Es gibt eine Anzahl an Büchern, die sich kritisch mit dem Verhalten westlicher Nationen im seit 2011 anhaltenden Syrienkrieg auseinandersetzen. Neben Tim Andersons Der schmutzige Krieg gegen Syrien sind es insbesondere Karin Leukefelds Studien, die den gängigen Schwarz-Weiß-Schilderungen (aka »Narrativen«) – wonach ein verrückter Präsident Krieg gegen sein Volk führt, das von westlich gesponserten Rebellen »geschützt«wird – eine kritische Gegenerzählung zur Seite stellen.
Andersons und Leukefelds Argumentationsstränge sind plausibel; sie legen u.a. dar, daß der Krieg eher nach Syrien getragen wurde, als daß er ein authentischer Bürgerkrieg wäre. Sie verweisen auf die materiellen, ideologischen und strategischen Interessen der Konfliktparteien, auf die eskalierende Rolle der Golfstaaten, auf Waffenlieferungen der USA an salafistische »Oppositionelle«, auf dschihadistische Netzwerke, auf suggestive Bildmanipulationen der Massenmedien. Ihre Forschungen basieren auf Hintergründen und Vor-Ort-Recherchen.
Und doch bleiben die Bücher (Sezession 74) auf ein Fachpublikum beschränkt, werden kaum debattiert und stürmen infolgedessen keine Bestsellerlisten. Anders die neue Publikation von Michael Lüders. Der ehemalige Nahostkorrespondent der ZEIT nimmt in vorliegender Streitschrift ähnliche Standpunkte ein wie Anderson, Leukefeld et al. Doch findet er Gehör, weil er als bekannter Autor aus dem bundesdeutschen »Mainstream« über einen anderen Resonanzraum verfügt als ein australischer Professor (Anderson) oder eine antiimperialistische Journalistin (Leukefeld).
Deshalb ist Lüders’ Fortsetzung von Wer den Wind sät (2015) so wichtig. Denn er kann mit seiner Aufklärungsarbeit Schichten erreichen, die ansonsten kaum in Berührung mit Nahostanalysen kämen, die den tonangebenden transatlantischen Deutungen von FAZ bis Jungle World entgegenwirken. Man verzeiht dem Autor daher gewisse Zugeständnisse an die herrschende Meinung, wenn er – ohne Untersuchungen mit gegenläufiger Beweisführung zu konsultieren – die Mär vom friedlichen Aufstandsbeginn 2011 wiedergibt, also die islamistische Sprengkraft und Militanz der ersten, von der radikalsunnitischen Muslimbruderschaft gestützten Protestwelle unterschlägt.
Von solchen Unzulänglichkeiten abgesehen belegt Lüders hervorragend, daß ohne die massive, traditionsreiche Einmischung von außen der Konflikt in Syrien nicht derartig eskaliert wäre. Millionen Menschen wären von Flucht, Leid und Tod verschont geblieben. Und der Westen hätte weniger Sturm durch islamistischen Terrorismus geerntet. Mag der Untertitel übertrieben anmuten – nicht nur westliche Akteure schürten den Flächenbrand, sondern desgleichen Saudi-Arabien und Katar –, so sind aus Lüders’ Analysen mehrere Rückschlüsse zu ziehen. Die Forderung nach einem Ende der Sanktionen gegen Syrien gehört zu den dringlichsten.
Michael Lüners Die den Sturm ernten kann man hier bestellen.