Chris Jérome Leroy: Der Block. Kriminalroman

Chris Jérome Leroy: Der Block. Kriminalroman,Hamburg: Nautilus 2017. 320 S., 19.90 €

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Marie Le Pen hat die Stich­wahl um das Amt des Staats­prä­si­den­ten ver­lo­ren, und es lief in Frank­reich nicht anders als in Öster­reich oder in Deutsch­land, wo sich skur­ri­le Bünd­nis­se bil­den, weil jeder Schul­ter­schluß mög­lich erscheint, nur einer nicht: der mit den Rechten.

Jéro­me Leroy ist in sei­nem Kri­mi­nal­ro­man Der Block schon einen Schritt wei­ter: Der Block, das ist der Front Natio­nal, und die Che­fin Agnés Dor­gel­les, das ist Marie Le Pen, ver­han­delt in die Nacht hin­ein über den Umfang der Regie­rungs­be­tei­li­gung ihrer Par­tei. Denn in Frank­reich sind Unru­hen aus­ge­bro­chen, und die Opfer­zahl wird rechts oben auf dem Bild­schirm ein­ge­blen­det und aktu­ell gehal­ten. Wenn man zappt und irgend­wann zurück­schal­tet auf den Nach­rich­ten­sen­der, kann man sehen, daß die Zahl der Toten sich wie­der erhöht hat. Aus die­ser Zahl erwuchs der Par­tei die Chan­ce, end­lich poli­ti­sche Schlüs­sel­po­si­tio­nen in die Hand zu bekommen.

Das Buch ver­knüpft zwei Erzähl­strän­ge, die eine Nacht lang andau­ern. In die­ser Nacht der ent­schei­den­den Ver­hand­lun­gen erin­nern sich ein »Du« und ein »Ich« an die Geschich­te des»Blocks«, und bei­de sind im Grun­de Kri­mi­nel­le: »Du«, das ist der Ehe­mann der Par­tei­che­fin, der ihren Auf­stieg mit­ge­macht, unter­stützt, manch­mal erst ermög­licht hat. Er ist blitz­ge­scheit, skru­pel­los, ein Mann eben­so für den Pos­ten eines Staats­se­kre­tärs (der er nach erfolg­rei­chen Ver­hand­lun­gen nach die­ser Nacht sein könn­te) und für die hand­fes­te Aus­ein­an­der­set­zung mit dem poli­ti­schen Geg­ner an der Basis. »Ich«, das ist der Schöp­fer eines par­tei­in­ter­nen Sicher­heits­diens­tes aus Spit­zeln, Per­so­nen­schüt­zern und Schlä­gern. Stan­ko heißt er, und er ist von der Par­tei­füh­rung zum Abschuß frei­ge­ge­ben wor­den: Sei­ne Liqui­die­rung noch in die­ser Nacht wird als Beweis dafür gel­ten, daß der »Block« die bür­ger­li­chen Spiel­re­geln einer Regie­rungs­be­tei­li­gung akzep­tiert und sich von sei­ner kri­mi­nel­len Auf­stiegs­ge­schich­te gelöst hat.

Das ist natür­lich weit her­ge­holt, über­trie­ben und wenig plau­si­bel: Es wirkt, als gäbe es in Frank­reich kei­ne Poli­zei, die ein­mal gründ­lich nach­schaut, wenn Leu­te umkom­men oder gan­ze Grup­pen ein­an­der zusam­men­schla­gen. Die Dia­lo­ge, die in der Erin­ne­rung Stan­kos (»Ich«) und Anto­i­nes (»Du«) geführt wur­den, sind bra­chi­al, auto­nom, aggres­siv: Frank­reich wirkt wie der Wil­de Wes­ten oder wie der Dschun­gel im Her­zen der Fins­ter­nis: Es gibt kei­ne Staats­macht und kei­ne Face­book-Plau­der­ta­schen, die je auf ihre Art ans Licht brin­gen, was im Roman als bru­ta­ler Krieg unter der par­tei­po­li­ti­schen Ober­flä­che aus­ge­foch­ten wird.

Also: ein Kri­mi­nal­ro­man, ein unrea­lis­ti­scher, zum Zweck der Denun­zia­ti­on des Front Natio­nal ver­faßt, aber gekonnt ver­faßt, span­nend und mit gewis­sen Kennt­nis­sen in der Fra­ge, war­um es eine rech­te Par­tei über­haupt so weit habe schaf­fen kön­nen. Der Auf­stieg der bei­den Män­ner, die Hand in Hand arbei­te­ten, von ihrer Her­kunft aber unter­schied­li­cher nicht sein könn­ten, trägt die Geschich­te: Was lasen sie, wor­über spra­chen sie, wie nah­men sie ihre Rol­le wahr, woge­gen wen­den sie sich? Das sinn­ent­leer­te, ver­nut­zen­de, auf­zeh­ren­de Kor­sett eines moder­nen Lebens ist gut dar­ge­stellt und steht als inne­re Front neben der äuße­ren: neben der Front gegen die Über­frem­dung des schwa­chen Rests der Iden­ti­tät durch hyperiden­ti­tä­re, das heißt lebens­hung­ri­ge und sinn­si­che­re Fremde.

Nicht anders beschrei­ben doch wir unse­ren Weg in Deutsch­land: als Zwei­fron­ten­krieg. Aber er kann eben­so­we­nig wie der des »Front Natio­nal« als Kri­mi­nal­ge­schich­te nach­ge­zeich­net wer­den, eines Tages.

 

Chris Jéro­me Leroys Der Block kann man hier bestel­len. 

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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