Heinrich A. Winkler: Zerbricht der Westen? Über die gegenwärtige Krise in Europa und Amerika

Felix Dirsch über Heinrich A. Winkler: Zerbricht der Westen? Über die gegenwärtige Krise in Europa und Amerika, München: C.H. Beck 2017. 493 S., 24.95 €

Hein­rich A. Wink­ler ist längst in den Rang eines Haus- und Hof­his­to­rio­gra­phen der Bun­des­re­pu­blik auf­ge­stie­gen. Ver­dient hat er sich sei­nen Ruf als Ver­fas­ser etli­cher mate­ri­al­rei­cher Stu­di­en über den Wes­ten, die mehr des­sen nor­ma­ti­ven Anspruch her­vor­he­ben als die fak­ti­sche Ein­lö­sung der ent­spre­chen­den Idea­le. Neben der vier­tei­li­gen »Geschich­te des Wes­tens« ist die zwei­bän­di­ge Beschrei­bung der deut­schen Geschich­te des 19. und 20. Jahr­hun­derts als der »lan­ge Weg nach Wes­ten« zu nen­nen. Bei genaue­rer Betrach­tung die­ser Nar­ra­ti­on stellt sich her­aus, daß sie kaum mehr als eine Neu­auf­la­ge der alten The­se vom »deut­schen Son­der­weg« dar­stellt, deren Unter­kom­ple­xi­tät kaum erwähnt wer­den muß.

Nach der­art aus­gie­bi­ger Beschäf­ti­gung mit der His­to­rie hat Wink­ler es wohl für nahe­lie­gend emp­fun­den, sich der unmit­tel­ba­ren Gegen­wart zuzu­wen­den. Die aktu­el­len Kri­sen in Euro­pa und den USA erschei­nen als loh­nens­wer­tes The­ma. Wer die bis­he­ri­gen Publi­ka­tio­nen des Ber­li­ner Eme­ri­tus kennt, ist nicht dar­über ver­wun­dert, daß sich sei­ne Urtei­le im übli­chen Dis­kurs­ray­on der links­li­be­ra­len Mei­nungs­ma­cher bewe­gen. Folg­lich wer­den die Zäsu­ren »Brexit« und »Trump« so ein­sei­tig und kon­text­los wie mög­lich dar­ge­stellt. Es han­delt sich weni­ger um eine wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chung als um die Dar­stel­lung und Kom­men­tie­rung von Ereig­nis­sen, die der infor­mier­te Zeit­ge­nos­se auf­grund inten­si­ver Zei­tungs- und Inter­net­text­lek­tü­re bereits kennt.

Für einen seriö­sen His­to­ri­ker wäre es Auf­ga­be, die unter­schied­li­chen kul­tu­rel­len Hin­ter­grün­de der Ent­wick­lung der USA, West‑, Süd- und Mit­tel­eu­ro­pas und der rela­tiv jun­gen EU-Staa­ten im Osten, die unter­ein­an­der kei­nes­wegs homo­gen sind, her­aus­zu­ar­bei­ten. Wink­ler geht ein sol­ches Unter­neh­men selbst­re­dend nicht an. Ganz über­ra­schend ist vor einem sol­chen Hin­ter­grund ein gewis­ses Aus­ein­an­der­drif­ten der Tei­le des Kon­strukts »Wes­ten« nicht.

Wink­lers Schrift kann eine alar­mis­ti­sche Grund­aus­rich­tung nicht ver­ber­gen. Einer­seits stellt er die per­hor­res­zier­te Gefahr, das Zer­bre­chen des Wes­tens, in den Raum; ande­rer­seits muß er immer wie­der zurück­ru­dern: Die Kata­stro­phe bleibt wahr­schein­lich doch aus. Von Alexis de Toc­que­vil­les berühm­ten Ana­ly­sen im frü­hen 19. Jahr­hun­dert bis zu Geor­ge W. Bushs Irak­aben­teu­er 2003 zeigt sich der Wes­ten gespal­ten. Der Neu­ig­keits­wert die­ser Bot­schaft bleibt auch dann gering, wenn man vie­le Wor­te da-rüber verliert.

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Hein­rich A. Wink­lers Zer­bricht der Wes­ten? kann man hier bestel­len.

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