Ein paar Gemeinsamkeiten zwischen Eva Braun und Unity Mitford: Beide waren blutjunge Frauen, blonde Schönheiten, als Hitlers Stern zu steigen begann. Beide starben mit 33 Jahren. Beide verehrten Hitler grenzenlos, beide hatten engsten Kontakt zu ihm. Die Braun ehelichte Hitler kurz vor Ultimo, die Mitford hatte den vielbeschäftigten Politiker zwischen 1933 und 1939 140 mal getroffen. Zu den Unterschieden: Eva Brauns Leben gibt wenig her, jegliche »Filmreife« verdankt es dem Objekt ihrer Zuneigung, Adolf Hitler. Unity Mitford hingegen, ihre ganze unkonventionelle Familie, diese Punk-Attitüde avant la lettre! Man könnte glatt einen Abenteuerfilm daraus basteln, und die Hitler-Episode wäre nur das Sahnehäubchen. (Bewegung, Bewegung! »The Führer was heavenly«, Sezession 55, 2013.) Als die Historikerin Heike Görtemaker 2010 ihre Eva-Braun-Biographie (Leben mit Hitler, Sezession 36, 2010) veröffentlicht hatte, erfuhr das Buch in allerkürzester Zeit fünf Auflagen. Kein Wunder, H. geht immer. Dabei hatte Görtemaker weitestgehend das zusammengetragen, was längst veröffentlicht war.
Mit Michaela Karls (Jahrgang 1971, Historikerin und Politikwissenschaftlerin) Unity-Mitford-Biographie verhält es sich ähnlich. Wer bereits ein wenig eingelesen ist in den Lebenslauf dieses exzentrischen Weibs, sieht sich hier Altbekanntem gegenüber. Und weil die familiären Zusammenhänge – Unity, genauer: Unity Valkyrie, später, nach längerem Deutschlandaufenthalt als »Unity Walküre« firmierend, hatte fünf Schwestern und einen Bruder, Schwester Jessica machte als Kommunistin Furore, Nancy reüssierte als erfolgreiche Romanautorin, Diana ehelichte den britischen Faschistenführer Oswald Mosley etc. – derart fulminant sind, findet die Hauptperson, Unity, erst ab Seite 143 überhaupt fortlaufend Erwähnung! Jedoch: Macht gar nichts. Die Autorin versteht ihr Handwerk. Das hier ist Geschichtsschreibung und ein Boulevardroman zugleich, der Titel weist auf letzteres hin: Dieses vorgebliche Zitat ist ein zusammengeschustertes Verkaufsargument. Kaum nötig, denn Fräulein Mitford, von ihren skurrilen Eltern 1913 in einem kanadischen Nest namens Swastika gezeugt, weist in ihrem kurzen Leben mehr Spleens und Abenteuer auf, als in die turbulenteste Fernsehserie passen würden.
Sie war mit Churchill, G.B. Shaw und der Brauereidynastie Guinness verwandt oder verschwägert, sie nahm ihre Ratte und ihre Blindschleiche zu Bällen der High society mit, sie flog von der Schule, böse Zungen bezichtigten sie eines ausschweifenden Sexuallebens. Nachdem Unity als Neunzehnjährige nach Deutschland gezogen war, wurde sie rasch Dauergast in den innersten Zirkeln der NSDAP.Sie ging im Hause Goebbels ein und aus, mochte Julius Streicher, Ernst »Putzi« Hanfstaengl war über Jahre ihr bester Freund. Unity war irre, aber nicht dumm: Bald beherrschte sie fließend Deutsch (mit breitem bayrischem Akzent), nahm Gesangsunterricht und ließ sich von einem Professor in höherer Mathematik unterweisen. Vor allem verehrte sie Hitler maßlos. Sie ging (wie auch sämtliche Familienmitglieder auf Besuch) nicht nur regelmäßig mit ihm essen, sie begleitete ihn zur Olympiade 1936, zu den Bayreuther Festspielen, zum Turnfest nach Breslau und zu mehreren Frankentagen, wo sie auch sprach. Die Deutschen reagierten frenetisch: »Heil Miss! Heil England!« Ob Unity wirklich eine Einflußgröße war, bleibt dahingestellt. Hitlers Anglophilie mochte durch die »nordische Schönheit« (Paul Schultze-Naumburg) zusätzlichen Schub erhalten haben. Fest steht, daß Churchill mit ihr diskutierte (nachdem sie behauptet hatte, die Österreicher wollten dringend »heim ins Reich«) und daß von britischer Seite versucht wurde, über Unity auf die deutsche Politik einzuwirken.
Interessant ist, was Karl in bezug auf Unitys angeblichen Selbstmordversuch am 3. September 1939 (eine Kugel blieb in ihrem Kopf stecken, das Fräulein war seither behindert und verstarb 1948 an den Spätfolgen) zutage fördert. Sie hat sämtliche im Bayrischen Staatsarchiv lagernden Verhörprotokolle zu jenem Fall durchgearbeitet und erinnert außerdem an eine späte (1981) Zeugenaussage des Historikers (und Antaios-Autors!) Hannsjoachim W. Koch, der berichtete, wie er und seine Familie damals von der Gestapo eingeschüchtert wurden. Die Autorin hält es für möglich, daß wichtige Kreise (die Namen Ribbentrop und Heß fallen) an einer Liquidierung der »englischen Einflüstererin« interessiert waren. Ulkig ist das Fazit, mit dem diese Arbeit schließt: »Das Böse ist wandelbar und Unity Mitford ein gutes Beispiel dafür, wie sympathisch, humorvoll und hübsch es anmuten kann. Sie war das schöne Gesicht des Faschismus, ihre Geschichte zeigt, daß schreckliche Worte auch aus einem chanelrot geschminkten Mund kommen können.« Unser heutiges Problem seien »die vielen (…) Unity Mitfords, die uns tagtäglich freundlich lächelnd begegnen. Ihnen gegenüber gilt es, unsere zivilgesellschaftlichen Werte zu verteidigen (…). Wir müssen aufstehen gegen sie.«
Michaela Karls »Ich blätterte gerade in der Vogue, da sprach mich der Führer an.« kann man hier bestellen.