Vor zwei Jahren legte der Publizist Michael Beleites (Jg. 1964) mit Umweltresonanz ein umfangreiches Werk vor, das sich nicht weniger als die Widerlegung der Selektionstheorie vorgenommen hatte. Der reduktionistischen Biologie, die in der Natur nur dieses eine Prinzip walten sieht, setzte er die organismische Biologie entgegen, die die Organismen in den Zusammenhang des Ökosystems stellt und von dorther eine neue Sicht auf die Variabilität der Arten gewinnt. Beleites leitet zudem politische Konsequenzen aus seiner biologischen These ab, die über den wissenschaftlichen Anspruch des Buches hinausgehen. Diesen Aspekt hat Beleites jetzt in eingängiger Form und an praktischen Beispielen erläutert in einem schmalen Band zusammengefaßt, so daß auch der Leser, der sich nicht in die Tiefen der biologischen Prozesse vorwagen möchte, den Wert der Thesen prüfen kann.
In Land-Wendesteht die politische Konsequenz aus der organismischen Biologie im Mittelpunkt: Raus aus der Wettbewerbsfalle! Diese ist, so Beleites, wenn auch nicht auf das darwinistische Denken zurückzuführen, so doch von daher nachträglich legitimiert worden. Wenn in der Natur ein Verdrängungswettbewerb herrscht, so könne es beim Menschen »natürlich« nicht anders sein. Das ist aber nur einer der Angriffspunkte von Beleites, der auch die Reihe klassischer Einwände gegen das Wachstumsdenken (die begrenzte Erde, Quantität versus Qualität) nicht unerwähnt läßt.
Die Landwirtschaft ist als zentrales Beispiel naheliegend, da sie die Basiswirtschaft jeder menschlichen Kultur ist und sich an ihr gut demonstrieren läßt, daß der Wettbewerb ein falsches Leitbild ist. Das aus diesem folgende »Wachsen oder Weichen« führt zum bekannten Höfe-Sterben, zu Monokulturen, zur Verseuchung der Lebensmittel mit Pestiziden und Antibiotika, letztendlich zur Entfremdung des Menschen von der Natur, was Beleites als Desintegration des Menschen bezeichnet.
Wie sieht seine Lösung aus? Zunächst liegt die Minimierung von Agrochemikalien nahe, die langfristig die Böden verseuchen und den Profit der Industrie mehren, was über eine Besteuerung dieser Chemikalien erreicht werden könnte. Sinnvoll sei das aber nur, so Beleites, wenn gleichzeitig die Betriebe durch die Verbindung von Tierhaltung und Pflanzenanbau wieder die Möglichkeit schafften, selbst ihren Dünger zu produzieren. Bei Pflanzen und bei Tieren muß zu einer ganzheitlichen und artgerechten Züchtung gefunden werden, so daß man Arten züchtet, bei denen nicht zugunsten eines Merkmals die restlichen völlig degeneriert sind. Der Hebel, um all das zu befördern, wäre eine ersatzlose Abschaffung der Agrarsubventionen, die, so hofft Beleites, langfristig eine Nahrungssouveränität und Wertschätzung der Nahrung (und natürlich des Bauernstandes) nach sich ziehen könnte.
Beleites geht es nicht um eine Ökolandwirtschaft, die mittlerweile selbst industrielle Züge ausbildet, sondern um eine generationenübergreifende »Permakultur«, die ihre Grundlage in einer großen Anzahl von Selbstversorgerhöfen haben müßte. Den Staat nimmt Beleites dabei als Förderer dieser Lebensweise in die Pflicht, indem er vorschlägt, Selbstversorgern Land und ein Grundeinkommen zur Verfügung zu stellen. Letztlich geht es ihm um einen ganzheitlichen Ansatz, der sich nicht auf Aussteiger beschränken kann und ein radikales Umdenken von allen erfordert. Letztlich wird die Frage lauten, unter welchen politischen Bedingungen das möglich wäre.
Michael Beleites Land-Wende kann man hier bestellen.