Léon Bloy: Marie Antoinette – Ritterin des Todes

Konrad Gill über Léon Bloy: Marie Antoinette – Ritterin des Todes, Wien: Karolinger 2017. 109 S., 18 €

Als der jun­ge Bloy die­ses ers­te essay­is­ti­sche Werk ver­faß­te, war noch nicht zu ahnen, daß er ein­mal als katho­li­scher Wüte­rich in die Lite­ra­tur­ge­schich­te ein­ge­hen wer­de. Sein rebel­li­scher Geist und sein glü­hen­der Katho­li­zis­mus ließ ihn hier die kur­ze, doch aus­ge­spro­chen dra­ma­ti­sche Hagio­gra­phie einer Frau schrei­ben, deren Nach­ruhm doch Bloy zufol­ge gera­de dar­in grün­de, daß sie kei­ne Hei­li­ge war, son­dern eine in ihrem Lei­den als gewöhn­li­cher Mensch erkenn­ba­re Mut­ter, Ehe­frau und – wenn auch zu spät – Poli­ti­ke­rin in eige­ner Sache. Sie ver­tei­dig­te ihren Sta­tus, ihr Anse­hen und schließ­lich ihr Lebens­recht erst, als der revo­lu­tio­nä­re Haß schon durch hun­dert­tau­sen­de Hir­ne geschos­sen war: »Das Volk erwacht, die Köni­gin erwacht« über­schrieb Ste­fan Zweig ein Kapi­tel in sei­nem »Bild­nis eines mitt­le­ren Charakters«.

Bloy erzählt von Lei­den und Ster­ben die­ser erst in der Gefahr auf­blü­hen­den und ihre Stär­ke neben einem schwa­chen Ehe­mann und König ent­fal­ten­den Frau mit mehr als nur der Sym­pa­thie christ­li­cher Nächs­ten­lie­be. Die in den Zwän­gen und Gefah­ren der Ver­sailler Schlan­gen­gru­be über­for­der­te Habs­bur­ger­prin­zes­sin, die­se »Durch­schnitts­frau« (Zweig), besingt er in einem heu­te unge­bräuch­li­chen hohen Ton, der schwüls­tig erschei­nen mag, aber dem Sujet schon des­halb ange­mes­sen ist, weil Revo­lu­tio­nä­re aller Cou­leur ihn bis heu­te ent­we­der ver­ab­scheu­en oder allein der Wer­bung für ihre säku­la­ri­sier­ten Heils­leh­ren zubil­li­gen. Kaum eine Ade­li­ge war den Revo­lu­tio­nä­ren von 1789ff. der­ma­ßen ver­haßt wie Marie Antoi­net­te. Noch heu­te hat sie einen schlech­ten Ruf, der zum Teil auf Unter­stel­lun­gen und 230 Jah­re alter Pro­pa­gan­da beruht. Wie Bloy – total unkri­tisch und herr­lich ein­sei­tig – Par­tei nimmt für die­se Frau und damit für die (auch zum Zeit­punkt der Nie­der­schrift) längst ver­lo­re­ne Sache der Legi­ti­mis­ten, ist ein (ange­sichts des grau­si­gen Schick­sals der Köni­gin: bit­te­res) Ver­gnü­gen und paßt her­vor­ra­gend in die Biblio­thek der Reaction.

Sei­nen vol­len Wert erhält der Band aber erst durch den zusätz­li­chen Abdruck zwei­er wei­te­rer, noch kür­ze­rer Tex­te, die Bloy bereits der Erst­ver­öf­fent­li­chung bei­gege­ben hat­te: Der Mist­hau­fen aus Lili­en erzählt vom fran­zö­si­schen Thron­prä­ten­den­ten Karl XI., einem Zeit­ge­nos­sen Bloys, der nach heu­ti­gem Wis­sen ver­mut­lich ein Hoch­stap­ler war, nach Mei­nung des Lite­ra­ten aber »mit so gro­ßer Wahr­schein­lich­keit der Enkel von Lud­wig XVI. (…), daß es an voll­stän­di­ge Gewiß­heit grenzt«, und in des­sen Auf­tre­ten in zwei­fel­haf­ten Krei­sen unte­rer Pari­ser Schich­ten Bloy den end­gül­ti­gen Schluß­punkt des Nie­der­gan­ges der über fast tau­send Jah­re hin­weg regie­ren­den Kapetinger/Bourbonen erkennt. Der Schwar­ze Prinz ist eine Erin­ne­rung an Napo­lé­on Eugè­ne Lou­is Bona­par­te, den Sohn des letz­ten fran­zö­si­schen Kai­sers und pro­kla­mier­ten Thron­fol­ger »Napo­le­on IV.«, einen heu­te wohl selbst ‑Mon­ar­chis­ten kaum mehr bekann­ten und von den Zeit­läuf­ten Ver­spreng­ten. Der aus­sichts­lo­se Prä­ten­dent fiel als bri­ti­scher Sol­dat in einem unbe­deu­ten­den Gefecht mit Zulu-Kriegern.

Durch die Anein­an­der­rei­hung die­ser Tex­te ist eine Medi­ta­ti­on über den lang­sa­men Unter­gang des König­tums in Frank­reich ent­stan­den. Die fast unglaub­haft erstaun­li­chen Schick­sa­le die­ser so unglei­chen Unglück­li­chen, über hun­dert Jah­re hin­weg ver­strickt in das his­to­ri­sche Geschick Frank­reichs, dem deut­schen Leser bekannt gemacht zu haben, ist das Ver­dienst des Her­aus­ge­bers und Über­set­zers Alex­an­der Psche­ra. Sei­ne hilf­rei­che Deu­tung und Ein­ord­nung über Bloy und die Königs­fra­ge schließt den Band sinn­voll ab.

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Léon Bloys Marie Antoi­net­te kann man hier bestel­len.

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