493 Stimmen bekam die Hochschulgruppe der „Campus Alternative“ bei der Hochschulwahl am vergangenen Mittwoch. Davon fielen 180 auf die Kandidatin Hannah Roeßler, die damit in den Studierendenrat (StuRa) einzieht. Das ist ein Sieg, mit dem von Links kaum gerechnet wurde. Um diesen Erfolg in seiner ganzen Tragweite ein- und wertschätzen zu können, muss er allerdings ein wenig kontextualisiert werden.
Zuerst einmal die schlechte Nachricht: Die Hochschulwahlen interessieren nur die wenigsten Studenten. Die Wahlbeteiligung bewegt sich in der Regel im unteren zweistelligen Bereich, entsprechend ist die Hürde für denjenigen, der wirklich in die Studentenvertretung will, verhältnismäßig niedrig, wenn er genug Energie und Zeit investiert. Diese geringe Begeisterung der Studentenschaft ist ein häufig beklagtes Übel von dem – wer hätte es gedacht – besonders die linken Hochschulgruppen profitieren, die dieses Jahr mehr als 50% der Plätze stellen. Wozu diese Mehrheiten verwendet werden, das können interessierte Leser entweder hier, oder hier nachlesen. Kleiner Tipp: Wenn mal wieder unerwünschter Besuch in Schnellroda auftaucht, um mit Demonstrationen oder Konzerten herumzustänkern, kann man sich in der Regel sicher sein, dass dafür Finanzmittel aus dem halleschen StuRa bereitgestellt wurden.
Nun ist die niedrige Eintrittsschwelle in den StuRa ein Trick, der in beide Richtungen funktioniert und diesmal hat eben eine konservative Hochschulgruppe gezeigt, dass dieses Spiel auch von rechts beherrscht wird. Dass dabei allerdings ausgerechnet die einzige Kandidatin gewählt wurde, die in der Vergangenheit auch an Aktionen der Identitären Bewegung teilgenommen hat und dementsprechend schon vor der Wahl verbalen Anfeindungen und „Outings“ ausgesetzt war, ist eine Entwicklung, die Hoffnung macht, besonders im hitzigen Klima der politischen Auseinandersetzung im universitären Umfeld.
Nachdem die „Offene Linke Liste“ („OLLi“) bereits vor der Wahl forderte „Identitäre [zu] exmatrikulieren“ steht nun vor Allem die Frage im Raum, wie die anderen Hochschulgruppen mit der neuen Opposition in ihrem Gremium umgehen werden. Während einzelne Gruppen bereits signalisiert haben, dass sie für eine sachliche Auseinandersetzung zur Verfügung stehen, heißt es von Seiten der „OLLi“: „Es wird mit uns keinerlei Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Liste, die den Identitären nahe steht, geben und wir werden verhindern, dass diese auch nur ansatzweise Einfluss auf die antifaschistische Arbeit des StuRas nehmen wird.“ Wie dieses Verhindern aussehen und wer das konkret durchsetzen soll, wird sich zeigen, ich gehe ehrlich gesagt davon aus, dass es nicht bei verbalen Übergriffen bleiben wird.
180 Stimmen für Hannah Roeßler, das heißt aber nicht nur eine Legislaturperiode zermürbendes Trommelfeuer auf die Gewählte, das bedeutet auch, dass es an der Martin-Luther-Universität mindestens 90 Menschen gibt, die ihre zwei Stimmen einer konservativen Kandidatin gegeben haben, die bereits während des Wahlkampfes im Fokus antifaschistischer Gruppen stand. Das mag für jemanden, der davon ausgeht, dass Politik immer von Mehrheiten gemacht wird, ein verschwindend geringer Anteil sein, für jeden jedoch, der in der Saalestadt von rechts politisch wirken möchte, muss diese Zahl ab jetzt ein Potenzial, eine Chance, ein Auftrag sein.
Aus diesem Grund gratuliere ich der Gewählten an dieser Stelle abermals recht herzlich und erlaube mir außerdem den sonntäglichen Lorbeerkranz literarisch zu überreichen. Egal wie sich die kommende Legislaturperiode gestalten wird: Mindestens 90 Studentinnen und Studenten haben eine Grundsatzentscheidung getroffen. Vielleicht lesen ja ein paar von ihnen hier mit – wenn das so ist: Meldet Euch, wir können Euch brauchen.
Thueringer
Ich wünsche Hannah viel Kraft und vor allem immer zwei Herren meines Formats im Hintergrund, wenn es nach Hause geht. Dort schlagen die Diktaturfreunde und Menschenhasser am liebsten los.