Wilhelm Imkamp: Geradeaus quergedacht

Wilhelm Imkamp: Geradeaus quergedacht, Aachen: Bernardus 2016. 144 S., 11.80 €

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Ein Geist­li­cher, der als »PR-Mann Got­tes« titu­liert wird (und sich das gern gefal­len läßt), ein betont kecker Buch­ti­tel, näm­lich Gera­de­aus quer­ge­dacht: Was oder wen asso­zi­ie­ren wir damit? Klar, einen katho­li­schen Popu­lis­ten vom Schla­ge des spi­ri­tu­ell beseel­ten Best­sel­ler­mön­ches Anselm Grün oder des »Rock my Soul«-Geistlichen Not­ker Wolf. Typen, die frag­los bes­ser sind als ihre pro­tes­tan­ti­schen Pen­dants, aber … Geschmacks­sa­che! Nun ver­hält es sich mit Prä­lat Wil­helm Imkamp deut­lich anders.

Imkamp, Jahr­gang 1951, ist seit 1988 Wall­fahrts­di­rek­tor des baye­risch-schwä­bi­schen Pil­ger­or­tes Maria Ves­per­bild, zudem ist er Kon­sul­tor der päpst­li­chen Selig-und Hei­lig­spre­chungs­kon­gre­ga­ti­on. Sein nun vor­lie­gen­des Büch­lein beinhal­tet 37 Inter­views (von 1988 bis 2015), die diver­se Pres­se­leu­te mit Imkamp führ­ten. Aber, Ach­tung: Dies ist alles ande­re als eine Buch­bin­der­syn­the­se! Es han­delt sich hier­bei um nahr­haf­tes­te Essenz, und zwar auch für alle, die a) mit ihrer Kir­che rin­gen, b) den Aus­tritt bereits erklärt haben, c) die katho­li­sche Kir­che schon immer für einen ver­lo­ge­nen Zeit­geist­ver­ein erklärt haben. Imkamp lie­fert Sub­stanz, und wie! Sogar in den harm­los beüber­schrif­te­ten Gesprä­chen mit den ihm hei­mi­schen Mit­tel­schwä­bi­schen Nach­rich­ten (»Wie ste­hen sie zu guten Vor­sät­zen zum Jahreswechsel?«,»Wieviel Luxus braucht der Mensch?«), erst recht in den anspruchs­vol­len Inter­views mit Mar­tin Mose­bach und Lorenz Jäger – Imkamp, der druck­reif spricht und sou­ve­rän sowohl den Zeit­geist kennt als auch über die 2000jähige Kir­chen­ge­schich­te ver­fügt, ist ein Glau­bens­leh­rer ers­ter Güte. Er sieht ganz klar die Mise­re: daß die katho­li­sche Kir­che (»Sys­tem­ka­tho­li­zis­mus«) in Deutsch­land, »gestreßt vom Gesin­nungs­ter­ror vie­ler theo­lo­gi­scher Aus‑, Fort- und Wei­ter­bil­dungs­an­stal­ten« heu­te mehr Abbild als »Sau­er­teig« der Gesell­schaft ist.

Die pro­mi­nen­ten Ver­tre­ter die­ser Kir­che, die­sem »selbst­re­fe­ren­ti­el­len Leer­lauf­be­trieb«, »schei­nen die Klar­heit eben­so zu scheu­en wie frü­her der Teu­fel das Weih­was­ser.« Nun haben wir es bei Imkamp den­noch mit einem völ­lig unauf­ge­reg­ten Got­tes­mann zu tun – mehr mit einem Wei­sen als mit einem Erzürn­ten. Erhel­lend ist nicht zuletzt, mit­tels der hier abge­druck­ten Gesprä­che die hei­ßen Dis­kus­sio­nen über 27 Jah­re hin­weg zu ver­fol­gen. Wie Imkamp bereits 1988 (da zähl­te die durch ihn betreu­te Wall­fahrts­kir­che 20000 abge­leg­te Beich­ten im Jahr!) die Selek­ti­on von Tat­sa­chen in den Mas­sen­me­di­en auf’s Korn nahm! Wie er sich den Fra­gen nach der Mari­en­ver­eh­rung (typi­sches Kla­ge­weib: »mich engt die Domi­nanz von Maria irgend­wo ein«) und der Frau­en­or­di­na­ti­on im Zeit­al­ter des katho­li­schen Femi­nis­mus stellt! Wie der Prä­lat den Befind­lich­kei­ten jener Leu­te begeg­net, die sich (ob als prak­ti­zie­ren­de Homo­se­xu­el­le, wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne et cete­ra) »vor den Kopf gesto­ßen füh­len«: Auch Jesus habe die Leu­te vor den Kopf gesto­ßen, und wie!

Her­vor­ra­gend sind über die Jah­re hin­weg Imkamps Ein­las­sun­gen zu den »Spie­ßern«, zu jenen also, die krampf­haft um gesell­schaft­li­che Akzep­tanz bemüht sind; er hat den Ter­mi­nus der bejam­mern­swer­ten »Cle­ri­cal cor­rect­ness« geprägt. Imkamp wird nicht müde, das non­kon­for­mis­ti­sche Poten­ti­al des Katho­li­schen zu bemü­hen: Wer »rich­tig katho­lisch« sei, sei nie­mals »intel­lek­tu­ell abge­schlafft«. Allein, weil er sei­nen Glau­ben dau­ernd ver­tei­di­gen müsse!

Wie geht all das: die Inqui­si­ti­on ver­tei­di­gen, den Opfer­ge­dan­ken als anthro­po­lo­gisch »immer rich­tig« nen­nen, der Sys­tem­kir­che ein Lavie­ren zwi­schen »puber­tä­rem Über­mut und prä­se­ni­ler Wei­ner­lich­keit« zu attes­tie­ren – und trotz all die­sem har­ten Tobak gütig und gnä­dig zu wir­ken? Imkamp kann es. Er pflegt weder The­ra­pie­jar­gon noch Zorn­got­tes­spra­che. Den hier ver­sam­mel­ten Tex­ten ist gemein, daß sie weder zu leicht oder betu­lich noch zu schwer oder zu theo­lo­gisch-theo­re­tisch sind. Sie sind eine Rüs­tung und ein Segen!

Wil­helm Imkamps Gera­de­aus quer­ge­dacht kann man hier bestel­len .

 

 

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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