Régis Debray: Lob der Grenze

Régis Debray: Lob der Grenze (= laika diskurs, Bd. 16), Hamburg: LAIKA Verlag 2016. 64 S., 9.80 €

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Daß es den Völ­kern die­ser Erde bes­ser gehen wür­de, wür­fe man über Nacht alle Gren­zen über Bord, ist eine »dum­me Idee«. Das schreibt Régis Debray im vor­lie­gen­den Bänd­chen, des­sen fran­zö­si­sche Ori­gi­nal­fas­sung bereits sechs Jah­re vor dem aktu­ell gras­sie­ren­den »Refugees-Welcome«-Wahn ent­stand. Der unkon­ven­tio­nel­le lin­ke Phi­lo­soph, einst Bera­ter von Fran­çois Mit­te­rand, hat recht mit die­ser Fest­stel­lung. Man soll­te ergän­zen, daß die Idee nicht nur aus­ge­spro­chen naiv ist, son­dern zugleich auch aus­ge­spro­chen west­eu­ro­pä­isch. Denn außer­halb unse­res Halb­kon­ti­nents ist der »Ohne-Gren­zis­mus« (Debray) kaum ver­brei­tet. Wie­so auch? Die­se Ideo­lo­gie ver­wirft die Exis­ten­zen auto­nom han­deln­der Staa­ten und Natio­nen als sol­che, denn es negiert die Rea­li­tät gewach­se­ner Struk­tu­ren, leug­net die Exis­tenz von »Innen« und »Außen«, ima­gi­niert eine Bor­der­less world.

Debray zeigt, daß die­se Vor­stel­lung einer gren­zen­lo­sen Welt mes­sia­ni­schen Cha­rak­ter trägt: Natio­na­le, kul­tu­rel­le und nor­ma­tiv gesetz­te Gren­zen sol­len gesprengt wer­den, um die finale»Vermählung mit dem glo­bal mar­ket-place« zu voll­zie­hen. Er schil­dert den »Ohne-Gren­zis­mus« daher als öko­no­mis­tisch, abso­lu­tis­tisch und impe­ria­lis­tisch, als ein huma­ni­tär ver­klei­de­tes Täu­schungs­ma­nö­ver; die his­to­ri­schen Gren­zen hin­ge­gen als kul­tur­schaf­fend, wer­te­för­dernd und als »Gegen­gift gegen die Gleich­gül­tig­keit«, als »Schutz des Leben­di­gen«. Der kur­ze phi­lo­so­phi­sche Streif­zug durch die Geschich­te der Bedeu­tung von Gren­zen ist lite­ra­risch auf anspre­chen­dem Niveau, in der Argu­men­ta­ti­on über­zeu­gend und infor­ma­tiv. Indes: Er hält für den kon­ser­va­ti­ven Leser kei­ner­lei Neu­ig­keits­wert parat. Das Buch erscheint daher fol­ge­rich­tig in einem radi­kal lin­ken Ver­lag. Denn sei­ne Kli­en­tel dürf­te Ent­spre­chen­des zum ers­ten Mal ver­neh­men und ob des Lobs der Gren­ze durch­aus ver­blüfft zurückbleiben.

Régis Debrays Lob der Gren­ze kann man hier bestel­len.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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