Sonntagsheld (63) – Feuer frei!

"Vielen Dank für Ihre Reise mit der Deutschen Bahn."

Es liegt in der büro­kra­ti­schen Per­fi­die des bun­des­deut­schen Rechts­staa­tes, dass er gegen den­je­ni­gen, der sei­ne Exis­tenz durch den Ein­satz der Schuss­waf­fe per­p­etu­iert, rou­ti­ne­mä­ßig ein Ver­fah­ren eröff­net. So gesche­hen am ver­gan­ge­nen Mitt­woch in Flensburg.

Was sagt das über das Ver­hält­nis des Staa­tes zu sei­nen Beam­ten aus und – fast noch wich­ti­ger: Was sagt es über die­ses Ver­hält­nis aus, dass der Schuss­waf­fen­ein­satz offen­bar eine mit­tel­ba­re Fol­ge des Ver­sa­gens eben die­ses Rechts­staa­tes war und zwar inso­fern, als dass eine Kon­trol­le die Ein­rei­se des nun Erschos­se­nen aus dem siche­ren Dritt­staat Öster­reich und also womög­lich auch sein vor­zei­ti­ges Able­ben ver­hin­dert hätte?

Es ist wahr­schein­lich ein typisch deut­scher Ord­nungs­schau­er, der uns über den Rücken läuft, wenn wir lesen, dass die Beam­tin, die nach der­zei­ti­ger Sach­la­ge gera­de einen Angrei­fer in Not­wehr erschos­sen hat, um ihres und das Leben ande­rer Unbe­tei­lig­ter zu schüt­zen, nun ihren Kol­le­gen zum Ver­hör vor­ge­wor­fen wird. So abwe­gig erscheint es uns, den inzwi­schen tech­ni­schen Vor­gang der Volks­be­schüt­zung zur Hel­den­tat zu ver­klä­ren, dass es sich eini­ge Maden nicht ein­mal neh­men lie­ßen, sich über die Ber­li­ner Poli­zei zu beschwe­ren, als die sich mit “Gra­zie” bei ihren ita­lie­ni­schen Kol­le­gen für die Liqui­da­ti­on des Breit­scheid­platz-Atten­tä­ters Anis Amri an einem Mai­län­der Bahn­hof bedankten.

Dabei fol­gen die­se Vor­gän­ge einer Logik, die für uns, die wir sie seit Jah­ren, zum Teil Jahr­zehn­ten täg­lich sezie­ren, ana­ly­sie­ren und offen­le­gen, fast phy­si­sche Schmer­zen, wenigs­tens jedoch eine inzwi­schen fast laten­te Erschöp­fung her­vor­ruft: Die häss­li­chen Bil­der wer­den sich nicht ver­mei­den las­sen. Will sagen: Kei­ne Zäu­ne an den Gren­zen bedeu­ten Beton­pol­ler in den Innen­städ­ten, Kei­ne Kon­trol­le am Ran­de des Staats­ge­bie­tes bedeu­tet Kon­trol­le auf dem Gebiet des Staa­tes und jede Waf­fe, die sich nicht als Ulti­ma Ratio an den Gren­zen Euro­pas gegen die rich­tet, die kei­ner­lei Recht haben, unter uns zu sein, läuft Gefahr irgend­wann in unse­rer Mit­te blu­ti­ge Gewiss­heit zu sprechen.

Vor ein paar Jah­ren sag­te Frau­ke Petry, damals noch in der AfD, dass ein Grenz­po­li­zist sei­nen Auf­trag zum Schutz des Staats­ge­bie­tes zur Not mit dem Ein­satz der Schuss­waf­fe durch­füh­ren müs­se. Das war im Jahr nach­dem der namen­lo­se Eri­tre­er über eben die Gren­ze, die Petry zu schüt­zen auf­rief, nach Deutsch­land gekom­men war. In der Zeit, die seit sei­ner Ein­rei­se bis ver­gan­ge­nen Mitt­woch ver­gan­gen ist, hat sel­bi­ger es geschafft, als “poli­zei­lich auf­fäl­lig” zu gel­ten – Mes­ser hier, Eisen­stan­ge da, manch­mal ist es wie bei einem maka­bren Bingospiel.

Damals lös­ten die Äuße­run­gen von Frau Petry einen soge­nann­ten Sturm der Ent­rüs­tung aus, heu­te ist es nur eine Rand­no­tiz wert, wenn an der kroa­ti­schen Gren­ze tat­säch­lich auf Ille­ga­le geschos­sen wird und das obwohl in die­sem Fall tat­säch­lich die viel­fach zitier­ten “Flücht­lings­kin­der” von den Kugeln der Gren­zer getrof­fen und (zum Glück nur) ver­letzt wurden.

