Die Deutschen haben doch einen Knall! Es geht dabei ja meistens um die Handhabung der sogenannten Flüchtlingskrise (und niemals sind mit „Knall haben“ die AfD oder andere „populistische“ Erscheinungen gemeint.) Steigt man drauf ein, auf die Vorwürfe, gibt es kein Halten.
Eben in Budapest kursierte außer dem „Geiz“ der Deutschen die Klage, wie schlecht sich die Deutschen kleideten. Ein alter Hut: Tennissocken zu Sandalen und Bermudashorts, wo es ums „einfache Volk“ geht, die komischen Hosenanzüge, wo die „Elite“ ins Blickfeld gerät.
Naja, Budapest war diesbezüglich wirklich okay, die Leute so feingemacht wie in den meisten Metropolen dieser Welt.
Auf der Rückfahrt rasteten wir in Györ. Die Einkaufsmeile dort war nicht wesentlich besser peupliert als in Weißenfels (Horrorbeispiel in unserem Lebensumfeld) – gut, die Passanten waren hintergrundsmäßig etwas homogener. Kleidung: Schweigen wir drüber.
Wir hatten großen Hunger und waren doch ein wenig wählerisch. Döner mußte nicht sein, die globalüblichen Nährmittelketten fielen auch aus.
In einer Seitenstraße fiel uns ein hübsches Lokal auf. Ob es dort nun „regionale Küche“ gab, war nicht ganz klar – in Ostmitteleuropa setzt man merklich auf die eigene Landessprache, köszönöm istennek! Leider war kein Tisch mehr frei. Wir standen kurz beratend in der Gegend. Ein Herr in Damenbegleitung erhob sich am Außentisch: Bitte, zwei Stühle seien noch frei, herzlich gern.
Akzentfreies Deutsch. Wir setzen uns und kamen, klar, ins Plaudern. Das Paar war aus Franken, „und wir kommen aus Sachsen-Anhalt, in der Nähe von…“ – „…wissen wir, Schnellroda. Müssen Sie nicht erwähnen. Wir befinden uns auf gutem Terrain, nicht?“
Wir haben vortrefflich gespeist.
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6. Juni – Für’s Cafe Schnellroda muß ich ein paar Getränkekisten kaufen. Der Kleinen befehle ich: „Du holst einen Einkaufswagen, ich geb schon mal die Pfandflaschen ab.“ Ich bin rasch fertig und schaue mir durch die verspiegelte Glaswand das Treiben am Einkaufswagenbahnhof an. Es klappt nicht so ganz.
Zwei Kerle, vielleicht 15, 16 Jahre alt, eher gymnasiale Anmutung, nehmen die kindlichen Probleme beim Lösen der Karosse wahr und schreiten helfend zur Tat.
Mein Töchterchen wirkt aufgeregt und froh, vergißt (unhörbar für mich, aber ahnbar) auch das „Dankeschön“ nicht. Die Burschen seh ich lachen, und als die Kleine mit dem Riesenwagen fröhlich von dannen zieht, machen sie mit der einen Hand einen Hitlergruß, mit der anderen deuten sie ein Hitlerbärtchen an. Naja. Was sagt mir das? „Haben die Typen irgendwas zu dir gesagt?“ Nö, gluckst sie, „nur, ‘wir Jungpioniere helfen überall tüchtig mit’ ; was sind nochmal Jungpioniere?“
Die sahen eigentlich nett aus.
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7. Juni – Liebe Ellen, lieber Götz,
das wird ein schwieriger Brief. Eins ist mal klar: Wir mögen Euch, wie Ihr seid! Es klingt vielleicht arg pathetisch, aber Euch zu kennen ist eine Bereicherung für unser Leben. Das ist eigentlich ein Paradoxon: Wir lieben (ja!!) an Euch Eure Großmütigkeit, Eure Toleranz, und wie ihr mit all den Dingen umgeht, die uns doch auch so sehr am Herzen liegen. Ihr wißt es, Kinder, Tiere, Ernährung, Bausubstanz etc. pp. uvm. Und die Art Witz, die ihr mit Euch führt.
Es ist nun sehr peinlich und sehr schambehaftet, das müßt Ihr uns glauben, daß wir unsere Einladung zurückziehen müssen.
Kann sein, daß wir da sehr kleinkariert sind, ja, vermutlich. Tage des Kummers und der Diskussion liegen hinter uns. Das war ziemlich schmerzhaft. Ganz konkret: Mittlerweile vierzehn Leute (es hat sich rumgesprochen) würden nicht kommen, falls Ihr auf unserem Fest erscheint. Das heißt, vierzehn haben es explizit zum Ausdruck gebracht. Jetzt denkt bitte nicht, wir gehen nach „Masse statt Klasse“. Es ist so höllisch kompliziert. Wir haben viele Gespräche geführt. Den Leuten versichert, daß Ihr nie aufs Politisieren aus seid (außer, man fragt Euch ganz direkt!!) und daß man sich sehr normal und sogar sehr gut mit Euch über alles Mögliche unterhalten kann.
Schon all diese Gespräche waren wie ein Kleinkrieg, bei dem wir ausschließlich in der Rolle der Verteidigung waren. Und wie wir Euch verteidigt haben!! Glaubt uns bitte, wir sehen diese Freunde jetzt mit schmerzlich anderen Augen.
Nun ist es so, daß auch K.s Patenonkel samt Sippe sein Kommen abgesagt hat, falls Ihr auch anzutreffen wärt. K. hängt unglaublich an S. Es ist eine ganz enge Beziehung. Von Kindesbeinen an. Er, S., wir hatten ja schon gelegentlich von ihm erzählt, ist auch eigentlich ein „Guter“, er ist halt in manchen Dingen total verblendet und medial verhetzt und schaltet nun auf stur. Uns nimmt das sehr mit. Das Wort „Ausladung“ an Euch wäre hammerhart. Wir würden es gern anders machen, nämlich: Was würdet Ihr an unserer Stelle tun?
Es tut uns so wahnsinnig leid!
Eure K. und F.
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8. Juni – Liebe F., lieber K.,
es ist durchaus ein bißchen traurig, aber doch gar kein Problem. Und wißt Ihr was? Wir haben seit Tagen darüber nachgedacht, wie wir Euch unsere Absage beibringen könnten. Am X.X. sind wir nämlich anderweitig verplant, und das tat uns leid!
Also: Alles in Butter. Und lehrreich obendrein! Der Riß, der Riß …
Herzlich,
Euer Götz und Eure Ellen
Lotta Vorbeck
@7. Juni -- Liebe Ellen, lieber Götz,
"... das wird ein schwieriger Brief.
Das Wort „Ausladung“ an Euch wäre hammerhart. Wir würden es gern anders machen, nämlich: Was würdet Ihr an unserer Stelle tun?
Es tut uns so wahnsinnig leid!
Eure K. und F."
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K&K waren anderweitig verplant.
Wir wissen nicht, wie die Feier nun ohne die Anwesenheit des Paares vom im Anhaltinischen gelegenen Rittergut verlaufen ist ...
... wir wissen auch nicht, wie es einst in der "Togal"-Reklame hieß, "was der freundliche Tankwart empfiehlt" ...
... wir hätten K. & F. empfohlen, die gesamte Veranstaltung abzusagen und sich stattdessen im kleinen Kreise mit Kositza und Kubitschek zusammen zu setzen.