Sie habe damit u.a. ordentlich über ihre Tinte gerubbelt, aber die Wirkung sei mit einem Tintenkiller nicht vergleichbar.
Ich habs erklärt. Heute finde ich ein gefaltetes Löschblatt in der Rocktasche der Kleinen. Ungelöscht steht da: „An Teo und Karl! Ich will nochmal betonen dass ihr wenn ihr Nazi zu mir sagt selber solche seit. Ihr macht euch wol keine Gedanken über den Sinn von Schimfwörter. Niemahls und das sagt viel. Gezeichnet E.“
Moment mal! Meine Tochter erzählt mir jeden Kleinkram, sogar jeden Traum im Detail. Davon aber, vom Nazivorwurf: nichts.
Ich frage nach: „Sag mal, ich hab da so einen Zettel gefunden, einen Brief von Dir an einen Theo und einen Karl. Stimmt es, daß die Dich als ‚Nazi‘ beschimpfen? Begründen die das auch? In welcher Klasse sind die überhaupt?“
„Ja, ‚Nazi‘ sagen die immer. Aber was das ist, wissen die eh nicht. Die haben keine Ahnung. die wissen nicht mal, wann der Zweite Weltkrieg war. Dritte Klasse. [Also: große Jungs, EK]. Ich hab den Brief dann doch nicht abgegeben. Ich mein, es bringt ja nichts.“ Erstklassig vs. drittklassig.
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24. Mai – „Ich kapier nicht, warum Du die Hasen über Nacht ins Freigehege läßt. Manfred und Lotta sind von dort verschwunden, spurlos!“
Er: „Ja. Ein Rätsel. Der Zaun ist dicht. Aber ein Jahr haben sie dort glücklich gelebt und Kinder bekommen. In Deinen kleinen Gartenkäfigen kriegen sie keine Kinder.“
Ich lasse zu, daß die Kaninchen ins geräumige Freigehege gesetzt werden. Schon am nächsten Morgen sind sie, wie annodazumal ihre Eltern, spurlos verschwunden. Die Spur findet sich Tage später, weit weg vom Gehege: Zwei Kaninchen-Wirbelsäulen, daneben ausgeweidetes Fell. Muß ein Grizzlybär gewesen sein, mindestens.
Zwei andere Kaninchen haben überlebt. Sie hassen sich, Männer. Sie reißen sich das Fell vom Leib. Sie wurden getrennt und lebten wochenlang als traurige Einzelgänger. Der Nachbar schenkt heute ein süßes Weibchen. Die Kinder setzen es in den überdachten Gartenkäfig: „Schon nach einer Sekunde haben die geheiratet!“
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25. Mai – Zweimal Museum, dreimal für die Vitrine!
Erstens: Das Museum für Völkerkunde Hamburg wurde umbenannt. Der neue Name lautet: Museum am Rothenbaum, Kulturen und Künste der Welt (MARKK).
Die neue (seit 2017) Direktorin Prof. Dr. Barbara Plankensteiner dazu:
Um die erfolgreiche Fortsetzung der Neupositionierung des Museums zu gewährleisten, ist eine Neubenennung unumgänglich. Der gewählte Name symbolisiert den neuen Weg, den wir bereits eingeschlagen haben. Mit ihm können wir kommunizieren, dass wir ein in der Gegenwart verankertes Museum sind, das seine historischen Bestände und sein komplexes Erbe aus heutiger Perspektive befragt: ein offenes Haus, das alle einlädt sich mit dem kulturellen Reichtum der Erde zu befassen. (…) Der Begriff „Völkerkunde“ steht nicht mehr im Einklang mit der Identität, den Inhalten und Zielen eines Museums, das sich mit der kulturellen Vielfalt der Welt befasst und auf Augenhöhe und in Partnerschaft mit Herkunftsgesellschaften und Diaspora-Gemeinschaften zusammenarbeiten will.
Das wird man ja wohl noch sagen dürfe: Völkerkunde! Nee, besser nicht.