Wenn man die ein­gangs gestell­ten Fra­gen genau betrach­tet, so ist es wohl gera­de die­se Nor­ma­li­sie­rung der Gewalt, das “part and par­cel of living in a big city”, die Ter­ror­an­schlä­ge, die wir zum Teil gar nicht mehr mit­be­kom­men, die unzäh­li­gen Straf­ta­ten Ille­ga­ler, Abge­tauch­ter, durch das lose Sieb des BAMF Gerutsch­ter, in Kom­bi­na­ti­on mit der vol­len Här­te des Rechts­staa­tes, die einen Poli­zis­ten trifft, der sei­ne Waf­fe abfeu­ert, die sich zu einem absur­den Mosa­ik der west­li­chen Gesell­schaft fügt.

Es ist scha­de, dass ich an die­ser Stel­le wenig mehr tun kann, als Bei­fall von der fal­schen, weil lei­der recht­be­hal­ten­den Sei­te zu spen­den. Ich wün­sche der Poli­zis­tin, die durch den Angrei­fer leicht ver­letzt wur­de, den­noch eine rasche Gene­sung an Kör­per und See­le, die sie an den Ort ihres Diens­tes zurück­keh­ren lässt. Denn: Wir wer­den sie brauchen.

Nichts schreibt sich
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Kommentare (6)

Bran

3. Juni 2018 22:55

Der Gott, der Eisen wachsen liess...
Alles Gute der Polizistin. Aber ansonsten: Was auch immer noch legal sein mag an Bewaffnung für deutsche Bürger, tragt es auf Euch. Benutzt es, wenn Ihr solchen Situationen gegenübersteht. Es muss keine Polizei sein, die eingreift. Es kann jeder sein. Notwehrrecht!
Der Krieg ist schon lange da.

Lotta Vorbeck

3. Juni 2018 23:14

"... Es ist schade, dass ich an dieser Stelle wenig mehr tun kann, als Beifall von der falschen, weil leider rechtbehaltenden Seite zu spenden. Ich wünsche der Polizistin, die durch den Angreifer leicht verletzt wurde, dennoch eine rasche Genesung an Körper und Seele, die sie an den Ort ihres Dienstes zurückkehren lässt. Denn: Wir werden sie brauchen."

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Und diese namenslose Frau von der Flensburger Polizei wird ebenfalls Beistand brauchen.

Läßt sie erkennen - in Folge ihrer mutigen Tat an einer seelischen Verletzung zu leiden - wird sie von ihren unmittelbaren Kollegen gemieden und von der Behördenleitung als "zu weich" angesehen werden ...

John Haase

4. Juni 2018 06:24

Ich mußte bei dem Flüchtlingsbingo laut auflachen. Ob man damit wohl wirklich ein Spiel hinbekäme? Das mittlere Feld könnte ja als „Illegale Einreise“ vorgegeben sein.

„Das erste Feld ist „Eisenstange“ meine Herrschaften, wer hat „Eisenstange“? Als nächstes zieht unsere bezaubernde Angela den/die/das... „mehrfachen Wechsel der Unterkunft“! Weiter geht es mit dem „Messer“! Na, das steht auf fast allen Spielfeldern, was hat die Angela denn jetzt in der Hand? „Brandstiftung“. Ich sehe einige Aufregung im Publikum. Nummer fünf: „Klage gegen Ablehnung des Asylantrages“. Gibt es schon ein Bingo? Na gut, weiter. Angela gibt uns „mehrfache Körperverletzung“. Oh, Sie sind wohl fast fertig gnädige Frau! Reicht Ihnen „bereits seit mehr als einem Jahr ausreisepflichtig“? Ja? Wir haben ein „Bingo“, Herrschaften! Gratulation an die Dame mit dem feschen roten Kurzhaarschnitt. Sie haben die Wochenendreise zu „Hinteruntergammelner breiten Bündnis gegen braune Nazis-Demo für Vielfalt“ gewonnen.“

RMH

4. Juni 2018 06:37

"... mit der vollen Härte des Rechtsstaates, die einen Polizisten trifft, der seine Waffe abfeuert,"

