4. (Ad Waldstein-These 5)
4.1. Theologiegeschichtlich weist die urislamische und von den mittelalterlichen Assassinen wie den modernen Islamisten aktualisierte Idee eines »rechtgeleiteten« Gottesstaates auf das unter souveräner Gottesherrschaft stehende und darum anfangs königs- und priesterlose Gemeinwesen des »alten Israel« zurück. Schon die »mosaische Unterscheidung« zwischen »dem wahren Gott und den falschen Göttern, der wahren Lehre und den Irrlehren« hatte eine »Politische Theologie der Gewalt« (Jan Assmann) hervorgebracht, welche die Ungläubigen als vernichtungswürdige Gottesfeinde diskriminierte, die es in »heiligen Kriegen« mitleidlos zu massakrieren galt.
Doch erst die islamische Umfälschung der jüdischen Überlieferung nahm diesen Deus politicus beim Wort und ließ die alttestamentlichen Legenden von Eroberungs- und Vernichtungskriegen über Jahrhunderte zu einer blutigen Wirklichkeit werden, die das »neue Israel« des Christentums seinerseits mit »heiligen Kriegen« zu parieren suchte. Und daß die islamische Tochterreligion den ererbten monotheistischen Exklusivitätsanspruch sowohl gegen die konkurrierende christliche Schwesterreligion als auch gegen die jüdische Mutterreligion selbst wenden würde, hatte bereits Mohammed mit seiner Säuberung Arabiens von Juden und Christen angekündigt.
Gleichwohl hatte der Islam für das Judentum weniger Haß als vielmehr Verachtung übrig. Daraus konnte zeitweilig eine herablassende Toleranz gegenüber Angehörigen dieser minderwertigen Religion erwachsen, die vor dem ausgeprägteren Haß des mittelalterlichen Christentums in die islamische Welt flüchteten.
4.2. Über den traditionellen Antijudaismus des Islam, der das Judentum lediglich mit dessen eigenen theologischen Waffen schlug, sollte der moderne Islamismus entschieden hinausgehen, indem er, lange vor der zionistischen Staatsgründung, antisemitische Ideologeme in seine semitische Religiosität integrierte, nicht ohne diesen rückwirkend eine ehrbare antizionistische Legitimation zu verschaffen.
Bereits nach dem Ersten Weltkrieg, aus dessen Trümmern sich neben dem orientalischen Islamismus auch der europäische Faschismus als Widerstandsbewegung großen Stils gegen die siegreichen westlichen Kolonialmächte erhoben hatte, bahnte sich eine »arabisch-nazistische Symbiose« (Hans-Peter Raddatz) an, welche nach 1933 das Königreich Saudi-Arabien als ein »Drittes Reich des Islam« (Arthur Rock) und den Nationalsozialismus als einen »Islam des Nordens« (Charles Maurras) erscheinen lassen konnte.
Dank der militärischen wie ideologischen Aufrüstung durch die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges konnte die 1928 von Hassan Al-Banna in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft zur Mutterorganisation des islamistischen Terrorismus aufsteigen. Al-Banna seinerseits erklärte Mohammed Amin Al-Husseini, den »Großmufti von Jerusalem«, zum Nachfolger Hitlers im Kampf gegen die Zionisten. Dieser erste Palästinenserführer und spätere Mentor Yassir Arafats hatte bereits 1929 ein »judenfreies Palästina« gefordert, bevor er, 1941 von Heinrich Himmler über das unmittelbare Bevorstehen der »Endlösung« unterrichtet, eine solche auch für Palästina ankündigte.
Daß sogar Hitler persönlich im Gespräch mit Al-Husseini die »Befreiung der arabischen Welt von der englischen Herrschaft« ins Auge faßte, ließ ihn zum revolutionären Leitbild für die arabischen Länder werden, in denen sich nach Kriegsende das Gerücht verbreitete, der deutsche Führer sei zum Islam konvertiert und nenne sich seither »Hadsch Mohamed Hitler«. An dessen Bekenntnisschrift »Mein Kampf«, die unter islamistischen Gotteskriegern zeitweilig eine größere Wirkung entfaltete als selbst der Koran, knüpfte 1950 der ägyptische Intellektuelle Sayyid Qutb mit seinem Pamphlet »Unser Kampf mit den Juden« an, welches ihn zum führenden Ideologen einer erneuerten Muslimbruderschaft werden ließ.
Als deren palästinensischen Zweig wiederum versteht sich die jüngere Hamas, in deren Charta der Dschihad gegen Israel als erste Etappe eines weltweiten Vernichtungskrieges gegen die Juden propagiert wird. Für diesen rüsteten sich auch die Iranische Republik und der Islamische Staat, welche derweil auf diplomatischen wie militärischen Wegen wieder abgerüstet werden.
