Der dritte Aufguß eines aus dem Wiener Caféhaus geschmuggelten Teebeutels? Ist das eine spieltheoretische Brautschau für Leute, die dem Leben mit Formeln auf die Pelle rücken und von vornherein zu wissen meinen, daß es für sie letztlich in jeder Lage bloß eine abgekühlte Kosten-Nutzen-Kalkulation bereithält? Ich weiß es nicht und halte es mit Ernst Jünger: “Dies alles gibt es also.” Deshalb: Manege frei!
Was hat die Frauenemanzipation mit der Atombombe gemeinsam? Die Folgen beschreibt man am besten mit derselben Theorie.
Das ist kein Scherz. Das theoretische Modell welches ich benutzen werde, um in Anlehnung an Roger F. Devlins Buch Sex – Macht – Utopie, die durch die Emanzipation der Frau geschaffenen Anreizstrukturen für das Heiratsverhalten aufzuzeigen, wurde ursprünglich für den Kalten Krieg entwickelt.
Damals waren die konventionellen Landstreitkräfte des Warschauer Paktes denen der in Europa stationierten NATO-Verbänden zahlenmäßig weit überlegen. Für die Vereinigten Staaten ergab sich daraus das Problem, daß sie im Falle eines sowjetischen Angriffes auf einen ihrer Bündnispartner entweder auf Nuklearwaffen zurückgreifen oder ihren Verbündeten im Stich lassen hätten müssen.
Der Wert amerikanischer Schutzzusicherungen hing also an der Glaubwürdigkeit der nuklearen Abschreckung gegenüber der Möglichkeit eines konventionellen Angriffes der Sowjetunion auf einen ihrer Bündnispartner.
Nur wie sollte man damit glaubwürdig drohen? Natürlich, der Präsident hätte öffentlich erklären können: „Im Falle, daß sowjetische Truppen die Grenze unseres Verbündeten X überschreiten, werde ich den Befehl zum nuklearen Erstschlag erteilen.“
Und? Hätte die Sowjets geglaubt, daß er das tatsächlich tun würde?
Amerikanische Strategen waren selbst anderer Ansicht und das aus gutem Grund. Denn angenommen, die Sowjets hätten einen amerikanischen Verbündeten angegriffen, was dann? Hätten die Vereinigten Staaten deswegen tatsächlich den atomaren Weltuntergang heraufbeschworen? Wohl kaum. Das konnte sich aber auch die sowjetische Führung ausrechnen.
Das Problem wird durch den untenstehenden Entscheidungsbaum und die dazugehörige Nutzenfunktion (die Zahlen, welche die Auszahlungen angeben) dargestellt:
Grafik 1
Diese Graphik stellt die strategische Situation als ein Spiel mit zwei Zügen dar. Im ersten Zug handelt die Sowjetunion. Sie muß entscheiden, ob sie einen amerikanischen Verbündeten angreift oder nicht. Greift sie nicht an, bleibt der Status Quo erhalten und das Spiel ist zu Ende. Niemand gewinnt oder verliert etwas (Auszahlung: 0/0).
Entscheidet sie sich aber für den Angriff, sind die Amerikaner am Zug. Sie müssen sich nun entscheiden, ob sie zur nuklearen Vergeltung schreiten. Im Falle, daß sie das tun, kommt es zu einem sowjetischen Gegenschlag, die nukleare Verwüstung auf beiden Seiten wird mit der Auszahlung ‑1000/-1000 dargestellt. Verzichten sie darauf, dann besetzt die Rote Armee den Bündnispartner, den die Amerikaner damit natürlich verlieren (Auszahlung: +100/-100).
Die Situation ist nun folgende. Sowohl für die Sowjetunion, als auch für die Vereinigten Staaten ist „Nukleare Vergeltung“ das schlechteste Ergebnis. Beide wollen es verhindern. Aufgrund der Struktur des Spiels kann die Sowjetunion die Vereinigten Staaten allerdings vor die Wahl stellen: Entweder „Nukleare Vergeltung“ oder „Einknicken“.
Vom Entscheidungsknoten (so nennt man die leeren Kreise, von denen weitere Entscheidungszweige abzweigen) der USA gibt es nur die Wahl zwischen diesen beiden. „Nukleare Vergeltung“ ergäbe für die Vereinigten Staaten eine Auszahlung von ‑1000, „Einknicken“ eine von ‑100. Es ist also eindeutig klar, wie sie sich verhalten werden.
Die USA wollen natürlich das Ergebnis „Nicht angreifen“. Bei dem oben dargestellten Spiel können sie die Sowjets aber nicht zu dieser Entscheidung zwingen. Es ist wichtig, genau zu verstehen, warum sie das nicht können. Sie können es nicht, weil sie über die Option „Einknicken“ verfügen. Hätten sie im Falle eines sowjetischen Angriffes nur die Option „Nukleare Vergeltung“, dann wäre „Nicht angreifen“ mit seiner Auszahlung von 0 auch für die Sowjets das beste Ergebnis.
