Daß die Debatte über das Naturrecht in den letzten Jahren einen leichten Aufschwung erfuhr, hängt zum einen mit der aufsehenerregenden Rede des früheren Papstes Benedikt XVI. 2011 im Bundestag zusammen; zum anderen ist es exzellenten Gelehrten wie dem österreichischen Juristen Wolfgang Waldstein zu verdanken, daß diese Frucht abendländischen Denkens wieder verstärkt zur Kenntnis genommen wird.
Der amerikanische Rechtswissenschaftler John L. Hill fügt der reichhaltigen Literatur über die Vorstellung einer objektiven Rechts- und Moralordnung in der Welt, die qua Vernunft zu erkennen ist, ein weiteres Werk hinzu. In weiten Bögen zeigt er, wie die klassische Philosophie von Platon über Aristoteles bis ins späte Mittelalter ein objektives Telos in der Natur als selbstverständlich erachtet. Moralische Wahrheiten sind demnach im Sein verankert. Ab der frühen Neuzeit zerfallen diese Wahrheiten. Als Natur wird, von Hobbes bis Darwin, nur noch der faktische Kampf ums Dasein bezeichnet. Hill zeichnet diesen Niedergang nach. Im 20. Jahrhundert, etwa in der emotivistischen Moralphilosophie, ist man sich gar uneins darüber, ob Moralbegründung überhaupt mittels Vernunft zu erreichen ist und nicht eher auf Gefühlen beruht. Am Ende scheint (neben dem Rechtspositivismus) der Nihilismus zu triumphieren. Hill stimmt am Ende der Darstellung den Kritikern des Naturrechts zu, indem er die zentrale Bedeutung der Existenz Gottes für entsprechende Annahmen hervorhebt. Die Studie mit ihrer Skepsis gegenüber neuzeitlich-anthropozentrischer Hybris ist verdienstvoll. In der Tendenz ist sie der bahnbrechenden Abhandlung Alasdair MacIntyres (After Virtue, 2013) verwandt, die die rationalistische Moralbegründung der Aufklärung für fehlgeschlagen hält. Viel Neues hat Hill dem jedoch nicht hinzuzufügen.
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