Michael Lüders: Die den Sturm ernten. Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte

Michael Lüders: Die den Sturm ernten. Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte, München: C.H. Beck 2017. 176 S., 14.95 €

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Es gibt eine Anzahl an Büchern, die sich kri­tisch mit dem Ver­hal­ten west­li­cher Natio­nen im seit 2011 anhal­ten­den Syri­en­krieg aus­ein­an­der­set­zen. Neben Tim Ander­sons Der schmut­zi­ge Krieg gegen Syri­en sind es ins­be­son­de­re Karin Leu­ke­felds Stu­di­en, die den gän­gi­gen Schwarz-Weiß-Schil­de­run­gen (aka »Nar­ra­ti­ven«) – wonach ein ver­rück­ter Prä­si­dent Krieg gegen sein Volk führt, das von west­lich gespon­ser­ten Rebel­len »geschützt«wird – eine kri­ti­sche Gegen­er­zäh­lung zur Sei­te stellen.

Ander­sons und Leu­ke­felds Argu­men­ta­ti­ons­strän­ge sind plau­si­bel; sie legen u.a. dar, daß der Krieg eher nach Syri­en getra­gen wur­de, als daß er ein authen­ti­scher Bür­ger­krieg wäre. Sie ver­wei­sen auf die mate­ri­el­len, ideo­lo­gi­schen und stra­te­gi­schen Inter­es­sen der Kon­flikt­par­tei­en, auf die eska­lie­ren­de Rol­le der Golf­staa­ten, auf Waf­fen­lie­fe­run­gen der USA an sala­fis­ti­sche »Oppo­si­tio­nel­le«, auf dschi­ha­dis­ti­sche Netz­wer­ke, auf sug­ges­ti­ve Bild­ma­ni­pu­la­tio­nen der Mas­sen­me­di­en. Ihre For­schun­gen basie­ren auf Hin­ter­grün­den und Vor-Ort-Recherchen.

Und doch blei­ben die Bücher (Sezes­si­on 74) auf ein Fach­pu­bli­kum beschränkt, wer­den kaum debat­tiert und stür­men infol­ge­des­sen kei­ne Best­sel­ler­lis­ten. Anders die neue Publi­ka­ti­on von Micha­el Lüders. Der ehe­ma­li­ge Nah­ost­kor­re­spon­dent der ZEIT nimmt in vor­lie­gen­der Streit­schrift ähn­li­che Stand­punk­te ein wie Ander­son, Leu­ke­feld et al. Doch fin­det er Gehör, weil er als bekann­ter Autor aus dem bun­des­deut­schen »Main­stream« über einen ande­ren Reso­nanz­raum ver­fügt als ein aus­tra­li­scher Pro­fes­sor (Ander­son) oder eine anti­im­pe­ria­lis­ti­sche Jour­na­lis­tin (Leu­ke­feld).

Des­halb ist Lüders’ Fort­set­zung von Wer den Wind sät (2015) so wich­tig. Denn er kann mit sei­ner Auf­klä­rungs­ar­beit Schich­ten errei­chen, die ansons­ten kaum in Berüh­rung mit Nah­ost­ana­ly­sen kämen, die den ton­an­ge­ben­den trans­at­lan­ti­schen Deu­tun­gen von FAZ bis Jungle World ent­ge­gen­wir­ken. Man ver­zeiht dem Autor daher gewis­se Zuge­ständ­nis­se an die herr­schen­de Mei­nung, wenn er – ohne Unter­su­chun­gen mit gegen­läu­fi­ger Beweis­füh­rung zu kon­sul­tie­ren – die Mär vom fried­li­chen Auf­stands­be­ginn 2011 wie­der­gibt, also die isla­mis­ti­sche Spreng­kraft und Mili­tanz der ers­ten, von der radi­kal­sun­ni­ti­schen Mus­lim­bru­der­schaft gestütz­ten Pro­test­wel­le unterschlägt.

Von sol­chen Unzu­läng­lich­kei­ten abge­se­hen belegt Lüders her­vor­ra­gend, daß ohne die mas­si­ve, tra­di­ti­ons­rei­che Ein­mi­schung von außen der Kon­flikt in Syri­en nicht der­ar­tig eska­liert wäre. Mil­lio­nen Men­schen wären von Flucht, Leid und Tod ver­schont geblie­ben. Und der Wes­ten hät­te weni­ger Sturm durch isla­mis­ti­schen Ter­ro­ris­mus geern­tet. Mag der Unter­ti­tel über­trie­ben anmu­ten – nicht nur west­li­che Akteu­re schür­ten den Flä­chen­brand, son­dern des­glei­chen Sau­di-Ara­bi­en und Katar –, so sind aus Lüders’ Ana­ly­sen meh­re­re Rück­schlüs­se zu zie­hen. Die For­de­rung nach einem Ende der Sank­tio­nen gegen Syri­en gehört zu den dringlichsten.

Micha­el Lüners Die den Sturm ern­ten kann man hier bestel­len.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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