Zu den scheinbaren Paradoxien der Spieltheorie zählt die Tatsache, daß es oft von Nachteil ist, über eine bestimmte Handlungsmöglichkeit zu verfügen. In der oben modellierten Situation wäre es für die Vereinigten Staaten das Beste, sich auf irgendeine Weise bindend zum nuklearen Vergeltungsschlag zu verpflichten, sich selbst die Möglichkeit des Einknickens zu nehmen.
Die historische Lösung dieses Problems zielte auch in diese Richtung. Man stationierte Nuklearwaffen in den Ländern der Bündnispartner, vor allem in Westdeutschland und anderen Frontstaaten des Kalten Krieges, entwickelte taktische Nuklearwaffen samt dazugehöriger Einsatzdoktrinen und schickte Raketenunterseebote in die Weltmeere, deren Kommandanten selbständig über den Nuklearschlag entschieden. Dies alles war für die Zweitschlagfähigkeit weitestgehend überflüssig.
Der Zweck war ein anderer: Es erhöhte deutlich die Gefahr, daß ein konventioneller Angriff auf den betreffenden Bündnispartner nuklear eskaliert wäre. Es hätte ja nur ein Stützpunkt unter Beschuß zu geraten und jemand die Nerven zu verlieren brauchen. Die gleiche Kalkulation lag übrigens auch hinter der Stationierung sowjetischer Raketen auf dem sowjetischerseits mit konventionellen Mitteln nicht zu verteidigenden Kuba.
Was hat das jetzt mit der Emanzipation der Frau und dem dadurch verursachten Heiratsverhalten zu tun? Schauen wir uns folgenden Entscheidungsbaum an. Die Nutzenfunktion ist ein wenig anders, das Kernproblem ist jedoch dasselbe:
Grafik 2
Dieser Entscheidungsbaum modelliert, die Entscheidung eines Mannes, seine zeitweilige Partnerin zu heiraten, respektive Kinder mit ihr zu bekommen, also, ob er dieser Frau und ihrem eventuellen Nachwuchs gegenüber langfristige Verpflichtungen eingehen soll. Entscheidet er sich dafür, so entscheidet in einer zweiten Runde die Frau, ob sie sich scheiden läßt, respektive ob sie die sich für sie ergebenden Verpflichtungen, welche ihr aus der Ehe erwachsen und welche – anders als die Versorgungsverpflichtung des Mannes – nicht vor Gericht einklagbar sind, erfüllt oder nicht.
(An alle alten Tanten beiderlei Geschlechts: Die Bezeichnung umfaßt sämtliche Anforderungen, die an das Verhalten einer Ehefrau billigerweise gestellt werden können. Wenn Ihnen da außer Sex nichts einfällt, ist das nicht mein Problem.)
An den schwarzen Endkontenpunkten sehen wir die Auszahlungen. „Nicht Heiraten/ Keine Kinder“ ergibt als Status Quo wieder eine Auszahlung von 0/0. „Keine Scheidung/Erfüllen von Verpflichtungen“, also einer im Rahmen des Normalen glückliche Ehe- und Familiensituation ist eine Auszahlung von +100/+100 zugewiesen.
Der kritische Punkt ist die Auszahlung bei „Scheidung/Nichterfüllen von Verpflichtungen“. Die Auszahlung von ‑100 symbolisiert die Unterhaltszahlungen im Scheidungsfall für eine Frau, die ihren Mann verlassen hat, die Sorgerechtsprobleme, denen sich viele Väter nach einer Scheidung gegenüber sehen, Vergewaltigungsvorwürfe vor dem Familiengericht, den ganzen Spaß.
Im Falle von Nichterfüllung von Verpflichtungen symbolisiert sie, daß er mit einer Frau zusammen lebt, die sich ihm gegenüber nicht als Ehefrau verhält, der gegenüber er über keinerlei Druckmittel verfügt, sie dazu zu zwingen, die er aber auch nicht loswerden kann, ohne sich die vorgenannten Probleme einzuhandeln.
Die Auszahlung von +150 für die Frau im Falle der Scheidung ist aggregiert, aus der Auszahlung für die Eheschließung und die ersten (glücklichen) Jahre und der Auszahlung für die Scheidung, respektive Pflichtvernachlässigung. Genauer wäre es, hier eine Zwischenauszahlung einzufügen, die den Anreiz einer Frau zu heiraten darstellt und eine spätere Auszahlung, die den Anreiz zur Scheidung, respektive Pflichtvernachlässigung symbolisiert. Da das an der Struktur des Problems nichts änderte, habe ich mich aus Gründen der Übersichtlichkeit dagegen entschieden.
