Horst Bredekamp: Der Behemoth. Metamorphosen des Anti-Leviathan

Eine Rezension von Konrad Gill

Horst Bre­de­kamp: Der Behe­mo­th. Meta­mor­pho­sen des Anti-Levia­than (= Carl-Schmitt-Vor­le­sun­gen,Band 1), Ber­lin: Dun­cker & Hum­blot 2016. 117 S., 24.90 €

Mit Carl Schmitt, dem in Deutsch­land immer noch weit­hin ver­fem­ten, läßt sich nach wie vor ver­läß­lich Auf­merk­sam­keit errin­gen und damit Geld ver­die­nen. Solan­ge sich immer neue Gene­ra­tio­nen von in der spät­bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen »Sci­en­ti­fic com­mu­ni­ty« sozia­li­sier­ten Nach­wuchs­de­nun­zi­an­ten an sei­ner Bril­lanz die Zäh­ne aus­bei­ßen, wird das auch so blei­ben. Die mit dem vor­lie­gen­den schma­len Büch­lein (preis­lich trotz opu­len­ter Bebil­de­rung sehr ambi­tio­niert) begon­ne­ne Schrif­ten­rei­he rei­tet auf der Bug­wel­le der anhal­ten­den Fas­zi­na­ti­on und bie­tet in ihrem ers­ten Band eine Bild- und Deu­tungs­ge­schich­te des Behe­mo­th, also der dem Levia­than par­al­le­li­sier­ten mons­trö­sen Nil­pferd-Figur, die in der Bibel nur ein­mal, dafür aber aus­führ­lich beschrie­ben wird (Hiob 40,15–24). Luther war sie sinn­bild­lich »die Gewalt und Macht des Teu­fels und sei­nes Gesinds«; ob die Bibel­stel­le wirk­lich eine sym­bo­li­sche Lesung her­aus­for­dert, ist fraglich.

Bre­de­kamp folgt dem Gang der Inter­pre­ta­tio­nen von Hob­bes, der den Behe­mo­th als die unkon­trol­lier­ba­re Gewalt des Bür­ger­kriegs im Gegen­satz zur kon­trol­lier­ten Gewalt staat­li­cher Sou­ve­rä­ni­tät (Levia­than) ver­stand, bis in die Gegen­wart, wo jüngst (2014/2015) Film­re­gis­seu­re das tel­luri­sche Mons­trum nicht nur als Gegen­macht zum Mee­res­un­ge­heu­er Levia­than (Land gegen Meer) prä­sen­tier­ten, son­dern auch als sich selbst zer­stö­ren­des Pro­dukt der Implo­si­on staat­li­cher Macht.

Mit dem The­ma die­ses bebil­der­ten Essays hat der Autor sich schon mehr­fach befaßt, die wesent­li­chen Gedan­ken (und For­mu­lie­run­gen) fin­den sich bereits u.a. in einem Auf­satz für die Zeit­schrift Levia­thanaus dem Jahr 2009, ohne daß dies aus dem biblio­gra­phi­schen Anhang deut­lich wür­de. Für die vor­lie­gen­de Fas­sung wur­de der Text sicht­lich aktua­li­siert und aus­ge­wei­tet. Der an Schmitts staats­recht­li­chem Den­ken und des­sen geis­ti­gem Umfeld inter­es­sier­te Leser kann im ent­schei­den­den vier­ten Kapi­tel (Fuß­no­ten!) man­chen nütz­li­chen Hin­weis fin­den. Anre­gend (erneut) zu lesen ist, wie Bre­de­kamp her­aus­ar­bei­tet, daß Schmitt durch die Schluß­vi­gnet­te sei­nes Buches Der Levia­than in der Staats­leh­re des Tho­mas Hob­bes (1938) des­sen Fazit gut ver­steckt ins Gegen­teil ver­kehr­te. Im übri­gen, eher sym­bol­his­to­risch ori­en­tier­ten Text sei­en Hin­wei­se auf den Anti­im­pe­ria­lis­ten Tho­mas Bla­ke und auf Stein­fi­gu­ren an der Kathe­dra­le von Sant­ia­go de Com­pos­te­la her­vor­ge­ho­ben. Die­se the­ma­ti­schen Ellip­sen zei­gen jedoch nur, daß der Behe­mo­th und sei­ne Bezü­ge zu Schmitt allein selbst für eine so schma­le Buch­pu­bli­ka­ti­on wenig ergie­big waren.

Es wird sich zei­gen, ob die Rei­he der Carl-Schmitt-Vor­le­sun­gen sich über künf­ti­ge Jah­re hin­weg zum über­flüs­si­gen Regal­me­ter­ver­brau­cher oder zur sub­stan­ti­el­len Berei­che­rung der Schmitt-For­schung ent­wi­ckelt. Nach Bre­de­kamps Bänd­chen ist noch alles mög­lich. Ent­schei­dend wird der Mut der her­aus­ge­ben­den Carl-Schmitt-Gesell­schaft sein, den behag­li­chen, unge­fähr­li­chen Bereich zu ver­las­sen, den ihre Jah­res­ga­ben mit The­men wie »Carl Schmitt pri­vat in Ber­lin. Adres­sen, Woh­nun­gen, [sic!] und Gäs­te« vor­ge­ben. Die Vor­le­sung des Jah­res 2016 (Bab­e­row­ski: »Die rus­si­sche Revo­lu­ti­on und die Ursprün­ge der sou­ve­rä­nen Dik­ta­tur«) dürf­te zumin­dest ein Aus­wei­chen in die unge­fähr­li­chen Berei­che der Sym­bol­kun­de und Kul­tur­ge­schich­te nicht mehr zulassen.

Horst Bre­de­kamps Der Behe­mo­th kann man hier bestel­len. 

 

 

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