»Frankreich und Europa brauchen eine echte nationalistische Revolution, um überleben zu können. Oberflächliche Änderungen werden das Schlechte nicht beseitigen. Nichts wird gut, bis nicht die Pflänzlein des Regimes bis zur letzten Wurzel ausgerissen sind. Dazu müssen seine politische Organisation zerstört, seine Idole und Dogmen gestürzt und seine offiziellen und heimlichen Meister ausgetauscht werden.«
Sätze wie in Stein gemeißelt – das ist Dominique Venners Für eine positive Kritik. Der begnadete Geschichtsdenker, der diese Schrift im Jahr 1962 unter dem Eindruck der gescheiterten Revolutionsversuche von rechts in Frankreich veröffentlichte, sah das Fehlen einer weltanschaulichen Durchdringung der »Nationalen« als Knackpunkt der eigenen Schwäche. Vielmehr bedürfe es einer Doktrin, »die überzeugend die Ursachen der westlichen Dekadenz« erkläre und so »den Aktivismus in überlegte Bahnen« lenken könne. Doch Venner geht es nicht nur um »die Notwendigkeit von Ideen im politischen Kampf«, sondern wesentlich um Organisationsfähigkeit und »Formierung« sowie eine klare »Analyse der Lage«, anhand derer »die eigenen politischen Werkzeuge vorzubereiten« seien. Um die Lethargie zu beenden, müsse »eine neue revolutionäre Theorie erarbeitet werden«.
Doch zuvor zur Lage: »Politik, Verwaltung und Wirtschaft […] vertrauen vollkommen auf einen gigantischen Regierungsapparat, der die Bevölkerung streng unter Kontrolle hält – insbesondere durch soziale Regeln. Sie halten ein Monopol der politischen und wirtschaftlichen Macht. Sie kontrollieren nahezu alle Informationskanäle und sind damit Herren über die Gedanken. Die Bürger haben sie in fügsame Schafe verwandelt. Nur Schein-Opposition wird toleriert.« Wohlgemerkt: Diese Sätze sind 1962 geschrieben!
Venner stellt »Nationalistische Perspektiven« auf, denen er fünf Grundsätze zuordnet: In der »Kritik des Liberalismus und des Marxismus« arbeitet er den gemeinsamen Charakter dieser beiden Ideologien heraus, deren Ziel dasselbe sei: »Die Versklavung der zuvor durch die demokratischen Mythen getäuschten Volker«. Der »rebellische Geist« werde »im Kommunismus zur physischen und im liberalen Regime zur gesellschaftlichen Vernichtung« zugeführt. Der »potente Humanismus« ist Venners zweiter Grundsatz: Hierin plädiert er für eine »Willenskraft der europäischen Zivilisation«, die sich der herausragenden Bedeutung des europäischen Menschen und seiner »schöpferischen Kraft« für die weltweite Entwicklung bewußt ist. Zurückkehrend auf die nationale Ebene verbindet Venner die Konzepte »lebendige Ordnung« und »organische Wirtschaftsordnung« zu einem ständestaatlichen System, in dem »die Kraft des Geldes […] durch die Kraft der Gläubigen und der Kämpfer ersetzt« wird. Im fünften und letzten Grundsatz »Ein junges Europa« fordert der französische Denker die Vereinigung der europäischen Staaten um die »nationalen Realitäten« herum – ein Europa ohne Vorherrschaft einer Nation, basierend auf einem »kontinental-europäischen Block«. Diesem Ideal verpflichtet, gibt Venner im abschließenden Kapitel »Organisation und Aktion« Handlungsanleitungen, die sich wie Handreichungen für identitäre Vereinigungen von heute lesen. Von Fragen der europaweiten Vernetzung über die Problematik der Kaderausbildung bis hin zu Fragen von innerorganisatorischer Arbeitsteilung wird eines deutlich: »Das Ende der alten Rechten«, so der Untertitel, war bereits in den 1960er Jahren eingeläutet worden, schon damals war es Zeit für eine Neue Rechte. Und dies war schließlich auch die Geburtsstunde der Nouvelle Droite, jener Denkrichtung, die das rechtsintellektuelle (und mittlerweile auch aktivistische) Milieu bis heute befruchtet.
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