Dieses Problem ist ähnlich wie oben. Die Frau möchte geheiratet werden. Nur: Wie soll sie ihn dazu bewegen? Denn hat er einmal den Ehevertrag unterschrieben oder ein Kind gezeugt, dann hindert die Frau nichts mehr daran, sich für die obere der beiden ihr zur Auswahl stehenden Verhaltensweisen zu entscheiden. Nach dem heutigen Recht ist sie gar nicht in der Lage, sich zum Gegenteil zu verpflichten. Das bedeutet Emanzipation der Frau!
Emanzipation der Frau heißt nicht, daß Frauen studieren oder Auto fahren dürfen, und wenn es sich beim Feminismus nur um einige fette Kühe handeln würde, die sich die Haare blau färben und Sicherheitsnadeln durch Nasen und Lippen stecken, dann wäre er ein Fall für das Kuriositätenkabinett und kein politisches Problem. Die emancipatio ist jene aus den Verpflichtungen, die ihr früher in einer Ehe auferlegt waren.
Man kann das auch anders formulieren: Eine Frau kann jeden Ehevertrag unterschreiben und heilige Eide leisten. Praktisch ist das alles nichtig.
Wenn das hart klingt, ist es allerdings nur gerecht, sich das bisher einzig erprobte Gegenmodell zur Emanzipation der Frau anzuschauen. Die traditionelle Geschlechterordnung beruhte auf zwei wesentlichen Pfeilern:
Erstens, daß Scheidungen schwerwiegende Voraussetzungen erforderten.
Zweitens, der Durchsetzbarkeit weiblicher Verpflichtungen in der Ehe und zwar primär nicht durch Gerichtsbeschlüsse und polizeiliche Maßnahmen, was praktisch schwer umzusetzen wäre.
Was dies anbelangt, haben die Feministinnen der Sache nach nämlich Recht. Im traditionellen Geschlechterverhältnis beruhte die Erzwingbarkeit der Verpflichtungen, die die Frau bei der Hochzeit eingegangen war, in erster Linie darauf, daß der Mann einfach stärker war und die Gesellschaft ebenso wie die Justiz Gewaltanwendung eines Mannes gegen sein Ehefrau, solange sie sich in gewissen Grenzen hielt, tolerierte. Bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts war ihre scherzhafte Romantisierung durchaus gesellschaftsfähig:
(Harold R. Foster: Prinz Eisenherz Band 27. Die Seite erschien original als Zeitungscomic am 22. 11. 1959)
Doch ich höre jetzt schon den Protest gegen die Präferenzen, die ich der armen Frau in meinem Modell so einfach unterstellt habe. Wollen nicht sehr viele Frauen einfach einen Mann, Kinder und Familienglück, warum unterstellt dieser böse Kerl, daß das anders wäre?
In der Tat, bei knapp über der Hälfte der verheirateten Paare sah die Nutzenfunktion am Entscheidungsbaum vor der Hochzeit so aus:
Grafik 3
Das Problem ist nur, daß kann der Mann vor der Hochzeit nicht wissen und die Chancen stehen nicht viel besser, als bei einem Münzwurf.
Das bedeutet nicht, daß ein Mann sich vor der Ehe nicht absichern kann und deshalb am besten gar nicht erst heiraten sollte. Was er tun kann (und was tatsächlich viele Männer tun) werden ich im nächsten Teil erläutern.
Davor jedoch bitte ich Sie, sich noch einmal die Entscheidungsbäume anzuschauen und versuchen zu verstehen, worin hier für den Mann das Problem liegt und worin für die Frau.
Beim Mann ist es einfach. Sein Problem ist Unsicherheit mangels rechtlicher Absicherung. Bei der Frau ist es komplexer. Ihr Problem liegt darin, daß sie sich nicht der Option berauben kann, entgegen ihren Eheverpflichtungen zu handeln. Gleichzeitig ist sie, wenn sie heiraten will, darauf angewiesen, daß ein Mann sich dafür entscheidet, sie zu heiraten. Da sie sich jedoch nicht bindend verpflichten kann, fehlt ihr die Möglichkeit, die Struktur des Spiels dahingehend zu ändern, daß die Eheschließung für den Mann ein vernünftiger Schritt wäre.
Monika
Da braucht man nicht lange nachdenken und zögern, Herr Kubitschek . Mich macht so ein Titel schon krawallig !!!
Der Kalte Krieg der Geschlechter....Habe den Text nicht gelesen, nur den Schluß überflogen...
Das Problem des Mannes in Mitteleuropa:
"Unsicherheit mangels rechtlicher Absicherung".....
Ich meine ; wenn ein Mann sich in Ermangelung rechtlicher Absicherung verunsichern lässt, dann hat er ein grundlegendes Problem ! Im übrigen bin ich für den heißen Krieg der Geschlechter...
[Habe ja schon einige Fälle von weiblicher Anspruchshaltung gesehen, aber der hier ist schon was besonderes. JKP]