Sonntagsheld (61) – Fahrenheit 493

Eine neue Blüte im Orchideenbeet.

493 Stim­men bekam die Hoch­schul­grup­pe der „Cam­pus Alter­na­ti­ve“ bei der Hoch­schul­wahl am ver­gan­ge­nen Mitt­woch. Davon fie­len 180 auf die Kan­di­da­tin Han­nah Roeß­ler, die damit in den Stu­die­ren­den­rat (Stu­Ra) ein­zieht. Das ist ein Sieg, mit dem von Links kaum gerech­net wur­de. Um die­sen Erfolg in sei­ner gan­zen Trag­wei­te ein- und wert­schät­zen zu kön­nen, muss er aller­dings ein wenig kon­tex­tua­li­siert werden.

Zuerst ein­mal die schlech­te Nach­richt: Die Hoch­schul­wah­len inter­es­sie­ren nur die wenigs­ten Stu­den­ten. Die Wahl­be­tei­li­gung bewegt sich in der Regel im unte­ren zwei­stel­li­gen Bereich, ent­spre­chend ist die Hür­de für den­je­ni­gen, der wirk­lich in die Stu­den­ten­ver­tre­tung will, ver­hält­nis­mä­ßig nied­rig, wenn er genug Ener­gie und Zeit inves­tiert. Die­se gerin­ge Begeis­te­rung der Stu­den­ten­schaft ist ein häu­fig beklag­tes Übel von dem – wer hät­te es gedacht – beson­ders die lin­ken Hoch­schul­grup­pen pro­fi­tie­ren, die die­ses Jahr mehr als 50% der Plät­ze stel­len. Wozu die­se Mehr­hei­ten ver­wen­det wer­den, das kön­nen inter­es­sier­te Leser ent­we­der hier, oder hier nach­le­sen. Klei­ner Tipp: Wenn mal wie­der uner­wünsch­ter Besuch in Schnell­ro­da auf­taucht, um mit Demons­tra­tio­nen oder Kon­zer­ten her­um­zu­stän­kern, kann man sich in der Regel sicher sein, dass dafür Finanz­mit­tel aus dem hal­le­schen Stu­Ra bereit­ge­stellt wurden.

Nun ist die nied­ri­ge Ein­tritts­schwel­le in den Stu­Ra ein Trick, der in bei­de Rich­tun­gen funk­tio­niert und dies­mal hat eben eine kon­ser­va­ti­ve Hoch­schul­grup­pe gezeigt, dass die­ses Spiel auch von rechts beherrscht wird. Dass dabei aller­dings aus­ge­rech­net die ein­zi­ge Kan­di­da­tin gewählt wur­de, die in der Ver­gan­gen­heit auch an Aktio­nen der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung teil­ge­nom­men hat und dem­entspre­chend schon vor der Wahl ver­ba­len Anfein­dun­gen und „Outings“ aus­ge­setzt war, ist eine Ent­wick­lung, die Hoff­nung macht, beson­ders im hit­zi­gen Kli­ma der poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung im uni­ver­si­tä­ren Umfeld.

Nach­dem die „Offe­ne Lin­ke Lis­te“ („OLLi“) bereits vor der Wahl for­der­te „Iden­ti­tä­re [zu] exma­tri­ku­lie­ren“ steht nun vor Allem die Fra­ge im Raum, wie die ande­ren Hoch­schul­grup­pen mit der neu­en Oppo­si­ti­on in ihrem Gre­mi­um umge­hen wer­den. Wäh­rend ein­zel­ne Grup­pen bereits signa­li­siert haben, dass sie für eine sach­li­che Aus­ein­an­der­set­zung zur Ver­fü­gung ste­hen, heißt es von Sei­ten der „OLLi“: Es wird mit uns kei­ner­lei Zusam­men­ar­beit mit der rechts­extre­men Lis­te, die den Iden­ti­tä­ren nahe steht, geben und wir wer­den ver­hin­dern, dass die­se auch nur ansatz­wei­se Ein­fluss auf die anti­fa­schis­ti­sche Arbeit des Stu­Ras neh­men wird.Wie die­ses Ver­hin­dern aus­se­hen und wer das kon­kret durch­set­zen soll, wird sich zei­gen, ich gehe ehr­lich gesagt davon aus, dass es nicht bei ver­ba­len Über­grif­fen blei­ben wird.

180 Stim­men für Han­nah Roeß­ler, das heißt aber nicht nur eine Legis­la­tur­pe­ri­ode zer­mür­ben­des Trom­mel­feu­er auf die Gewähl­te, das bedeu­tet auch, dass es an der Mar­tin-Luther-Uni­ver­si­tät min­des­tens 90 Men­schen gibt, die ihre zwei Stim­men einer kon­ser­va­ti­ven Kan­di­da­tin gege­ben haben, die bereits wäh­rend des Wahl­kamp­fes im Fokus anti­fa­schis­ti­scher Grup­pen stand. Das mag für jeman­den, der davon aus­geht, dass Poli­tik immer von Mehr­hei­ten gemacht wird, ein ver­schwin­dend gerin­ger Anteil sein, für jeden jedoch, der in der Saal­e­stadt von rechts poli­tisch wir­ken möch­te, muss die­se Zahl ab jetzt ein Poten­zi­al, eine Chan­ce, ein Auf­trag sein.

Aus die­sem Grund gra­tu­lie­re ich der Gewähl­ten an die­ser Stel­le aber­mals recht herz­lich und erlau­be mir außer­dem den sonn­täg­li­chen Lor­beer­kranz lite­ra­risch zu über­rei­chen. Egal wie sich die kom­men­de Legis­la­tur­pe­ri­ode gestal­ten wird: Min­des­tens 90 Stu­den­tin­nen und Stu­den­ten haben eine Grund­satz­ent­schei­dung getrof­fen. Viel­leicht lesen ja ein paar von ihnen hier mit – wenn das so ist: Mel­det Euch, wir kön­nen Euch brauchen.

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Kommentare (2)

Thueringer

20. Mai 2018 22:30

Ich wünsche Hannah viel Kraft und vor allem immer zwei Herren meines Formats im Hintergrund, wenn es nach Hause geht. Dort schlagen die Diktaturfreunde und Menschenhasser am liebsten los.

Waldgaenger aus Schwaben

21. Mai 2018 07:31

Ein großartiger Erfolg. Ich wäre gerne 40 Jahre jünger...

Die IB hat nun den Fuß in der Türe, kann aus den StuRa Sitzungen berichten und vor allem wird der Krampf gegen Rechts der IB neue Aufmerksamkeit schenken, was hoffentlich zu neuen Mitgliedern führen wird.

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