Zweitens: Seit vergangener Woche zeigt das Dresdner Hygiene-Museum seine neue Ausstellung „Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen“. Wissenschaftlich sei heute Common sense, daß es Rassen nicht gäbe.
Kuratorin Susanne Wernsing weiß:
Und diese unterschiedlichen Merkmale sind natürlich komplett willkürlich gewählt, also so etwas wie Hautfarbe, Augenfarbe, Haarstruktur; erscheinen uns aber heute plausibel weil wir in dieser Denktradition stehen. Also dass wir denken, die Menschen sind unterschiedlich, und das erkenne ich an der Hautfarbe, verbinden wir schnell mit der Vorstellung, vielleicht gibt es Rassen doch.
Horrorvorstellung! Im Deutschlandfunk erzählt man uns heute (als gäbe es “andere Perspektiven” wirklich):
Immer wieder geht es in der Dresdner Ausstellung darum, andere Perspektiven anzunehmen. Die der Angehörigen der NSU-Mordopfer etwa, die in langen Videos zu Wort kommen. Um Bewohnern ehemaliger Kolonien ein Gesicht zu verleihen, werden einzelne Biografien vorgestellt, werden sie in Anzügen gezeigt und nicht nackt. Kuratorin Susanne Wernsing hat von Rassismus betroffene Menschen eingeladen, an der Ausstellung mitzuarbeiten, die Gruppe hat unter anderem über einzelne Ausstellungsstücke und den Titel mitentschieden. Gelbe Schilder an einzelnen Objekten zeugen von einem weiteren Beitrag.
Aha, ausgerechnet „gelbe Schilder“. Ein seltsamer Mitmach-Marker.
Drittens: Wenn Männer von „Pipi in den Augen“ reden/schreiben, drehe ich mich normalerweise peinlich berührt weg.
Hier mal nicht. Der „Journalist Burkhard Zimmermann“ postet heute:
Der Sohn einer Freundin ist fünf, er ist smart, sportlich und sieht sehr gut. Er hat so Karten mit Fußballspielern drauf, von denen er zwei immer wieder verwechselt. Wir sähen den Unterschied, er sieht ihn nicht. Es sind Jerome Boateng und Julian Draxler. Manchmal vergleicht er die Form ihrer Augen, um sie besser auseinanderhalten zu können. Meine Freundin könnte ihn darauf hinweisen, dass sie unterschiedliche Hautfarben haben, macht sie aber nicht. Er sieht es früh genug. Dass #Rassismus erlernt ist, war mir klar. Aber dass Kinder so denken und sehen, wusste ich nicht, und als ich es heute hörte, hatte ich ein bisschen Pipi in den Augen.
Es folgt eine Kette an Emoticons. Männer halt.
Carlos Verastegui
Ich hatte auch ein so ein Erlebnis der "dritten Art" in einem Völkerkundemuseum, und zwar vor genau einem Jahr. Darüber habe ich sogar einen Bericht für die BN geschrieben. Hier ein Auszug daraus:
"Kein N-Wort, keine „Negerküsse“ mehr
In Köln habe ich eine Gehirnwaschanlage getestet, die vor allem die deutschen und nicht mehr so deutschen Schulkinder zu einem besseren Menschentum erziehen will. Es ist das, was ich den „Vorurteilskubus“ im ethnologischen Rautenstrauch-Joest-Museum nennen will. Außer dem „Vorurteil“ – unter dem Motto: „Der verstellte Blick“ – und dem „Rassismus“ behandelte der „Vorurteilskubus“ im Besonderen die Problematik des „N-Worts“ („Neger“; „Negerkuss“).
Darüber hieß es: „Das N-Wort steht für die grausame Geschichte der Versklavung und Kolonisation. AfrikanerInnen wurden generell bestimmte negative Eigenschaften zugeschrieben, wie z.B. Faulheit, Triebhaftigkeit und Grausamkeit. Alternative: Das N-Wort ersatzlos streichen, ‚Schokokuss‘ für die Süßigkeit verwenden.“ Zugegeben, ich selbst hatte immer gewisse Bedenken, das „N-Wort“ zu gebrauchen und habe die „N…“ stattdessen lieber „Schwarze“ genannt.