4.3. Jener »Kleinstaat am östlichen Mittelmeer«, der im Zentrum des Nahost-Konflikts steht, ist seit seiner Gründung mehreren Vernichtungskriegen ausgesetzt gewesen und beantwortet daher in Zwischenkriegsperioden militante Aufstände und Terroranschläge mit massiver Vergeltung.
In Anbetracht unbestreitbarer Härten der israelischen Politik gab bereits Jordis von Lohhausen zu bedenken, daß Israel ebenso von feindlichen Mächten eingekreist ist, wie es vormals Deutschland war, nicht ohne jedem Staat in einer solchen geopolitischen Lage um seiner nackten Selbsterhaltung willen »Mut zur Macht«und eine selbstbewußte Außenpolitik anzuraten.
Die arabischen Länder können sich noch zahlreiche Kriegsniederlagen leisten, Israel keine einzige.
4.4. Daß der 16jährige Palästinenser, der sein Elternhaus von einem Militärbulldozer niedergewalzt sieht, Israel verständlicherweise »unbändig haßt«, besagt wenig, denn auch dann, wenn seinem jüngeren Bruder ein Sprengstoffgürtel umgeschnallt oder seiner die Familienehre beschmutzenden älteren Schwester das Gesicht mit Säure verätzt wird, dürfte er seinen unbändigen Haß ausschließlich gegen den Judenstaat richten.
Dabei mag, was auf nachhaltige Indoktrination zurückgeht, zuweilen auch ein verzweifelter Selbstschutz sein, denn »kollaborierende« Familien, die auf israelischen Marktplätzen lieber Handel treiben als Bomben zünden, müssen mit blutiger Rache rechnen.
In den Autonomiegebieten kommen weit mehr Palästinenser durch ihr eigenes Terrorregime als durch den israelischen Militärstaat zu Tode. Darum ist für viele Palästinenser, die vor ihren eigenen Leuten die Flucht ergreifen, der Judenstaat zum bevorzugten Aufnahmeland geworden. Und weit davon entfernt, dort mit »Gewalt und Terror« überzogen zu werden, genießen jene immerhin zwangig Prozent israelischen Staatsbürger palästinensischer Herkunft und muslimischen Glaubens gleiche staatsbürgerliche Rechte.
Demgegenüber war die arabische Welt bereits nach der Flucht und Vertreibung hunderttausender Juden, welche — als Gegenstück zur Flucht und Vertreibung ebenso vieler Palästinenser — im Zuge des ersten israelisch-arabischen Krieges von 1948/49 eingesetzt hatte, weitgehend »judenrein«, und die übriggebliebenen Reste jüdischer Gemeinden sind nach Anbruch des »arabischen Frühlings« verfolgt und vertrieben worden.
4.5. Es ist einer der wirkmächtigsten Mythen des 20. Jahrhunderts, daß der arabische Antizionismus eine bloße und begreifliche Reaktionauf die jüdische Staatsgründung sowie die spätere israelische Fremdherrschaft über Land und Volk der Palästinenser darstelle.
Wäre mehr als ein Körnchen Wahrheit darin, dann hätte sich der »palästinensische Befreiungskampf« von Anfang an nicht allein gegen Israel, sondern ebensowohl gegen Jordanien gerichtet, welches immerhin den weit größeren Teil des britischen Mandatsgebietes Palästina annektiert hatte und mit seinen zu 75 Prozent palästinensischen Staatsbürgern längst ein heimlicher Palästinenserstaat ist. Aber sowohl die alte von Yassir Arafat geführte PLO als auch die jüngere Hamas haben ausschließlich Israel als Feind bestimmt und damit bewiesen, daß sie gegen eine Fremdherrschaft nichts einzuwenden haben, solange es keine jüdische Fremdherrschaft ist.
Lediglich eine linskradikale Splittergruppe der PLO riskierte 1970 einen Aufstand gegen das jordanische Königshaus und wurde dafür im »Schwarzen September« gnadenlos liquidiert.
