Tuvia Tenenbom: Allein unter Flüchtlingen

Eine Rezension von Christian Marschall

Tuvia Tenen­bom: Allein unter Flücht­lin­gen, Ber­lin: Suhr­kamp 2017. 324 S., 13.95

Einen Typen wie Tuvia Tenen­bom hält sich ein links­li­be­ra­ler Eli­ten­ver­lag wie Suhr­kamp nicht aus Über­zeu­gung oder Lei­den­schaft. Man müß­te län­ger nach­den­ken, ob man im Port­fo­lio noch einen wei­te­ren Autoren fin­det, auf den das (zuge­ge­ben etwas abge­grif­fe­ne) Attri­but »poli­tisch unkorrekt«zuträfe. Tenen­boms Bücher sind garan­tier­te Ver­kaufs­schla­ger. Allein unter Deut­schen, … unter Juden, … unter Ame­ri­ka­nernund nun eben Allein unter Flüchtlingen.

Der gebür­ti­ge Israe­li mit deut­schen und pol­ni­schen Wur­zeln begibt sich auf sei­nen Repor­ta­ge­rei­sen unter Grup­pen, die irgend­wie »umstritten«sind. Nicht als Ein­zel­men­schen, son­dern als vages Kol­lek­tiv. Was wäre dar­an die ver­kaufs­fö­de­rn­de Masche? Es gibt kei­ne Masche! Tenen­bom (Jahr­gang 1957) ist, wie man es in sei­ner Wahl­hei­mat New York aus­drü­cken wür­de, ein­fach straight. 

Heißt: Er geht nicht wie der übli­che Knecht der Lücken­pres­se mit einem vor­ge­fer­tig­ten Bild, einer »Mei­nung«, auf die Leu­te zu, über die er berich­ten will. Er stellt denen, die ihn inter­es­sie­ren, sehr simp­le Fra­gen. Wer bist du, was machst du hier, was gefällt dir, was nicht, wovon träumst du so? Tenen­bom kommt mit Dut­zen­den Flücht­lin­gen (und: offen­kun­di­gen »Flücht­lin­gen«) ins Gespräch (mit Schlitz­oh­ren, mit Her­zens­gu­ten, mit Kran­ken und Schein­kran­ken); mit sol­chen, die ganz gut unter­ge­kom­men sind und ande­ren, die über Mona­te unter bemit­lei­dens­wer­tes­ten Zustän­den zusam­men­ge­pfercht sind wie Vieh.

Des wei­te­ren spricht Ten­ebom, die­ser gemüt­lich-naiv wir­ken­de hell­blon­de Koloß mit pin­kem Bril­len­ge­stell, mit Gre­gor Gysi (»ein ech­ter Schatz!«), mit Jür­gen Toden­hö­fer (»der­ma­ßen selbst­ver­liebt«) und mit Kar­di­nal Marx, der sich Fra­gen zur AfD streng ver­bit­tet und als gro­ßer Druck­ser wirkt. Zwei Anti­fa-Leu­te und ihr geflüch­te­ter Zög­ling machen einen Gesprächs­rück­zie­her – es gibt da ein ideo­lo­gi­sches Pro­blem mit Ten­eboms Hei­mat. Mit SPD-Minis­ter Ralf Jäger kommt gar kein Gespräch zustan­de (»Der Mann muß extrem ner­vös sein«, beob­ach­tet Tenen­bom), und auch Alex­an­der Thal, Spre­cher des Flücht­lings­rats, hält ein­fa­che Fra­gen (»Wenn die Deut­schen so schlimm sind, war­um haben sie dann so vie­le Flücht­lin­ge ins Land gelas­sen?«) für so »schwie­rig«, daß er ein paar Tage Bedenk­zeit erbit­tet (wohl gemeint: Jahre).

Zahl­rei­che Ant­wor­ten von Vol­ker Beck wie­der­um muß­ten kurz vor Druck­le­gung geschwärzt wer­den. Der Repor­ter hat sich auch mit Leu­ten getrof­fen, denen die deut­sche Qua­li­täts­pres­se sel­ten unvor­ein­ge­nom­men begeg­net: Mit Frau­ke Petry (»ich mag die­se Lady«), Lutz Bach­mann (»der Mann hat Witz«), Akif Pirin­çci (»ein frei­er Geist«) und Götz Kubit­schek (Kapi­tel: Der Unto­te). Fer­ner erfah­ren wir, war­um der AfD-Rech­te Hans-Tho­mas Till­schnei­der in eini­gen Punk­ten irrt und war­um Frau Petry so vehe­ment gegen das Ehe­paar Kositza/Kubitschek ist. Unter­halt­sam ist das durch­weg – seicht nie.

Tuvia Tenen­boms Allein unter Flücht­lin­gen kann man hier bestel­len

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