Quatsch. Unsere Hände sind samtweich, und die Frage „können wir doch bitte einen Fernseher haben?“ wurde uns noch nie von einem unserer sieben Kinder gestellt. Ich wüßte auch gar nicht, welche Aktivität zugunsten des Glotzophons fortfallen sollte. Manchmal wünsch ich meinen Kinder Langeweile (weil Langeweile sehr fruchtbar sein kann, als langjähriges Einzelkind ohne TV-Wunsch weiß ich das), aber dieser Moment tritt nie in meinem Beisein ein.
Andererseits sind wir ja auch keine Hygieniker. Wenn irgendwo eine Mattscheibe läuft – na, sollen sie halt gucken. Heute sehr harmlos bei den Großeltern: Sandmännchen.
Mal mitgeguckt. Oha! Von indoktrinären Umwälzungen im „Kika“-Kinderkanal hat man in den letzten Monaten reichlich gehört, aber nun geht das ideologische Gewitter offenkundig (keine Ahnung, ob das heute ein Ausreißer war) schon bei den Vorschulkindern los.
Hauptfigur ist Lennart, ein Strichmännchen (haha, Doppelsinn). Er hat heute eine tolle, „schöne Frau“ kennengelernt mit roten Lippen und hohen Schuhen. Aber hoppla, dann hat er gesehen, daß sie wahnsinnige Muckis hat und eine ganz tiefe Stimme. Egal. Er geht ins „Grummeltal“, vulgo Traumland.
Dort machen seine drei Freunde gerade verbal ein rosa Schweinchen fertig. Sie lachen über dessen viel zu kurzen Schwanz, seine Farbe und eigentlich über die ganze Gestalt. Das Schweinchen sagt, es sei kein Schwein, sondern eine Katze. Sein Papa sei eine edle Perserkatze – wovon in der Tat nichts zu sehen ist.
Die bösen Freunde wollen sich kaputtlachen. Lennart aber hält zu dem Verfemten: „Aber – wenn er wirklich eine Katze ist…?“ Heulend zieht das diskriminierte Schwein von dannen. Lennart tadelt seine Freunde: „Ouhr, Ihr seid echt gemein!“, er folgt dem katzeseinwollenden Schwein.
In der Nähe ist ein Vögelchen im Käfig gefangen und sucht verzweifelt einen Ausweg. Das Schweinchen klettert behend hinauf, biegt die Gitterstäbe auf. Das Vöglein fliegt in die Freiheit. Lennart staunt. Das will er seinen Freunden erzählen!
Das Schwein winkt generös ab: „Laß nur. Es langt, das wir wissen, daß ich eine Katze bin.“ Und dann wird – miau, miau – geschmust. Abspann: Sandmann, der bekanntlich tut, was er tun muß: Sand in die Augen streuen, damit die Kinder gut schlafen und die richtigen Träume haben.
In manchen Kreisen habe ich gehört, daß Leute ihre Kinder nicht fernsehen lassen aus Angst, daß sie negativ beeinflußt werden. Ich hab darüber eher gelacht. Grad ist mir das Lachen vergangen. Ich selbst bin, übrigens, heute ein Schwein, genauer gesagt eine Wildsau. Glauben Sie mir!
John Haase
Ich frage mich manchmal, ob wir alle vielleicht etwas paranoid sind, wobei die Tatsache, daß man paranoid ist ja bekanntlich nicht heißt, daß sei nicht hinter einem her wären. Nach Ansicht des Sandmännchenvideos bin ich zwiegespalten. Mit ordentlich Wohlwollen könnte man auch sagen, daß die Saga vom Schwein, daß sich als Trans-Katze sieht (oder sieht es sich als Cis-Katze?) eine eigentlich ganz lustige Geschichte ist. Dann aber kommt die Paranoia. Zusätzlich ist das Schwein ja auch noch transsexuell. Warum? Das allen aufgedrängte Inklusionsgezappel im Bild unten Rechts verstärkt die Befürchtung, daß mal wieder eine Randgruppe gefunden wurde, von denen sich einige jetzt auf Kosten der Allgemeinheit im Fernsehen austoben dürfen.
Dann wieder ist alles so weit abstrahiert, daß wohl niemand außer der überinformierten Klasse, zu denen sowohl unsere Gegner als auch wir selbst gehören, den Subtext erahnen könnte, wenn er denn überhaupt da ist. Ach, keine Ahnung, Paranoia marsch!
Zu dem üblichen BRD-Comic-Zeichenstil, wie er genau so auch in Broschüren der BfPB, Sexualaufklärungsmaterial, ÖR-Kinderserien und ähnlichem offiziellen und offiziösen Kram auftritt, nur so viel: ich staune immer wieder, wie man mit so wenig Aufwand gleichzeitig so kitschige und häßliche Bilder erzeugen kann. Ich dachte vorher immer, zumindest Kitsch erforderte mehr Mühe.