Hand auf’s Herz: Beschreiben Sie bitte eine Douglasie! Sie wissen nicht genau –? Nun, nach Lektüre dieses in vielerlei Hinsicht eigentümlichen Douglasienbuches werden Sie jedenfalls den Stamm beschreiben können. Der ist auf dem Titel abgebildet. Der höchste Baum Deutschlands, das erfahren wir rasch, ist eine Douglasie. Sie wurde auf den Namen Waldtraut vom Mühlwald getauft, wächst im Breisgau, ist sechsundsechzig Meter hoch, Jahrgang 1910. Der Autor Volkmar Weiss (Jahrgang 1944), Genetiker und Sozialhistoriker, war seit 1990 bis zu seiner Pensionierung Leiter der Deutschen Zentralstelle für Genealogie Leipzig. In linken Kreisen wird er als »Rassehygieniker« gescholten. Sarrazin hatte sich auf seine Forschungen bezogen, Weiss’ Buch Die IQ-Falle (2000) war ein furioser Bestseller. Nebenbei beschäftigt sich Weiss sammelnd und forschend mit Neophyten, er veröffentlicht seit Jahrzehnten in Fachmagazinen zu pflanzlichen Neusiedlern.
Was die hier zu besprechende Publikation betrifft: Es ist nicht ganz einfach herauszufinden, worum es eigentlich geht und an welchen Kreis sich dieses Buch richtet. Was wäre die These, die Aufgabenstellung des Buches? Der rote Faden ist vielfach aufgefächert. Aber: Jedes Fädchen dient der Erquickung! Sogar die possierlichen: Weiss teilt mit, daß seine Enkelinnen Töchter eines im Bosnienkrieg desertierten Albaners sind. Der ist seit Jahren nun deutscher Staatsbürger. (Ein Gleichnis!) Im Anhang findet sich ein »offener Brief« von Weiss an die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. Hier geht es darum, daß jenes Amt eine Broschüre über »Naturschutz und Rechtsradikalismus« (2015) veröffentlicht hatte, in der Weiss von dezidiert linken Autoren verunglimpft wird. Viel Stoff also! Unterm Strich will der Autor uns sagen: Die Linksgrünen plädieren für eine Willkommenskultur gegenüber Auswanderern, sind dabei aber in botanischer Hinsicht völlig inkonsequent. Das mag nach einer nebensächlichen Fragestellung klingen, ist in Wahrheit aber zündender Lesestoff. Wie sich Weiss in die (historische) Forschungslage begeben hat: Ein Vergnügen! Wir lesen weite Strecken darüber, wie tonangebende Forscher und Politiker sich in den letzten 140 Jahren zu Neophyten, insbesondere zur wirtschaftlich ergiebigen Douglasie positioniert haben. Etwa Heinrich von Salisch in seiner Forstästhetik vor gut hundert Jahren: »Die vielgerühmte Douglasie kann den Vergleich mit der Fichte nicht aushalten, hinter deren Schönheit sie zurückbleibt, weil das Rindenkleid auch im Alter sich nicht rötet. (…). Ich bin der Meinung, daß die fremden Holzarten zu den unsrigen nicht recht passen, ohne daß ich im einzelnen dies ungünstige Urteil immer zu begründen wüßte.« Auch Raoul Francé schrieb etwas später gegen die »Fremdlinge aus Übersee im deutschen Walde« an. Ähnlich der Stuttgarter Oberbürgermeister i.R. Heinrich von Gauß, der 1911 jede Pflanze als störend brandmarkte, »die der einheimischen Vegetation fremd ist und deren fremder Ursprung uns zum Bewußtsein kommt.« Derartige Stimmen: Legion! Sie sind es, man mag staunen, bis heute. Noch jüngst ätzte der BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz in Deutschland) gegen »standortwidrige und fremdländische Baumarten.« Wahrhaft pittoresk ist eine Fundstelle von 2016, die Weiss aufgetan hat: Im Sihlwald bei Zürich haben Asylbewerber aus Eritrea geholfen, eine Fläche von etwa 23 Hektar von fremdländischen invasiven »Problem-pflanzen« zu befreien. Weiss zitiert einen Zeitungsartikel: »Viele freiwillige Helfer ermüdeten verständlicherweise.« Anders die Asylbewerber: »Sie arbeiteten gewissenhaft, ausdauernd, effizient und ohne klagende Worte. Schnell war ihnen klar, welche Pflanzen entfernt werden müssen und welche nicht.« Nature writing (man denke an Peter Wohllebens Verkaufsschlager oder an die populären Naturkunden des Matthes&Seitz-Verlags) ist derzeit höllisch angesagt. Hier wäre ein in jeder Hinsicht besonders tolles Exponat.
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Volkmar Weiss’ Keine Willkommenskultur für Douglasien im deutschen Walde? kann man hier bestellen.