Sebastian Hennig: Unterwegs in Dunkeldeutschland

Sophie Liebnitz resenziert Sebastian Hennig: Unterwegs in Dunkeldeutschland. Dresden: C.C. Meinhold & Söhne 2017. 175 S., 24 €

Was dem Leser hier vor­liegt, ist ein unge­wöhn­li­cher Rei­se­be­richt. Der Rade­beu­ler Maler, Autor und lang­jäh­ri­ge Bei­trä­ger der Jun­gen Frei­heit Sebas­ti­an Hen­nig – bekannt durch sei­ne PEGI­DA-Chro­nik Spa­ziergänge über den Hori­zont – hat sich auf eine Wan­de­rung durch das Herz von »Dun­kel­deutsch­land« bege­ben, die ihn über man­cher­lei Umwe­ge von Rade­beul bis Pots­dam führ­te. Bes­ser soll­te man dafür viel­leicht den roman­ti­schen Begriff der »Fuß­rei­se« benut­zen. Er folgt damit den Spu­ren des sprach­mäch­ti­gen Dresd­ner Jour­na­lis­ten und Hei­mat­freun­des Edgar Hah­ne­wald, der in den 1920er Jah­ren sei­ne Wan­der­erfah­run­gen in Buch­form nie­der­ge­legt hat­te und Anfang der 1960er Jah­re im west­deut­schen Exil ver­starb. Dies klingt und ist unspek­ta­ku­lär, aber gera­de aus die­sem Sich-Ein­las­sen auf das unspek­ta­ku­lär Vor­han­de­ne gewinnt das Buch sei­ne Qua­li­tät. Zugleich lädt Hen­nig die Land­schaft mit der Kraft per­sön­li­cher und his­to­ri­scher Erin­ne­run­gen auf. Er durch­wan­dert kei­ne unge­zeich­ne­ten Ober­flä­chen, son­dern immer schon gepräg­te Räu­me, die auch zum Anlaß wer­den, Ele­men­te der eige­nen poli­ti­schen Bio­gra­phie zu reflek­tie­ren. »Unbe­wußt streb­ten mei­ne Gän­ge zur Ver­ge­gen­wär­ti­gung einer abwe­sen­den Bedeu­tung der durch­streif­ten Länder.«

Die Beob­ach­tungs­ga­be des Autors führt dem Leser durch die Fol­gen der Ein­heit ent­völ­ker­te und ent­kern­te Land­stri­che plas­tisch vor Augen. Über das Ört­chen Nös­sig etwa heißt es: »Die Werk­stät­ten und Läden sind über­all geschlos­sen. An sei­ner abge­sperr­ten Schmie­de wur­de der Nös­si­ger Dorf­schmied auf ein altes Laken por­trä­tiert. Kei­ne Knei­pe, kein Lebens­mit­tel­ge­schäft, nicht ein­mal ein Geträn­ke­händ­ler ist zu fin­den. Dafür ver­kün­den über­all Schil­der die absur­de Phra­se ›Alt­gold ist Bar­geld‹.« Die Ver­hee­run­gen des Stra­ßen­baus wer­den eben­so fest­ge­hal­ten wie die Schön­hei­ten des wech­seln­den Lichts auf den Fel­dern, die meist über­ra­schend aus dem Nichts auf­tau­chen­den Bewoh­ner die­ser aus der Zeit gefal­le­nen Gegen­den und die Spu­ren einer bedeu­ten­de­ren Ver­gan­gen­heit in Gestalt einer ehe­ma­li­gen Kom­men­de oder alten Kirche.

Die Inten­si­tät der Beschrei­bun­gen eben­so wie Stil und Detail­ver­liebt­heit erin­nern bei völ­li­ger Eigen­stän­dig­keit an nicht weni­gen Stel­len an den lei­den­schaft­li­chen Topo­gra­phen Peter Hand­ke. Mit ihm teilt Hen­nig auch die Aver­si­on gegen Ver­kehr, aggres­si­ve Rad­fah­rer, anma­ßen­de (meist west­deut­sche) Rei­se­be­kannt­schaf­ten und ste­ril reno­vier­te Alt­bau­ten. Deut­lich unter­schei­det ihn jedoch der ganz ande­re Erfah­rungs­raum eines, der die Erfah­run­gen einer Dik­ta­tur mit der einer nach­fol­gen­den zähen Kolo­ni­sie­rung durch eine von Geschich­te ent­leer­te Kon­sum­ge­sell­schaft zu ver­glei­chen ver­mag. Die­se bei­den Sys­te­me blei­ben mit ihren Spu­ren in der Land­schaft wie im Bewußt­sein des Erzäh­lers stets prä­sent und erlau­ben dem Leser, die erwan­der­ten Räu­me auch in ihrer Tie­fe als geron­ne­ne Zeit zu erle­ben. Die Lese­er­fah­rung wird durch eine Viel­zahl in den Text ver­web­ter Pho­tos noch suggestiver.

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Sebas­ti­an Hen­nigs Unter­wegs in Dun­kel­deutsch­land kann man hier bestel­len.

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