Weiße und Schwarze – Das ist Rassismus!
Das aber ist laut dem Vorurteilskubus rassistisch, denn „Schwarzsein ist (…) ebenso eine Erfindung des Rassismus wie Weißsein. Weiße Menschen machen sich selber Gedanken über ihre Hautfarbe, da sie glauben, Weißsein sei das Normale.“ Soso. Das Verwirrspiel im Indoktrinationsmodus wurde aber noch weiter getrieben: „Rassismus wird zu einem Großteil über Sprache transportiert. Unsere Sprache ist untrennbar verknüpft mit unserem Denken und Handeln. Diese Verknüpfung macht es erforderlich, dass wir uns Gedanken machen über Bedeutung und Inhalt der von uns verwendeten Begriffe.“
Ganz abgesehen davon, dass es für ein Kind ganz unangemessen und schon fast krankhaft anmutet, sich dauernd „Gedanken“ über die verwendeten Begrifflichkeiten machen zu müssen, liegt hier offen zutage: exzessives Grübeln über „Begriffe“ führt zu sprachlichem Unvermögen und am Ende sogar zu Verblödung. „N-Wort“ z.B. ist eine infantile Tabuisierungs- und Verlegensheitsbildung ähnlich der, die Vorschulkinder unter der Anleitung verklemmter Erwachsener bezüglich der Genitalien, der Ausscheidungsorgane, überhaupt der Ausscheidungen sowie des Geschlechtsakts an den Tag legen. Das betont Infantile dieser spielenden Pädagogik soll wohl bei den Kindern zu mehr Toleranz führen.
Der Vorurteilskubus im ethnologischen Museum ist doof, und er möchte euch „Kids“ ebenfalls doof machen. Beweis: Seine Rassismusdefinition: „Rassismus bedeutet, einen anderen Menschen wegen dessen Herkunft, Aussehen, Hautfarbe, Sprache oder Religion zu verdächtigen, ihn zu beschimpfen, zu benachteiligen oder zu bedrohen.“ Diese in denunziatorischem Ton gehaltene und absichtlich viel zu weit gefasste Pseudodefinition setzt den Rassismus bereits voraus, und zwar definitionslos! Es werden als rassistisch Taten und Verhaltensweisen bezeichnet, nur weil sie in Bezug auf vermeintliche oder wirkliche, nicht einmal mehr „Rasseeigenschaften“ begangen bzw. an den Tag gelegt werden.
Der „Vorurteilskubus“ ist beispielhaft für die Indoktrination in Deutschland
Wenn ein Museum unter anderem bilden und erziehen soll, so wird im Rautenstrauch-Joest-Museum unter Bildung und Erziehung Indoktrination verstanden. Indoktrination beginnt bei unauffälligen Kleinigkeiten und scheinbaren Nebensächlichkeiten. Die Art z.B., in der der Vorurteilskubus vom Vorurteil redet, ist bereits Indoktrination: „Vorurteile sind weltweit verbreitet. Sie dienen unter anderem dazu, das ‚Fremde‘ in ihr eigenes Weltbild einzuordnen und sich gegenüber dem ‚Anderen‘ abzugrenzen. Vordergründig sind es Urteile über andere, die indirekt meist eine Aufwertung des Eigenen ermöglichen.“
Rätselhaft für mein unbewusstes, reaktionäres und rassistisches Denken sind die Anführungszeichen, in die das „Fremde“ und der „Andere“ gesetzt sind. Ich z.B. bin fremd in Deutschland, auch wenn ich mir einbilde, es einmal gekannt zu haben. Fremd ohne Wenn und Aber, vor allem aber ohne Anführungszeichen. Und was am „Anderen“ in Anführungszeichen zu setzen sei, das erklärt mir der Vorurteilskubus nicht."