Robert B. Reich war Arbeitsminister unter Bill Clinton, ist heute Politikprofessor und schreibt seit einigen Jahren ein Buch nach dem anderen über den »oligarchischen Kapitalismus amerikanischer Prägung«. Seine Sorge, so betont er in seinem neuesten Buch, ist es, daß sich als Reaktion auf das heutige System der Begünstigung der Reichen eine »nationalistische Revolte« entwickeln könnte, die sich »bequeme Sündenböcke« sucht. Diese Gefahr sieht er ausdrücklich nicht nur für die USA, sondern auch für Deutschland und Europa.
Um dieses Szenario zu verhindern, sollte sich die breite Mittelschicht, die immer stärker in eine »Erwerbsarmut« abstürze, zu einer Gegenkraft zusammenschließen, die der Wall Street, den Großkonzernen und Lobbyisten auf den Korridoren der Mächtigen Paroli bieten kann, schlägt Reich vor. Das passende Programm für diese machtlose gesellschaftliche Mitte, die unter sinkenden Löhnen leide, sich aber bisher aufgrund eines allgemeinen Gemeinschaftsverlustes nicht dagegen wehren könne, hat er auch schon parat: Ohne es so zu bezeichnen, laufen seine Vorschläge auf eine alternative Sozialdemokratie hinaus.
Reich wünscht sich ein bedingungsloses Grundeinkommen, aber vor allem geht es ihm um neue Marktregeln für den Kapitalismus, um die »Vorabverteilung an die Reichen« durch ein ungerechtes Eigentums‑, Vertrags‑, Kartell- und Insolvenzrecht sowie die fehlende Durchsetzungsmacht des Staates gegenüber der Wirtschaft zu stoppen. Ganz offen betont er dabei, daß dies eine neue »establishmentfeindliche« Partei umsetzen müsse, sollten sich die Demokraten und Republikaner nicht entsprechend bewegen.
Genau das geschieht in Europa bereits seit einigen Jahren. Abgesehen von Spanien mit der »Podemos«-Bewegung kommen die Anti-Establishment-Parteien jedoch von rechts und punkten bereits jetzt bei der von Reich beschriebenen Schicht der Erwerbsarmen ganz außerordentlich, obwohl sie ihre Programme noch nicht einmal für diese Zielgruppe optimiert haben. Vielleicht ist dieses Buch deshalb für den einen oder anderen von größtem Interesse, weil der Autor einen Weg aufzeigt, die ideologische Debatte über »freien Markt« und sich einmischenden Staat als unnütz zu erkennen. Statt dessen müsse es darum gehen, den Markt durch kluge politische Weichenstellungen so zu organisieren, daß die Mittelschicht einen Anreiz hat, sich anzustrengen und wirtschaftliche Sicherheit zu erreichen. Diesen pragmatischen Ansatz illustriert Reich mit zahlreichen, gut gewählten Beispielen aus unterschiedlichen Branchen und Politikbereichen. Die europäischen Rechtsparteien könnten sich hier durchaus eine Scheibe abschneiden, um etwa Konzepte gegen die Übermacht der Großunternehmen des Lebensmitteleinzelhandels zu entwickeln.
Das hört sich jetzt womöglich zweitrangig an, so mühsam ist aber nun einmal Politik – vorausgesetzt, man will im System Veränderungen bewirken. Wer anderes vorhat, kann auf die Lektüre dieses Buches dagegen verzichten.
Robert Reichs Rettet den Kapitalismus kann man hier bestellen.