und von Leuten geschrieben wurde, die man bislang nicht ohne Grund auf der gutmenschlichen Seite verortete? Ist das ein Trick der Marketingabteilung des Verlages, Renegatentum der Verlierer oder eine Mogelpackung, die an den rechtsblinkenden Linksabbieger Seehofer erinnert?
Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach – nicht zuletzt, weil die Autoren nicht aus demselben Stall kommen. Mit Weißgerber und Schröder sind zwei Sachsen mit an Bord, die beide in der Wendezeit zur SPDgefunden haben und ihr treu geblieben sind. Ersterer saß 19 Jahre für diese Partei im Bundestag, letzterer bekam eine Philosophieprofessur an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Eva Quistorp ist ein Urgestein der Grünen, für die sie im Europaparlament saß, und in zahlreichen Bewegungen in deren Umfeld aktiv.
Am 14. Oktober 2017 hatten die drei in der Welt »10 Thesen für ein weltoffenes Deutschland« veröffentlicht, die sie in dem vorliegenden Buch näher erläutern. Falls es über diese Thesen eine öffentliche Debatte gegeben haben sollte, so wird dies im Vorwort nicht erwähnt. Stattdessen wird das Ziel der ganzen Sache klar benannt: »Wir können gegen Fremdenfeindlichkeit und Abschottungs-tendenzen nur dann wirksam vorgehen, wenn wir die großen Probleme, die sich aus der massenhaften Zuwanderung 2015/2016 ergeben haben und noch ergeben werden, weder beschönigen noch gar verschweigen.«
Insofern ist die allgemeine Stoßrichtung klar: Es geht darum, die offensichtliche Lücke zwischen Wirklichkeit und Traum des Multikulturalismus zu schließen, ohne die Diskurshoheit zu verlieren. Die Thesen bewegen sich dementsprechend auf dem Niveau von Banalitäten (Aufnahmelager sind nicht unbarmherzig) und Selbstverständlichkeiten (Das Staatsgebiet ist »Schauplatz der staatlichen Herrschaft«), wenn sie nicht gerade Forderungen aufstellen, die den ganzen Zustrom nur mundgerechter verteilen sollen (»Wir dürfen die Kapazitätsgrenze nicht überschreiten«).
Die Autoren haben dabei eine Aufgabenverteilung vorgenommen, mit der eine möglichst große Bandbreite von Lesern erreicht werden soll. Schröder gibt den strengen Realisten, der auf Einhaltung von Recht und Gesetz pocht, Weißgerber verteidigt die beste aller Welten, die BRD, gegen Delegitimierung von oben und unten und versucht sich in einem zaghaften Patriotismus, wohingegen Quistorp die Flüchtlingshelferin darstellt, die mit der harten Wirklichkeit konfrontiert wurde: das von ihr betreute Flüchtlingsmädchen war auf dem Weg zur selbstbewußten Westeuropäerin und kam dann wieder unter die Obhut ihres patriarchalisch geprägten Clans.
Es bleibt zu konstatieren, daß sich hier vielleicht die etwas Klügeren unter den Gutmenschen einen Schritt in die richtige Richtung vorwagen. Daß sich damit die Lücke zwischen Traum und Wirklichkeit wieder zukleistern läßt, ist unwahrscheinlich, so daß der Nutzen den Schaden der Publikation überwiegen dürfte. Vielleicht kommt der ein oder andere der Anhänger oder Wähler der Autoren immerhin ins Grübeln.
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Eva Quistorp, Richard Schröder, Gunter Weißgerbers Weltoffenes Deutschland? Zehn Thesen, die unser Land verändern, Freiburg: Herder 2018. 144 S., 16 € kann man hier bestellen.