben«, der ist aus­ge­stor­ben. »Wenn der Mensch, der Gro­ßes schaf­fen will, über­haupt die Ver­gan­gen­heit braucht, so bemäch­tigt er sich ihrer ver­mit­telst der monu­men­ta­li­schen His­to­rie; wer dage­gen im Gewohn­ten und Alt­ver­ehr­ten behar­ren mag, pflegt das Ver­gang­ne als anti­qua­ri­scher His­to­ri­ker; und nur der, dem eine gegen­wär­ti­ge Not die Brust beklemmt, und der um jeden Preis die Last von sich abwer­fen will, hat ein Bedürf­nis zur kri­ti­schen, das heißt rich­ten­den und ver­ur­tei­len­den His­to­rie.« Es gibt seit Kriegs­en­de – mit Nietz­sche und Huch zu urtei­len – ein Zuviel an rich­ten­der und ver­ur­tei­len­der Historie.

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Wolf­gang M. Schwiedrziks Richarda Huch kann man hier bestel­len.

Caroline Sommerfeld

Caroline Sommerfeld ist promovierte Philosophin und dreifache Mutter.

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