Eigentlich ist das Buch Verteidigung der Tradition. Die unüberwindbare Wahrheit Christi des italienischen Gelehrten Roberto de Mattei als Postskriptum seiner umfangreichen Untersuchung des Zweiten Vatikanischen Konzils gedacht. Deren Veröffentlichung im Jahre 2010 hatte ein großes Echo in der katholischen Welt hervorgerufen, und der Autor fand, daß noch Grundsätzliches zum oft mißgedeuteten, aber grundlegenden Traditionsbegriff dargelegt werden mußte. Die etwas raffinierteren unter seinen Gegnern versuchten nämlich, de Matteis ausführliche Analyse des Zweiten Vatikanums dadurch zu entkräften, daß sie eine Unterordnung des gesamten überlieferten, zweitausendjährigen Glaubensgutes der Kirche unter das aktuelle kirchliche Lehramt geltend machten. Dieser Ansicht zufolge definiert allein das temporär herrschende Lehramt nach Belieben, was zur Tradition der Kirche gehört und was nicht. Ein Einwand, den der renommierte Historiker nicht auf sich beruhen lassen wollte. Das kleine Buch nun, in dem de Mattei auf knapp zweihundert Seiten erschöpfend auf diesen Irrtum eingeht, empfiehlt sich allein schon wegen seiner Kompaktheit einer Leserschaft, die für das dickleibige Vorgängerwerk nicht genügend Muße, Vorkenntnisse oder Detailinteresse aufbringen kann. De Matteis Abhandlung zur Tradition der Kirche setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Der erste, historische Teil des Buches ist ein nüchterner Überblick über die gesamte Kirchengeschichte aus der Sicht zweier hochgelehrter, kirchentreuer Historiker der alten Schule (Ludwig von Pastor und Joseph Hergenröther), wobei anhand der darin geschilderten Krisen und Schwierigkeiten klar wird, daß manche Not ihre Ursache nicht einfach nur in der persönlichen Unbedarftheit oder menschlichen Schwäche der Päpste und Würdenträger in der fraglichen Epoche hatte, sondern diese Unzulänglichkeiten ein Abrücken vom festen Kurs der Tradition zur Folge hatten. Anhand von etlichen beispielhaften Ereignissen und Vorgängen in der Kirchengeschichte macht de Mattei diesen Zusammenhang deutlich. Im zweiten, theologischen Teil seines Werkes erörtert de Mattei den Begriff der Tradition als zweiter Quelle des Glaubens neben der Hl. Schrift und setzt diese ins rechte Verhältnis zu den Organen der Kirche, wie dem heutzutage vielbeschworenen Lehramt. Wie de Mattei herausarbeitet, ist das Kernproblem der postkonziliaren Kirche eines der verkehrten Ordnung. Denn das Lehramt ist der Tradition der Kirche nicht übergeordnet und kann daher über sie nach Belieben verfügen, sondern ist ihr vielmehr unterstellt. Zu einer blinden Papolatrie, wie sie gerade unter neokonservativen Gläubigen verbreitet ist, besteht laut de Mattei also wenig Anlaß, wohingegen jenen Spielverderbern, die sich mit der gegenwärtigen Umkrempelung der Kirche zu einer NGO unter vielen anderen im bunten Reigen der Neuen Weltordnung nicht abfinden wollen, sein handliches Postskriptum viele gute wie glaubenskonforme Argumente liefert. Der Grignon Verlag hat mit der deutschen Übersetzung dieser Apologie einigen Aufwand betrieben; das Buch ist großzügig gesetzt, leinengebunden und mit einem Lesebändchen versehen und hat neben einem Personen- und Abkürzungsverzeichnis auch viele Fußnoten mit Erläuterungen und Literaturhinweisen.
Für das Vorwort hat der Verleger Martin Mosebach gewinnen können, der in seiner gewohnt eleganten Sprache dem Leser nicht bloß das Denken und Wirken Roberto de Matteis vorstellt, sondern auch der Frage nachgeht, ob ein Katholik den Papst kritisieren darf. Insgesamt ist dieses kleine Buch wirklich ein Gewinn.
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Roberto de Matteis Verteidigung der Tradition kann man hier bestellen.