Boote (hier der Trailer) argumentiert gegen die Behauptung, wir müßten nur die richtigen Produkte kaufen, um die Erde zu retten. Sein Tenor: Nachhaltigkeit ist nur ein Schlagwort, die Konzerne betreiben „Green-Washing“, um die Konsumenten zu beruhigen und mehr ihrer teureren Produkte zu verkaufen.
Das wird an einigen wenigen Beispielen exemplifiziert, den größten Raum nimmt das Palmöl ein, das sich in den meisten industriellen Lebensmitteln findet, von Schokolade bis hin zu Nudeln. Und da hat er, ohne Frage, recht: Nachhaltiges Palmöl gibt es nicht, die Palmölproduktion läuft immer auf ein Niederbrennen des Regenwaldes hinaus und hat fatale Auswirkungen auf die indigene Bevölkerung.
Der österreichische Bauernrebell Leo Steinbichler kämpft schon seit Jahren gegen die Palmölindustrie und auch wir haben darüber mehrfach berichtet, etwa in der Neuen Ordnung. Werner Boote (der Macher von Plastic Planet) hat auch recht, daß die Konsumgesellschaft, die immer alle Waren günstig verfügbar halten will, systemimmanent zu einer Umweltkatastrophe führen muß. Dennoch weist der Film in die falsche Richtung.
Da verkündet ein Noam Chomsky, daß nicht nur die Macht der multinationalen Konzerne gebrochen werden müsse, sondern die Macht aller Konzerne, ja aller Hierarchien! Und am Ende des Films sieht man, daß Boote seine Hoffnung auf die Zivilgesellschaft, auf die NGOs und Demonstrationen setzt. „Kapitalismus zerstören, nicht das Klima“, lautet der Slogan der vor die Kamera gehaltenen Plakate. Doch ist wirklich der Kapitalismus schuld? Waren es nicht die sozialistischen Staaten, die die größten Umweltkatastrophen verursachten, das Waldsterben in Mitteleuropa etwa oder die völlige Vernichtung des einst viertgrößten Sees der Welt, des Aralsees in der Sowjetunion?
Für Boote ist der Individualverkehr die Quelle vielen Übels. Aber in der SU fuhren (fast) alle mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und die Umweltzerstörung erreichte dennoch Rekordwerte. Was also ist die Lösung? Sie wird in der Mitte des Films von einem amerikanischen Professor angedeutet: Es kann nicht sein, sagt er, daß die Frage einer ökologisch und sozial vertretbaren Produktionsweise der Kaufentscheidung der Konsumenten überlassen bleibt. Dies sicherzustellen, sind die Staaten da. Recht hat er! „Markt, Arbeitsteilung, Kommerzialisierung, Konkurrenz, ökonomische Rationalität – sie haben mit anderen Dingen gemein, daß es für ihre Anwendungen ein Optimum gibt, von dem ab der Schaden den Nutzen zu übersteigen beginnt“, schreibt Erik Lehnert in der Sezession vom Februar 2018.
Die Nationalstaaten sind gefordert – und die EU wäre es, wenn sie nicht schon längst die Beute der multinationalen Konzerne geworden wäre. Was heißt das? Doch nur, daß wir als Staatsvolk, als Demokratie bestimmen müssen, welche Produktionsmethoden wir für bei uns verkaufbare Güter als akzeptabel erachten. Also: Keine Sklaverei, keine Kinderarbeit, angemessene Löhne für die Arbeiter, keine Umweltzerstörung, Tiergerechtigkeit, kein Einsatz von für die Konsumenten oder Produzenten schädlichen Chemikalien usw. Klar, daß es dann manche Produkte nicht mehr geben wird oder daß sie sehr viel mehr kosten. Im Film wird das Beispiel „Pringles“ erwähnt.
Diese müßten bei einer umweltgerechten Produktionsweise ein Vielfaches kosten. Wo ist das Problem? Wenn Chips ein Luxusprodukt sind, werden eben weniger Chips gegessen, was sich nur positiv auf die Volksgesundheit auswirken kann – oder? Die Wirtschaft muß den Völkern dienen, nicht umgekehrt! Wenn es nun eine von den USA ausgehende Bewegung gegen den unbeschränkten Freihandel gibt: Gut so! Denn auch für den Freihandel gilt das oben gesagte: Es gibt ein Optimum, bis zu dem er wohlstandsvermehrend wirkt und ab dem er mehr schadet als nutzt. Die Nationalstaaten, oder – wenn sie wieder im Dienste der europäischen Völker steht – die EU sind gefragt.
Das Konzept der ökosozialen Marktwirtschaft, einst propagiert vom österreichischen Landwirtschaftsminister und Vizekanzler Josef Riegler, wäre hier ähnlich zielführend, wie in den 1950er Jahren die soziale Marktwirtschaft die Armutsfrage lösen konnte. Schade, daß diese richtige Idee zu einem bloßen Mobilisierungsslogan für christlich-soziale Funktionäre verkommen ist. Sie wäre geeignet, ein neues Paradigma zu begründen, auf das sich die verschiedensten Parteien von Grün bis Blau einigen könnten und zugleich beinhaltet sie den einzigen funktionierenden Schlüssel für einen nichtkatastrophischen Umbau unseres Wirtschaftssystems hin zu einer tatsächlich nachhaltigen, nicht umwelt- und naturzerstörenden Produktionsweise!
Der Gehenkte
Dvorack-Stocker spricht das heikelste und komplexeste Thema an, das sich in dieser Kürze gar nicht besprechen läßt. Letztlich steckt doch der Gedanke der Öko-Diktatur dahinter. Vor dieser hatte Bahro schon vor 30 Jahren gewarnt und sie wird kommen in dieser oder jeder Form. Nur wo liegt dann noch die Differenz zu den Grünen? Muß es überhaupt eine geben? Ich glaube, der Konservatismus muß die grüne Bewegung fressen ...
Fakt ist, die Rechte muß diesen Diskurs endlich führen, weil sie als einzige politische Kraft den Kerngedanken organisch in sich beherbergt: Abrüstung, Verzicht, Konservierung, Hege - aber nicht alternativlosen Verzicht, sondern materieller Verlust muß durch ideellen Gewinn kompensiert werden, sonst ist der Rück- und Umbau nicht zu machen. Ob man dafür Kapitalismuskritik benötigt, ist schon mal eine Frage.
Nirgendwo sonst ist es essentiell, sich der Realität zu stellen, denn die schönsten Projekte taugen nichts, wenn sie die Menschen in ihrer derzeitigen Verfassung überfordern. Daran hakt es bei der Rechten massiv, wie auch bei der Linken: man lebt in Idealwelten, in denen ist, was sein soll.
Übrigens ist Sieferle in dieser Frage eine viel kompetentere Quelle als in der Frage der Massenmigration - und beide Fragen sind vielfältig ineinander verwoben.
Nebenbei: Die Öko-Bilanz Kapitalismus-Sozialismus ist ebenfalls komplexer. Ja, die Flüsse im Osten waren tot, aber in den Regalen gab es nur ein Waschmittel und das wurde auch sparsamer verwendet ... Zudem haben sich die sozialistischen Staaten auf den exterministsichen Kurs begeben, weil man fälschlicherweise davon ausging, daß der Kommunismus den Kapitalismus ökonomisch überflügeln und es materielle Sorglosigkeit geben müsse - man hat sich im Osten kapitalistischer Logik bedient, um den Kapitalismus zu schlagen - ein Irrsinn.