“Was bedeutet denn für Sie ‘europäische Identität?’ ” – jeder Rechte, der schon einmal ein Interview gegeben hat, wird diese Frage gestellt bekommen haben, er wird wissen, welche hämische Intention dahinter steckt und welche Reizworte man bei der Antwort besser auslässt. “Ethnokulturelle Identität” lautet das bevorzugte Stichtwort, allerdings: Schon dem kulturellen Teil ist schwer beizukommen. Verschiedene Denker haben es versucht – Martin Sellner schrieb vom “Narrativ”, Kubitschek sprach von “einem Entwurf Gottes und einer bestimmten Art und Weise durchs Leben zu gehen”, der Philosoph François Jullien schließlich schrieb ein Buch, gerichtet auch an uns Identitäre, nannte es “Es gibt keine kulturelle Identität” und stellte Kultur stattdessen als Ressource vor, die grundsätzlich jedem zur Verfügung stehe. Schwer genug, diese verschiedenen Annäherungen unter einen Hut zu bringen und dann auch noch ansprechend und klar zu formulieren.
Aber wie zur Hölle redet man über den biologischen Teil der Identität? Auch ein Dreivierteljahrhundert nach dem Nationalsozialismus immer noch vermintes Gelände, keine Frage. Und zwar in beide Richtungen: Wer zuhause kraniometrische Studien wälzt, um den interviewenden Journalisten rassisch einkatalogisieren zu können, macht sich nicht weniger lächerlich als der Cuck, der sich in die Leitkultur flüchtet und allen Fragen nach Abstammung ausweicht.
Und doch: Es scheint ihn zu geben, den goldenen Mittelweg; souverän, eloquent, selbstbewusst und sachlich, mit einem großen Aktenkoffer voller Studien, akademischer Publikationen und stichhaltiger Argumente und ohne den Ruch der berüchtigten “menschenfeindlichen Ideologie”.
Ich denke an den amerikanischen Publizisten, Journalisten und “race-realist” Jared Taylor, der an dieser Stelle, eine Woche nach seinem Vortrag in Magdeburg die verdiente Würdigung erfahren soll. Dazu muss vielleicht gesagt werden: Ich bin ein Fan. Weniger auf inhaltlicher Ebene (kann man ein Fan nüchterner Fakten sein? Keine Ahnung…), sondern vor allem von Stil und Diskussionsverhalten des 66-Jährigen. Die Rede, die er auf dem Alt-Right-Kongress hielt, trägt dieser Ausstrahlung dabei nur ungenügend Rechnung – wer Taylor wirklich in seiner ganzen Kaltschnäuzigkeit und subtilen Arroganz erfahren möchte, der muss ihn in einer Debatte erleben.
Taylor zerfetzt seine Gegner nicht, er wird nicht laut, sondern hört stattdessen geduldig zu und seziert dann in einem fast chirurgisch anmutenden argumentativen Eingriff. Damit können die wenigsten umgehen und so enden die Streitgespräche häufig damit, dass Taylor sich aufrichtig amüsiert zurücklehnt, während sein Gegenüber sich in immer absurderen Behauptungen, oder gleich direkten Beleidigungen versteigt. Dadurch, dass Taylor sich nahezu immer an den Comment der akademischen Rede hält, nehmen seine Diskussionsvideos bisweilen fast den Charakter von Schulungsmaterial an; seine Gesprächspartner wirken wie Vorführungsobjekte, an denen aufgezeigt wird, wie man mit den emotionalen Vorwürfen der Gutmenschen mustergültig umgeht.
Für den sonntäglichen Abendgenuss empfehle ich daher drei Videos. Stellen Sie das Bier kalt, schieben Sie die Pizza in den Ofen und lauschen Sie den erhabenen Ausführungen eines amerikanischen Gentleman im Angesicht des Kali Yuga:
Hier im Gespräch mit einem schwarzen Verschwörungstheoretiker, der an eine weiße Weltverschwörung glaubt. Hier im Austausch mit einem israelischen Journalisten. Und, fast schon legendär geworden, hier mit einem Weißen, der eigentlich gern ein…ach, sehen Sie selbst!
Nath
"...der Philosoph François Jullien schließlich schrieb ein Buch, gerichtet auch an uns Identitäre, nannte es 'Es gibt keine kulturelle Identität'"
Ja, mit der Kultur ist das so eine Sache. Ein paar Beispiele mögen dies illustrieren. Seneca, der Heros ganzer Generationen von Latinisten und Vorbild stilistischer Eleganz, war Spanier - ein exemplarischer Fall von geglückter "Integration" in der Antike. Der Neuplatoniker Plotin, hochverehrt von den Renaissance-Philologen der Florentiner Akademie, war Nordafrikaner - ebenso wie der rhetorisch brilliante Vater der westlich-lateinischen christlichen Theologie, Aurelius Augustinus. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht auch nicht überflüssig zu erwähnen, was d a ma l s als "zivilisierte Welt galt: der hellenesierte bzw. später latinisierte gesamte Mittelmeerraum, der sich von Kleinasien, Nordafrika bis nach Südeuropa erstreckte. Als ganz sicher nicht dazugehörig wurde der heutige "zentraleuropäische" Norden betrachtet, wo die ungeschlachten Barbaren hausten. (Nietzsches häufige Invektiven gegen den "gutmütig-bäurischen Norden" rühren ganz sicher auch von der unter damaligen Philologen verbreiteten Präferenz für alles Südlich-Kultivierte her.)
Preisfrage: Hätte es in der Antike unter den Gebildeten eine moderne Meinungsumfrage über die Kulturfähigkeit der Nord-, West- und Osteuropäer gegeben, wie hätte wohl das Ergebnis ausgesehen?