Boris Sawinkows Das schwarze Pferd,erstmalig erschienen 1923/24, ist die Fortsetzung seines autobiographischen Romans Das fahle Pferd aus dem Jahr 1909: »George«, das Alter ego des Autors, einst der gefürchtetste Terrorist des Zarenreiches, taucht wie Sawinkow selbst im Bürgerkrieg der Jahre 1920/21 überraschenderweise zunächst als Oberst auf der Seite der Weißen auf. Im zweiten Teil des Romans befehligt er einen Trupp der »Grünen«, rebellierender Bauern und enttäuschter Weißer und Roter, die nun gegen die bolschewistischen »Höllenbiester« kämpfen.
Im dritten Teil ist George wieder dort, wo er vor 20 Jahren begann, ein Großstadtpartisan, der Sabotageakte und Attentate organisiert, diesmal gegen das kommunistische Regime. Das »fahle Pferd« brachte den Tod, das »schwarze« bringt das Gericht: Die Apokalypse ist nun in Gestalt eines Bruderkriegs über Rußland hereingebrochen. Es gibt in dem von Sawinkow lakonisch geschilderten Inferno keine »Guten« und keine »Bösen«; alle Seiten exekutieren, foltern und morden gleichermaßen, oft beiläufig oder zum Vergnügen. Nicht selten entscheidet der Zufall, bei welcher Partei einer landet.
Immer wieder fragen sich die Kombattanten, ob sie wirklich auf der Seite des Volkes und des wahren Rußlands stehen. Wie schon in Das fahle Pferdwird die kühle literarische Stilisierung zur Maske und Rüstung des Ich-Erzählers, unter deren Schutz er sich, luzider Beobachter und getriebener Akteur zugleich, durch das Chaos von »Raserei, Revolte und Rausch« bewegt.
Kurz nach Erscheinen des Romans gelang es der Tscheka, Sawinkow nach Rußland zu locken, wo er zunächst zum Tode, dann zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, ein Schicksal, dem er sich jedoch 1925 durch Selbstmord entzog. Eine sowjetische, unzensierte (!) Ausgabe seines komplexen, faszinierenden Buches erschien 1924, versehen mit einem Vorwort, in dem der Autor erklärte, daß »George« die klare Antwort verkannt habe, daß »das Volk« »objektiv« von den Roten vertreten wurde, legitimiert durch »Millionen von Bauern und Arbeitern«.
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