Till Zimmermann ist Rechtswissenschaftler, Nikolas Dörr Politologe. Der Grundstein des vorliegenden Buches der beiden Jungdoktoren wurde während einer, ja, Kneipenrunde im Kollegenkreis gelegt. Es sei dort der Satz gefallen, daß das eigentlich Erschütternde am Srebrenica-Massaker (1995) seine vergleichsweise »Harmlosigkeit« sei.
Harmlos? Vergleichsweise? Verglichen mit was? Darf man überhaupt vergleichen? Relativieren? Aufrechnen sogar? Die Frage nach dem Bösen, der Moral und dem »Menschheitsverbrechen« ist bekanntermaßen vertrackt. Nach welchen Kategorien, Kriterien – oder gar: nach welcher Rangliste – ein kleines Lexikon der »Bösen« erstellt werden könnte, ist kein kleines Problem. Wie könnte man die »Schwere der Schuld« gewichten? Und, so einer der zahlreichen hier vorgeführten Einwände gegen das eigene Vorhaben, hier der eines iranischen Vorab-Lesers: Osama bin Laden dürfte doch demnächst zum Posterboy und Freiheitshelden taugen, will heißen, eine ähnliche Karriere wie Che Guevara einschlagen! (Beide sind hier aufgeführt.)
Die beiden Autoren (beide Jahrgang 1979) haben solche Fragen unter notwendigen Skrupeln und mit einem »gewissen Maß an Willkür« klug (wenngleich unter behutsamen Maßgaben einer gewissen politischen Korrektheit) gelöst. Derart, daß nicht nur die einzelnen Porträts (168 an der Zahl: ausschließlich Männer!), sondern bereits die Einführung äußerst lesenswert sind. Letztlich hat man entlang geläufiger juristischer Verbrechensdefinitionen klassifiziert und bewertet. Sortiert wird nach Geburtsjahrgang, demgemäß: von Leopold II. von Belgien bis zu Mohammed Atta. Für die elf Verbrechensformen, die in dieser »Hall of Shame« anklagt werden, hat man Symbole entworfen, die im Stil einer »Deklarierung« unter den Namen der »Bösen« aufgeführt werden.
Adolf Hitler beispielsweise wird als Großmeister des Bösen zehn dieser Verbrechen (unter anderem »Völkermord«, »Friedensverrat«, »Kriegsverbrechen«, »Racketeering«, d.i. organisiertes Gangstertum) bezichtigt, allein die Kategorie »Drogenhandel« bleibt hier aus. Unter Maos Namen (Schuldkonto: über 20 Millionen Tote) finden sich nur drei Symbole, weniger als beispielsweise unter Al Capone und dem amerikanischen Präsidenten und Vietnamkämpfer Lyndon B. Johnson.
Übrigens fehlen auch Harry S. Truman und Georg W. Bush nicht, desgleichen sind auch die drei türkischen Paschas als Völkermörder aufgeführt. Interessant, daß António Salazar von seinem Volk noch 2007 als »größter Portugiese aller Zeiten« gewählt wurde, während beispielsweise der Name Enver Hoxhas aus sämtlichen staatlichen Institutionen getilgt wurde. Ein Kunststück, daß eine solch gewagte Zusammenschau nicht reißerisch geraten ist! An der winzigen Schriftgröße mögen sich müde Augen stören; Bebilderung und ein ausführliches Register dürfen hingegen als Pluspunkte dieser ausgezeichneten Arbeit gewürdigt werden. Daß einen dieses Buch deshalb gleich zu »einem glühenden Anhänger der Weltstrafjustiz« macht, wie Heribert Prantl in seinem Geleitwort schreibt, wird man indes nicht zur Hauptintention rechnen müssen.
Gesichter des Bösen von Till Zimmermann und Nikolas Dörr kann man hier bestellen.