4.6. Der arabische Geschichtsrevisionismus fußt auf dem Propaganda-Konstrukt eines »palästinensischen Volkes«. Wie es sich damit in Wahrheit verhält, hat der arabische Politiker Zuhair Muhsin, der von 1971 bis 1979 die syrisch kontrollierte PLO-Fraktion as-Sa’iqa anführte, einmal unvorsichtig ausgeplaudert:
»Ein palästinensisches Volk existiert nicht. Die Schaffung eines Palästinenserstaates ist nur ein Mittel, um unseren Kampf gegen den Staat Israel zugunsten unserer arabischen Einheit fortzusetzen. In Wirklichkeit gibt es heute keinen Unterschied zwischen Jordaniern, Palästinensern, Syrern und Libanesen. Nur aus politischen und taktischen Gründen sprechen wir heute von der Existenz eines palästinensischen Volkes, denn die arabischen nationalen Interessen verlangen, dass wir die Existenz eines eigenen palästinensischen Volkes als Gegenpol zum Zionismus postulieren.«
Das erklärt hinlänglich, warum die in Palästina lebenden Araber, die ihren Staat schon nach dem UN-Teilungsbeschluß von 1947 hätten haben können, bislang auch noch jedes spätere Angebot ausgeschlagen und sogar auf die israelische Räumung von Siedlungen mit Terror geantwortet haben: Die Vernichtung des jüdischen Staates hatte allemal Vorrang vor der Gründung eines eigenen.
4.7. Der Name »Palästinenser« geht etymologisch auf das kretische Seefahrervolk der »Philister« zurück, und historisch waren es die Römer, die das alte »Judäa« in »Palästina« umbenannten, um die Erinnerung an ihre letzte Vertreibung der Juden nach dem Bar-Kochba-Aufstand 135 n. Chr. auszulöschen.
Kleinere jüdische Gemeinden konnten sich gleichwohl in Palästina halten, bevor es im 16. Jahrhundert infolge der Judenvertreibung aus Spanien zu einer größeren Einwanderung von sephardischen Juden kam. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts lebten mutmaßlich mehr Juden als Araber in Palästina, doch zog die wenig später einsetzende zionistische Zuwanderung von aschkenasischen Juden wiederum eine Zuwanderung von arabischen Arbeitsmigranten nach sich: Die Araber wußten, daß, wo Juden sind, auch die Wirtschaft blüht.
Immerhin war das vormals fruchtbare Land zu arabischen und osmanischen Herrschaftszeiten von wechselnden multiethnischen Völkerschaften zu einer öden Wüste heruntergewirtschaftet worden. Über mehr als ein Jahrtausend wurde Palästina von einem »buntgescheckten, identitätslosen Völkerhaufen« bewohnt, welcher »weder palästinensisch, noch arabisch« (Hans-Peter Raddatz) genannt werden kann.
Eine alteingesessene, mehrheitlich arabische Bevölkerung gab es daher in Palästina so wenig wie ein palästinensisches Volk, und entsprechend wurden im britischen »Mandatsgebiet Palästina« Juden und Araber gleicherweise als »Palästinenser« geführt.
4.8. Der arabische Widerstand gegen die zionistische Einwanderung hatte anfangs noch mehr mit örtlichen Streitereien um Landbesitz und Weiderrechte als mit übergreifenden ideologischen Motiven zu tun. Indessen wurde der zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkommende arabische Antizionismus infolge seiner islamistischen Ideologisierung zunehmend antisemitisch durchtränkt, und insbesondere dessen palästinensische Wortführer erklärten sich stets freimütig selbst zur Hitlers willigen Vollstreckern:
»Allah hat uns das einzigartige Vorrecht verliehen, das zu beenden, was Hitler nur beginnen konnte. Fangen wir mit dem Dschihad an. Tötet die Juden, tötet sie alle.« (Amin al-Husseini)
»Wir bereiten uns auf einen totalen Krieg vor. Wir werden nicht ruhen, bis wir Israel zerstört haben.« (Yassir Arafat)
4.9. Einstweilen aber ist der von Reichskanzler Hitler in die arabische Welt exportierte Vernichtungsantisemitismus von Bundeskanzlerin Merkel wieder nach Deutschland reimportiert worden.
Bereits für jenen im Jahre 2000 auf die Düsseldorfer Synagoge verübten Anschlag, welcher Kanzler Schröder voreilig zum »Aufstand der Anständigen« gegen »rechts« blasen ließ, wurden keine deutschen, sondern arabische Täter ermittelt. Doch brachte es weder die hiervon enttäuschten Linken noch die darüber erleichterten Rechten ins Grübeln, daß bei den für die Tat verantwortlichen Muslimen marokkanischer und palästinsischer Herkunft nationalsozialistisches Propagandamaterial gefunden wurde.
»Hamas, Hamas — Juden ins Gas!« Mit dieser Parole hat ein palästinensischer Mob auf einer 2014 in Frankfurt abgehaltenen Anti-Israel-Demonstration das antisemitische Betriebsgeheimnis des islamischen Antizionismus in alle Welt hinausposaunt und damit die linken Antizionisten in arge Verlegenheit gebracht. Doch islamophile Linke, zu denen ein so tumber Historiker wie Wolfgang Benz und ein so kluger Marxist wie Domenico Losurdo gehören, lassen sich nicht so leicht erschüttern: »Islamophobie« gilt ihnen als der »neue Antisemitismus«, und nur folgerichtig erklären sie die muslimischen Araber für die Juden von heute.
