Constantin Schreiber hat eine Schwelle übertreten, über die nur wenige Deutsche geschritten sind: die zur Moschee. Wenn über das muslimische Freitagsgebet geredet wird, denkt mancher an »Haßpredigten«. Schreiber, mit dem Grimme-Preis ausgezeichneter Journalist, dachte das nicht. Er dachte an »Einzelfälle«und ging von einem breiten Spektrum der Gebetsinhalte aus.
Zwischen Hochsommer und Silvester 2016 hat der Arabisch sprechende Autor Freitagsgebete in Moscheen in Berlin, Leipzig, Magdeburg und anderen Städten besucht. Sein Fazit: Es gibt keine Bandbreite! Was hat er gehört? Bestenfalls: konfuse Weltabgewandtheit. Schlimmstenfalls: Haß gegen Juden und Jesiden, gegen die Demokratie. Und fast durchgängig: eine Warnung vor dem Leben in Deutschland. In keiner einzigen Predigt (und Schreiber zieht noch heute weiter durch die Moscheen) hat er gehört, daß der Imam in irgendeiner Weise »eine Brücke nach Deutschland«geschlagen hätte. Es fand keine Bereitschaft zu »interreligiösem Dialog«, zu »Toleranz«.
Zudem stellt er fest: Sämtliche Moscheen waren »altmodisch«eingerichtet, er fand kein Pendant zur zeitgenössischen christlichen Sakralbauarchitektur (der Leser zwinkert heimlich!). Zu manchen Moscheen hatten Frauen keinen Zutritt. Schreiber hat die gehörten Predigten hier in voller Länge in deutscher Übersetzung abgedruckt.
Wie viele Moscheen es in Deutschland gibt und wie viele Muslime, ist nicht annähernd bekannt. Da das Statistische Bundesamt bei der letzten Volkszählung auf die (freiwillige) Frage nach der Religionszugehörigkeit keine belastbaren Ergebnisse ermitteln konnte, wird nun nicht mehr gefragt. Anders als es der vielzitierte »Religionsmonitor«der Bertelsmann-Stiftung nahelegte (Schreibers Erkenntnisse weichen gelegentlich von diesen beschwichtigenden Studienergebnissen ab), sind sehr viele junge Leute unter den Freitagsbetern; beispielsweise in der Karlsruher Hagia-Sophia-Moschee sogar zahlreiche Schulbuben – zur Schulzeit!
Wie kommt’s? Schreiber hat sich redlich bemüht, dies und anderes in Erfahrung zu bringen, zumal TV-Talkshows doch den Eindruck vermittelten, daß wir es bei wort- und federführenden Moslems mit offenen und gesprächsbereiten Menschen zu tun haben. Acht Imame (von 13 Moscheen) verweigerten das Gesprächs, meist unter Ausflüchten, selten mit einem direkten »Nein«. Schreiber beschreibt auch seine Schwierigkeiten, mit akademischen Koryphäen der Islamwissenschaft ins Gespräch zu kommen und einen Übersetzer zu finden, der sämtliche Predigten wortgetreu ins Deutsche bringt.
Der Autor, Christ des Jahrgang 1979 – nie undercover, sondern stets mit offenen Absichten, nach denen ihn interessanterweise keiner seiner religiösen Gesprächspartner fragt!, unterwegs – hat in mehrfacher Hinsicht eine mustergültige journalistische Arbeit vorgelegt: Erstens ist das Buch voraussetzungslos lesbar, Schreiber liefert eine knappe Einführung in Geschichte, Richtungen und Ausformungen des Islam. Zweitens sind seine Reportagen klar gegliedert: Was waren die Nachrichtenthemen in der je dem Freitagsgebet vorangegangenen Woche? Wo liegt die besuchte Moschee, wie stellen sich Räumlichkeiten und Publikum dar?
Nach dem vollständigen Abdruck der Predigt schildert Schreiber seine Gespräche mit dem Imam (der nur in Ausnahmefällen deutsch spricht, falls er überhaupt ansprechbar ist) und anschließend mit akademischen Experten. Schreiber ist ein guter Beobachter, ihm fällt auf, das türkische Moscheebesucher sich gern mit ihren Mobiltelephonen beschäftigen, wohingegen Araber darauf verzichten. Türkische Predigten hat er als deutlich am nationalistischsten erlebt.
Ein dritter Beleg für die Mustergültigkeit (nun im Sinne einer typischen Reaktion) von Inside Islamist dies: Nachdem Schreiber haßerfüllte Predigten gehört, mit offenkundig verlogenen Imamen gesprochen und vernommen hat, daß die »Weihnachtsgefahr«ein Dauerthema ist (weshalb in Gegenden mit hohem Migrantenanteil sämtlicher Adventsschmuck aus den Schulen verschwunden ist), zeigt sich der Autor nicht empört oder fassungslos. Nein, er ist »ernüchtert«.
Constantin Schreibers Inside Islam kann man hier bestellen.