Jetzt mal bitte ein wenig die Kirche im Dorf lassen. Ein Ermittlungsverfahren hat - in normalen Rechtsstaaten! - auch bei "Anfangsverdacht" ergebnisoffen geführt zu werden und dient dazu, belastende aber auch entlastende Umstände zu ermitteln. Dass die Polizei bei Schusswaffengebrauch ein Ermittlungsverfahren einleitet, ist nicht die volle "Härte des Gesetzes", denn es kommt zum einen meistens keine Anklage dabei heraus und zum anderen entlastet die Behörde sich damit in erster Linie selber, in dem sie mit einem "amtlichen Ermittlungsverfahren" feststellt, dass alles ok war. Damit werden auch gerade Mythen und Legenden einer schießwütigen und alles vertuschenden Polizei, wie sie an anderer Stelle und bei anderen Anlässen gerne von der linken, "toleranten" Seite gepflegt werden, verhindert bzw. wird diesen vorgebeugt. Die "Härte des Gesetzes" dient hier also eher dem Schutz der Polizistin, als dass es sie ernsthaft belästigen würde.

Wie auch immer, im Übrigen natürlich richtig festgestellt: Wer seine Grenzen nicht schützt, muss dann umso mehr Aufwand im Inneren betreiben bzw. kann dann im Inneren nichts mehr groß verhindern. Die "Herrschaft des Unrechts" muss also endlich beendet werden.

Montesquieu

4. Juni 2018 10:11

Menschen sind sehr anpassungsfähig, was ihre Toleranz unangenehmer Zustände, aber auch die Flexibilität ihrer "Haltungen" betrifft.

Das Maß der Anpassungsfähigkeit wird unter anderem von der Dynamik der Veränderung beeinflusst. Das Bild vom apathisch sterbenden Frosch im sich erhitzenden Wasser ist zwar ganz konkret falsch, im übertragenen Sinne aber richtig.

Kritisch ist eigentlich nur die Überbrückung der Phase bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich die Mehrheit der Bevölkerung an "andere" Zustände gar nicht mehr erinnern kann, sie also in die grundsätzlich veränderten Umstände hineingeboren wurden.

Ich denke nicht, dass die zu erwartende Libanisierung Europas zukünftig auf substantiellen Widerstand der indigenen Bevölkerung stoßen wird.

Gotlandfahrer

4. Juni 2018 10:31

Scott Adams, der Schöpfer von Dilbert, Hypnotiseur und frühester Trump-Sieg-Vorhersager, hat, wie ich finde, in seinem frischen Werk ("Wie man Sie alle rumkriegt") auf köstliche und kompakte Weise die kognitionspsychologischen Erkenntnisse der Wissenschaft und damit eine gute Erklärung für das, woran wir uns hier alle seit Jahren abarbeiten, auf den Punkt gebracht: Die Evolution hat uns nicht danach selektiert, wie "wahr" wir die Umwelt interpretieren, sondern wie sehr uns unsere Interpretation ("Filter") hilft, uns erfolgreich fortzupflanzen. Die entscheidende Größe ist hierfür die Vorhersagegüte des Filters für das, was als nächstes passiert, nicht irgendwann passieren muss. Nebenbei wollen wir auch noch glücklich sein. Die Menschen nehmen also denjenigen der verfügbaren Filter an, der ihnen Glücksbestätigung verschafft UND eine hohe Wahrscheinlichkeit, im nächsten Schritt NICHTS UNMITTELBAR FALSCHES zu tun.

Das ist so ähnlich wie die Praxis, Unternehmensführung an Quartalsergebnissen auszurichten: Im Durchschnitt ist es für das Überleben des Unternehmens nicht verkehrt, nur von Quartal zu Quartal zu denken. Denn wenn man es schafft, immer das nächste Quartal zu erreichen, besteht man die maximal mögliche Zeit.

In der Evolution geht es analog darum, gerade noch da zu sein, um Nachwuchs zu schaffen und, falls erforderlich, noch bis zur Überlebensfähigkeit durchzuringen. Es geht nicht darum, mit 80 auf ein wahrhaftig geführtes Leben zurückzublicken.

Die Kehrseite ist natürlich, dass mit dieser Logik (also dem Filter) langfristig wirksame Entwicklungen nicht angemessen berücksichtigt werden (können). Denn ein Preis, der unter langfristigen Gesichtspunkten sinnvoll bereits in Quartal X gezahlt werden müsste, um ein Ereignis zu bewirken, das vielleicht einmal in einem ferneren Quartal eintritt, geht immer zu Lasten der Möglichkeiten, das Ziel für Quartal X + 1 zu erreichen.

So funktioniert auch der "Liberalismus-Filter", der sich in einer Zeit entwickelte, in der der Mensch bereits weitgehend entfremdet vom unmittelbaren Erleben der Entstehungszusammenhänge seine persönlichen Entscheidungen traf. Er macht glücklich, weil es schön ist, von den Mitmenschen bestätigt zu bekommen, was für ein feiner Kerl man ist und weil es sehr viel Mühe vermeidet, die man sich heute machen müsste, um jetzt oder kurzfristig Dinge "in Ordnung" zu halten.

