Michael Berger: Für Kaiser, Reich und Vaterland

Eine Rezension von Stefan Scheil

Micha­el Ber­ger: Für Kai­ser, Reich und Vater­land. Jüdi­sche Sol­da­ten. Eine Geschich­te vom 19. Jahr­hun­dert bis heu­te, Zürich: Orell Füss­li Ver­lag 2016. 352 S., 24.95 €

Iro­ni­scher­wei­se liegt dem hier zu bespre­chen­den Buch ein klei­ner Ver­lags­pro­spekt bei, auf des­sen Titel­blatt der jüngst ver­stor­be­ne Ex-Kanz­ler Hel­mut Schmidt zu sehen ist. Es hät­te dem Werk gut getan, ihn auch im Text zu erwäh­nen. Das hät­te aller­dings die ent­hal­te­ne Bot­schaft gestört.

Micha­el Ber­ger, stu­dier­ter His­to­ri­ker und Offi­zier der Bun­des­wehr, akti­ves Mit­glied der Ber­li­ner jüdi­schen Gemein­de und Vor­sit­zen­der des Bun­des jüdi­scher Sol­da­ten, tritt mit beacht­li­chem Anspruch auf. Der Unter­ti­tel kün­digt eine Geschich­te »jüdi­scher Sol­da­ten« vom 19. Jahr­hun­dert bis heu­te an. Die über­zeugt nur pas­sa­gen­wei­se, denn bald stellt sich das Buch im wesent­li­chen als ver­such­te Ein­fluß­nah­me auf die Gedenk­tra­di­ti­on der Bun­des­wehr her­aus. Der Funk­tio­när Ber­ger siegt zwar nach Kampf, aber letzt­lich klar über den His­to­ri­ker Ber­ger. Einem Selbst­ver­ständ­nis der Bun­des­wehr als »eth­nisch deut­scher« Armee gibt er dabei kei­ne Zukunft.

Lan­ge Pas­sa­gen doku­men­tie­ren die Tätig­keit des von ihm gelei­te­ten Ver­ban­des, aus­führ­lich wer­den dafür die Lob­re­den anläß­lich diver­ser Preis­ver­lei­hun­gen zitiert. Fast zehn Pro­zent des Text­teils sind der fran­zö­si­schen Drey­fus-Affä­re gewid­met, die Ber­ger dann in einem mehr als gewag­ten Sprung unter dem Titel »Es gibt immer einen Drey­fus« mit dem Beschwer­de­brief eines jüdi­schen Bun­des­wehr­of­fi­ziers gleich­setzt. Des­sen Ärger über die blo­ße Betei­li­gung von Udo Stein­bach, dem frü­he­ren Lei­ter des Deut­schen Ori­ent-Insti­tuts, am Vor­wort einer Bun­des­wehr­bro­schü­re bezeich­net Ber­ger als »ver­zwei­fel­ten Kampf gegen Faschismus«.

Nicht nur an die­ser Stel­le ver­läßt den Autor das Urteils­ver­mö­gen und rut­schen die Begrif­fe in einen DDR-Jar­gon. Der Spa­ni­sche Bür­ger­krieg ist ihm ein Kampf gegen den »Hit­ler­fa­schis­mus«. Wie ein Berufs­of­fi­zier die Behaup­tung dru­cken las­sen kann, die Legi­on Con­dor hät­te dort 21 Mil­lio­nen Ton­nen Bom­ben abge­wor­fen, bleibt unklar.

Irri­tie­rend fällt auch Ber­gers Dar­stel­lung der berüch­tig­ten »Juden­zäh­lung« im deut­schen Heer im Jahr 1916 aus. All­ge­mein herrscht die Ansicht vor, die­ser Affront gegen die jüdi­schen Waf­fen­ka­me­ra­den habe sich durch die ermit­tel­ten Zah­len in sein Gegen­teil ver­kehrt, näm­lich in den Nach­weis, daß Juden ihren Dienst in der Gefah­ren­zo­ne taten wie ande­re auch. Ber­ger gibt nun an, es sei­en mit Beginn der Zäh­lung die jüdi­schen Sol­da­ten flä­chen­de­ckend aus den Front­trup­pen zurück­ge­zo­gen wor­den, um ein schlech­tes Ergeb­nis sicher­zu­stel­len. Damit zwei­felt er nicht nur die bis­her akzep­tier­ten Zah­len an, son­dern attes­tiert den kai­ser­li­chen Streit­kräf­ten eine umfas­sen­de juden­feind­li­che Ver­schwö­rung. Einen Beleg­ver­such unter­nimmt er nicht.

2003 brach­te Mark Bryan Rigg eine Stu­die über Hit­lers jüdi­sche Sol­da­ten her­aus. Ber­ger qua­li­fi­ziert sie scharf als »pseu­do­wis­sen­schaft­lich« und»skrupellos« ab. Rigg, sei­ner­seits His­to­ri­ker und Offi­zier der israe­li­schen Armee, hat­te mit gewal­ti­gem Auf­wand fast fünf­hun­dert frü­he­re Wehr­machts­an­ge­hö­ri­ge zu mög­li­chen beson­de­ren Erleb­nis­sen inter­viewt, da sie nach den NS-Ras­se­ge­set­zen als jüdisch gal­ten. Micha­el Beren­baum, Mit­be­grün­der und zeit­wei­se For­schungs­lei­ter des US-Holo­caust Memo­ri­als, bewer­te­te die­se Arbeit als Bei­spiel für ori­gi­nell kon­zi­pier­te und erfolg­rei­che Forschung.

War­um also Ber­gers Pole­mik? Hier sind wir dann bei der all­zu bun­des­deut­schen Bot­schaft, die sich durch das Buch zieht. »Wer ein Geden­ken an die Täter zuläßt, der ver­höhnt die Opfer,« läßt der Autor wis­sen. Ber­ger ist der Ansicht, Rigg hät­te in sei­ner Stu­die »Juden als Täter« erschei­nen las­sen. Davon war bei Rigg kei­ne Rede, ganz im Gegen­teil. Die­se Mei­nung ist ein Resul­tat der Vor­ur­teils­welt des Bun­des­wehr­of­fi­ziers Micha­el Ber­ger, der die Wehr­macht als kol­lek­tiv­schul­di­ge Täter­or­ga­ni­sa­ti­on begreift und im Prin­zip jed­we­des posi­ti­ve Geden­ken an sie aus­ge­löscht sehen will. Das hät­te er dem Wehr­machts­of­fi­zier Hel­mut Schmidt kaum ins Gesicht sagen dür­fen, der die­se seit den 1990er Jah­ren auf­ge­kom­me­ne Legen­de von der »ver­bre­che­ri­schen Wehr­macht« herz­lich ver­ach­tet hat. Übri­gens gehör­te er auch zu den von Mark Bryan Rigg Inter­view­ten – ob sei­nes jüdi­schen Großvaters.

Für Kai­ser, Reich und Vater­land von Micha­el Ber­ger kann man hier bestel­len.

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