Thor v. Waldstein: Die entfesselte Freiheit. Vorträge und Aufsätze wider die liberalistische Lagevergessenheit

Thor v. Waldstein: Die entfesselte Freiheit. Vorträge und Aufsätze wider die liberalistische Lagevergessenheit, Schnellroda: Antaios 2017. 288 S., 22 €

Thor v. Wald­stein ist nach eige­nen Anga­ben kein Intel­lek­tu­el­ler. Neben eini­gen Vor­zü­gen bringt das mit sich, daß es so etwas wie ein in sich geschlos­se­nes Haupt­werk die­ses eigen­wil­li­gen Kop­fes nicht gibt. Wer sich – wie einst der Autor die­ser Zei­len – getrie­ben von eini­gen Text­hap­pen oder gar sei­nem unver­geß­li­chen Vor­trags­stil auf der Suche nach mehr befand, gras­te des­halb bis­her die spär­li­chen Ein­trä­ge sei­ner Such­ma­schi­ne ab oder muß­te sich mit einer klei­nen Hand­voll sehr spe­zi­el­ler Ein­zel­mo­no­gra­phien (Beu­te­wert des Staa­tes, Meta­po­li­tik, Bin­nen­schif­fahrts­recht) begnü­gen. Es ist daher sehr zu begrü­ßen, daß nun eine Samm­lung aktua­li­sier­ter Auf­sät­ze v. Wald­steins aus fast drei Jahr­zehn­ten vorliegt.

Daß Deutsch­land end­lich wie­der eine poli­tisch hand­lungs­fä­hi­ge, vor allem aber hand­lungs­wil­li­ge Nati­on wer­de und »das zwei­fel­haf­te Ver­gnü­gen, das bun­des­deut­sche Elend in einem cir­ca 40 Jah­re lang wäh­ren­den Hor­ror­film zu ver­fol­gen«, end­lich ein Ende habe, ist der ein­zi­ge Daseins­grund die­ses Buches. Wer nach der Lek­tü­re immer noch nicht ver­stan­den hat, war­um der Libe­ra­lis­mus dazu erst in hohem Bogen auf den Müll­hau­fen der Geschich­te flie­gen muß, dem ist nicht zu hel­fen. Eine Welt­an­schau­ung, die ihre anti­po­li­ti­schen Gesell­schafts­ent­wür­fe auf die pflich­ten­lo­sen Rech­te des ein­zel­nen grün­det und sich zum Kit­ten der selbst­ver­schul­de­ten Ris­se auf sämt­li­che mensch­li­chen Schwä­chen ver­legt, kann nicht die Grund­la­ge einer sich selbst behaup­ten­den Nati­on sein.

Die der­zei­ti­ge Lage unse­rer Nati­on wird im Par­force­ritt einer scho­nungs­lo­sen Mus­te­rung unter­wor­fen. Thor v. Wald­steins Sprach­ge­walt sorgt dafür, daß sich auch die depri­mie­rends­ten Absät­ze mit Ver­gnü­gen lesen las­sen. Für die meis­ten Leser dürf­te eine aus der Per­spek­ti­ve des lang­jäh­rig prak­ti­zie­ren­den Anwalts geschrie­be­ne Lage­be­ur­tei­lung des gegen­wär­ti­gen bun­des­deut­schen Jus­tiz­sys­tems von beson­de­rem Inter­es­se sein.

Fünf Por­träts her­aus­ra­gen­der Den­ker der letz­ten Jahr­zehn­te run­den den Band ab und laden gera­de den jun­gen Leser ein, das poli­ti­sche Den­ken auf eige­ne Faust zu erler­nen. Über­haupt fin­den sich in den Lite­ra­tur­ver­wei­sen zwi­schen den Quel­len­nach­wei­sen immer wie­der ver­bor­ge­ne Schätze.

Weni­ger erfreu­lich ist hin­ge­gen, daß der 1959 gebo­re­ne Autor zu den­je­ni­gen Natio­nal­kon­ser­va­ti­ven der alten Bun­des­re­pu­blik zählt, die noch immer nicht ver­wun­den haben, daß die Wie­der­ver­ei­ni­gung 1990 durch eine Poli­tik kon­se­quen­ter West­bin­dung erreicht wur­de. Die­ses Res­sen­ti­ment schlägt sich in einem prin­zi­pi­el­len Anti­ame­ri­ka­nis­mus nie­der, der schlecht zu einem Den­ken paßt, des­sen ein­zi­ger Maß­stab das deut­sche Natio­nal­in­ter­es­se sein will. Wenn das zu der Behaup­tung führt, die Mit­tel­deut­schen hät­ten am 9. Novem­ber 1989 »als ers­te das kom­mu­nis­ti­sche Joch abge­wor­fen«, dann ist das noch harm­lo­se Mystifizierung.

Ernst wird es, wenn um des alten Grolls wil­len neue Feind­la­gen nicht mehr ange­mes­sen erkannt wer­den. Thor v. Wald­stein ist der letz­te, der die Gefah­ren des demo­gra­phi­schen Aus­tauschs klein­re­den wür­de. Des­halb wir­ken sei­ne Ver­su­che, durch die kul­tur­ge­schicht­li­che Hin­ter­tür auch an die­ser Front den Yan­kee zum Haupt­feind zu erklä­ren, gera­de bei einem so poli­ti­schen Kopf befremd­lich. Glück­li­cher­wei­se bleibt es bei die­ser Idio­syn­kra­sie, so daß sich zum Trost ein Auf­satz über die geo­po­li­ti­schen Chan­cen Deutsch­lands im asia­ti­schen 21. Jahr­hun­dert mit Gewinn lesen läßt.

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Thor v. Wald­steins Die ent­fes­sel­te Frei­heit kann man hier bestel­len.

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