Dabei gehen nach aktuellen Umfragen unter deutschen Juden, deren Ergebnisse der von der Bundesregierung eingesetzte »Unabhängige Expertenkreis Antisemitismus« 2017 veröffentlichte, »81 Prozent der körperlichen Angriffe (auf Juden) von muslimischen Personen aus«. Und eine 2016 erschienene Studie des israelischen Antisemitismusforschers Manfred Gerstenfeld ergab: »Im 21. Jahrhundert wurden alle in Europa begangenen Morde an Juden, die getötet wurden, weil sie Juden waren, von Moslems begangen.«
Einen weitreichenden Realitätsverlust in der Antisemitismusfrage kennzeichnet freilich nicht nur den vermeintlich politisch unkorrekten Antizionismus, sondern ebenso den politisch korrekten Mainstream-Journalismus, dem dieses statistisch krasse Mißverhältnis zwischen rechtsextremer und islamistischer Gewalt gegen Juden kaum eine Meldung wert ist. Denn noch für die jüngst in einer Berliner Schule von muslimischen Schülern an einem jüdischen Mitschüler vollzogene Scheinhinrichtung soll die AfD verantwortlich sein.
4.10. Die deutsche Vergangenheitsbewältigung ist nach der Maxime »Nur ein toter Jude ist ein guter Jude« (Henryk Broder) verlaufen. Dadurch ist ein Klima geschaffen worden, in dem man andächtig des Holocaust gedenkt und zur Entlastung die Israelis die neuen Nazis schimpft. Umgekehrt wäre es besser: Es gälte die Holocaust-Religion zu säkularisieren und im Gegenzug die Antizionismus-Propaganda zu delegitimieren.
Zwar ist »Antizionismus« nicht per se »Antisemitismus«, aber de facto ist er es verdächtig häufig. Den Verdacht eines »ehrbaren Antisemitismus« (Jean Améry) erwecken zumindest jene »Israelkritiker«, die in Ausübung ihres Amtes unter empfindlicher Temperaturerhöhung leiden, mögen sie auch noch so sorgfältig zwischen »Juden« und »Zionisten« unterscheiden. Der islamischen Seele ist freilich schon diese Unterscheidung vollkommen fremd.
Der_Juergen
Schade, sehr schade. Nach dem wirklich fundierten ersten Teil der Antwort Gerlichs auf von Waldstein folgt nun ein unvergleichlich schwächerer zweiter. Nicht, dass hier alles falsch wäre, aber ein erheblicher Teil besteht aus dem Nachplappern zionistischer Propaganda.
Sauer aufgestossen ist mir vor allem die Stelle, wo Gerlich behauptet, Mohammed Amin el Husseini, der Mufti von Jerusalem, sei "1941 von Himmler über die unmittelbar bevorstehende Endlösung informiert worden" und habe darauf seinerseits eine solche für Palästina geplant. BEWEISE BITTE! Wo ist eine nachprüfbare Quelle für diese Behauptung? Ausser irgendeiner nach dem Krieg fabrizierten "Zeugenaussage" wird Gerlich keine Quelle anführen können, weil es keine solche gibt. So arbeitet kein Historiker, der Anspruch auf Seriosität erhebt.
Ich habe in einem vorherigen Kommentar darauf verwiesen, dass der Israelkritik seitens der Muslime und antizionistischen Linken eine gehörige Dosis Heuchelei innewohnt, weil auf einen von Juden getöteten Muslim wohl 100 oder mehr von anderen Muslimen umgebrachte Muslime kommen. Doch die Fakten sind klar: Jüdische Eindringlinge haben sich ein Territorium mit roher Gewalt unter die Nägel gerissen und durch nackten Terror dafür gesorgt, dass rund die Hälfte der Araber floh. Allein schon die Nachricht vom Massenmord von Deir Yassin löste Schockwellen aus und veranlasste Zehntausende zur Flucht - was ja der Zweck des Massakers gewesen war. Dieses war keinesfalls das einzige; man lese z. B. Guy Ehrlich, "Not only Deir Yassin".
Lächerlich ist Gerlichs Behauptung, es gebe kein palästinensisches Volk. Es ist durchaus möglich, dass sich die Palästinenser früher einfach "Araber" nannten, aber der von den Zionisten begangene Landraub hat bei ihnen zur Herausbildung einer palästinensischen Identität geführt.
Gab ich dem ersten Beitrag von Gerlich noch die Höchstnote, so gebe ich dem zweiten allenfalls zwei von zehn Punkten.