Noch entscheidender für die Wahl des Liberalismus-Filters ist aber: Über Jahrzehnte lieferte dieser Filter stabile Vorhersagen dazu, was für den Einzelnen im nächsten Schritt nicht falsch ist. Wer Journalist, Lehrer, Hochschulprofessor oder was auch immer werden wollte, oder wer ohnehin in fast jeder Alltagssituation nicht von vornherein als Verlierer enden wollte, der lag mit Verwendung des Liberalismus-Filters immer richtig. So gesehen ist es eigentlich ein Wunder, dass es überhaupt Menschen gibt, die sowas wie die Sezession betreiben oder lesen.

Man darf, so mein Schluss, nicht nur, aber auch aus diesem Buch, nicht zu viel erwarten von den Menschen. Sie sind von der Natur nicht für die langfristige Sorge selektiert und geschaffen worden, jedenfalls nicht im Durchschnitt. Denn für den Durchschnitt ist es nicht falsch, mitzumachen und kurzfristig zu denken, weil ihn das glücklich macht, Kräfte spart und er durch die unmittelbaren und kurzfristigen Ergebnisse bestätigt wird.

Das Gute ist: Je geringer die Vorhersagegüte des Filters, desto nutzloser wird er und desto weniger glücklich macht er auch irgendwann. Das geht von alleine, weil sich die Wirklichkeit nicht um unsere Filter schert, sich daher die systematischen Entscheidungen durch Fehlinterpretationen summieren und irgendwann einen Punkt erreichen lassen, der zu sehr von ihr entfernt ist, als dass mit seiner Weiterverwendung nicht auch unmittelbar erlebbare Fehler gemacht würden. Das ist so wie mit dem "Weihnachtsmann-Filter", den Adams beschreibt: Zunächst macht er glücklich und liefert gute Prognosen (wird Geschenke geben). Irgendwann widerspricht er zu sehr den gemachten Erfahrungen und wird nutzlos. Was das einzelne Kind mit dem Weihnachtsmann-Filter erlebt, erlebt die westliche Gesellschaft mit ihrem Liberalismus-Filter: Den Minsky-Moment. Das ist an Börsen der Moment, wo die Investoren bemerken, dass sie an eine wertlose Blase geglaubt haben und alle gleichzeitig beginnen, den Schrott unter hohen Verlusten noch irgendwie loszuwerden. Der kommt mit dem Liberalismus-Filter auch, von ganz alleine, und er nähert sich mit immer größeren Schritten.

Adams beschreibt auch, was man tun kann, um dann einen Alternativ-Filter den Mitmenschen verfügbar zu machen (es ist genau das, was z.B. mit der Sezession getan wird): Den Widerpart am Leben halten, damit er zunehmend bekämpft wird. Denn dadurch (!) nimmt dieser zunehmend Raum im Bewusstsein der Menschen ein (ähnlich dem Overton-Window-Prinzip, aber nicht ganz das gleiche).

Für mich persönlich neu war an Scotts Beschreibungen (er erklärt Trumps Wirkung trotz all der Fakes und tatsächlich falschen Aussagen) das Prinzip, das Fehler in eigenen Aussagen gezielt gemacht werden sollten! Dadurch bringt man den Gegner durch Nutzung seines Beißreflex dazu, sich an den Fehlern immer wieder abzuarbeiten. Dies bewirkt genau die Raumnahme in ihrem Bewusstsein und dem des Auditoriums, die erforderlich ist, damit der Durchschnitt irgendwann den Alternativ-Filter annimmt. Mit dem im Detail tatsächlichen Schwachsinn einer Mauer zu Mexiko hat Trump das Thema Mauer und all die damit verbundenen anderen Aspekte erst zum Thema gemacht. Und je mehr er an Fehlern und Falschaussagen festhielt, um so mehr schmissen sich seine Gegner darauf und taten ihm damit genau den Gefallen, den er beabsichtigte.

Zum Bahnbeispiel des Artikels zurück: Dass die zunehmende Nutzlosigkeit und damit die Ablegung des Liberalismus-Filters, der ja auf Trugschluß eines Lebens ohne Gewalt und Tod basiert, nicht ohne schmerzlich erlebte Widersprüche von statten geht, ist zwangsläufig. Unser Filter liefert dazu weiterhin zutreffende Prognosen. Es besteht weniger Grund als jemals zuvor, ihn abzulegen.

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