Markus Vahlefeld: Mal eben kurz die Welt retten. Die Deutschen zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Ein Buch wie ein ordent­lich durch­wach­se­nes Steak! Mit die­sem Urteil wäre zunächst die eine Ton­art ein­ge­führt, in der Vah­le­felds Ver­kaufs­er­folg gehal­ten ist. Der Autor (Jahr­gang 1966), poly­glot­ter Wein­ken­ner, Self­made­man und unter ande­rem »Achse-des-Guten«-Schreiber, hat von einer Publi­ka­ti­on in einem »ordent­li­chen« Ver­lag abge­se­hen. Der hät­te ihm wohl eini­ge Flap­sig­keit, die Unein­heit­lich­keit des Stils und Tons (von keck bis ernst­haft hoch­ge­lehrt) und aller­lei schie­fe Sprach­bil­der (»hin­term Pro­te­sto­fen her­vor­ho­len«) nicht durch­ge­hen las­sen. Allein die hier schwer­be­lieb­te Wen­dung »egal, wie« wäre mit Sicher­heit eini­ge Male getilgt wor­den, »Sog- und Saug­wir­kung« wären als red­un­dant ange­stri­chen wor­den, »Frau Dr. Mer­kel« wäre für unnö­tig befun­den wor­den, zumal wenn »Mer­kel« bereits sei­ten­lang ein­ge­führt wurde.

Sol­che eher halb­ge­schick­te Pole­mik und man­cher Her­ren­witz wären kaum nötig, um uns »hin­term Lese­o­fen her­vor­zu­ho­len«: Denn Vah­le­feld ist nicht nur ein Den­ker, der sei­nen Lesern in sechs Kapi­teln die poli­ti­sche Gemenge­la­ge (von der deut­schen Sehn­sucht, geführt zu wer­den, über den »Nazi­kom­pen­sa­ti­ons­kom­plex« bis zum psy­cho­pa­tho­lo­gi­schen Ver­hal­ten in der als »Flücht­lings­kri­se« ver­bräm­ten Migra­ti­ons­ära) bes­tens sor­tiert auf­fä­delt. Er schürft weit tie­fer! Über min­des­tens zwei Punk­te lohn­te ein Nach­den­ken: Zum einen sieht er »Das lin­ke Den­ken« (Kapi­tel III) bereits im mit­tel­al­ter­li­chen Uni­ver­sa­lis­mus­streit wur­zeln. Der Nomi­na­lis­mus habe letzt­lich zur moder­nen Rede­wei­se von der »struk­tu­rel­len Gewalt« (Johan Gal­tung, 1969) geführt. Vah­le­feld: «Nun sind es die Rech­ten, die sich anschi­cken, die Lin­ken mit ihren eige­nen Waf­fen zu schla­gen. Das etwas infan­til wir­ken­de Ätschi-bätsch­der Lin­ken, dass es kei­ne Wahr­hei­ten und kei­ne uni­ver­sa­len Wer­te gäbe, dass jede Behaup­tung in ihrem kul­tu­rel­len Kon­text zu betrach­ten und jeder Wert ein sozi­al kon­stru­ier­ter sei, wen­den die Rech­ten nun gegen die lin­ken Wer­te an. Wenn alle Wahr­hei­ten nur sub­jek­tiv sind, wenn selbst das Geschlecht zum sozia­len Kon­strukt mutiert, dann kann man die­se Gesetz­mä­ßig­keit auch auf die lin­ken Wahr­hei­ten anwen­den. […] Du wirfst mir vor, Tat­sa­chen zu leug­nen? Hast du nicht behaup­tet, die gäbe es gar nicht? Nun, wenn alles nur kon­stru­iert ist, dann kon­stru­ie­re ich mir jetzt eben mal mein eige­nes Kli­ma, mei­ne eige­ne Spra­che, mei­ne eige­ne Wahr­heit. Das Post­fak­ti­sche galt dem lin­ken Zeit­geist lan­ge als bahn­bre­chen­de Erfin­dung: Nichts ist wahr und alles ist mög­lich. Die­ser Grund­satz pro­gres­si­ven Den­kens reißt den lin­ken Zeit­geist gera­de in den Stru­del, den er selbst geschaf­fen hat.« Zwei­tens stuft der Autor (Kapi­tel VI, »Eura­bi­en«) Ange­la Mer­kel als »Groß­raum­den­ke­rin« in sinis­trer Nach­fol­ge eines Carl Schmitt ein. Es sind nicht die schlech­tes­ten Argu­men­te, mit denen er belegt, war­um die Kanz­le­rin mit ihrem »ent­grenz­ten Den­ken« einen Herr­schafts­bo­gen schla­gen will, der den ara­bi­schen Raum umfaßt. »Ent­gren­zung ist am Ende die Selbst­er­mäch­ti­gung einer glo­ba­lis­tisch den­ken­den Eli­te, die es geschafft hat, das Pochen auf die Ein­hal­tung bestehen­der Regeln bereits als Angriff auf die rich­ti­ge Gesin­nung umzudeuten.«

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Mar­kus Vah­le­felds Mal eben kurz die Welt ret­ten kann man hier bestel­len.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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