Johannes Tröger: Kulturkritik und Utopie. Das Denken rechter katholischer Intellektueller in Deutschland und Großbritannien 1918–1939, Paderborn: Schöningh 2016. 232 S., 39.90 €
Die Ideengeschichte verzeichnete in den letzten Jahren nicht nur in den Geschichtswissenschaften Konjunktur. Ein Indiz für diesen Aufwind sind die Gründung und der Erfolg der Zeitschrift für Ideengeschichte, die im Münchner Beck-Verlag erscheint. Welchen Stellenwert, so ist zu fragen, besitzen Ideen und deren Persistenz für politisches Handeln und bezüglich staatlicher wie gesellschaftlicher Ordnung? In diese Zusammenhänge ist das methodische Vorgehen der Dissertation von Johannes Tröger einzuordnen. Er arbeitet die strukturtheoretischen Implikationen von Entwürfen einiger Intellektueller heraus, die sich der konservativ-katholischen Gedankenwelt (vornehmlich der Zwischenkriegszeit) verpflichtet fühlten. Häufig werden deren eigentlich genuine Ansätze im Lichte des Nationalsozialismus gedeutet, was der Autor mit Recht als Verkürzung empfindet.
Tröger fragt, worin das ideen- und strukturpolitische Potenzial der entsprechenden Ansätze liegt. Eine Reihe von Denkern in Deutschland (Othmar Spann, Martin Spahn, Dietrich von Hildebrand und andere) und England (vor allem Gilbert K. Chesterton, Hilaire Belloc, Christopher Dawson) wird erörtert, deren Reflexionen in die Kategorie des »Dritten Wegs« eingeordnet werden können. Selbstredend sind die betreffenden Konzeptionen heterogen und grenzen sich partiell sogar voneinander ab.
Herausragend ist das Gedankengebäude von Spann, dessen distributionstheoretisch-antikapitalistische Grundlagen sich von freier Marktwirtschaft wie sozialistischen Systemen gleichermaßen unterscheiden. Der so umstrittene Wiener Gelehrte, dem auch von katholischer Seite oft Kollektivismus vorgeworfen wurde, lieferte die Basis für eine berufsständische Ordnung. Weiter stammten von katholischen Wissenschaftlern verschiedene Visionen vom künftigen Reich, die heute meist im Kontext des Dritten Reichs interpretiert werden, freilich zumeist aber einen Bezug zum untergegangenen Alten Reich herstellen wollten.
Interessant ist auch der Blick auf hierzulande weniger bekannte Theoretiker wie Belloc. Er präsentierte autoritäre Ansichten vor dem Hintergrund einer stabilen liberalen Tradition, was ihn auf der britischen Insel zum Außenseiter abstempelte. Daß es der Autor einer nicht nur methodisch vorzüglichen Abhandlung im Schlußkapitel wagt, die längst zum Dogma geronnene Annahme vom »Ende der Geschichte«, die auf dem Einfrieren der seit 1945 dominanten ideenpolitischen Ansichten in Europa besteht, wenigstens vorsichtig im Hinblick auf mögliche Alternativen zu hinterfragen, macht Mut.
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