Johannes Pauli: Legitimitätsfassade. Zur Staatlichkeit der Deutschen

Johannes Pauli: Legitimitätsfassade. Zur Staatlichkeit der Deutschen, Neustadt an der Orla: Reihe Telesma bei Arnshaugk 2015. 160 S., 18 €

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Johan­nes Pau­li, Rechts­an­walt aus der Ober­pfalz, war den 2001 ein­ge­stell­ten Staats­brie­fenHans-Diet­rich San­ders von 1990 bis 1997 eng ver­bun­den. Gemein­sam mit ande­ren Staats­brie­fe-Autoren erör­ter­te Pau­li die erneu­er­te Fra­ge nach Legi­ti­mi­tät und Sou­ve­rä­ni­tät der Bun­des­re­pu­blik. Sei­ne Legi­ti­mi­täts­fas­sa­de, deren Vor­wort der ehe­ma­li­ge Staats­brie­fe-Her­aus­ge­ber ver­faßt hat, stellt den Aus­bau älte­rer Auf­sät­ze hin zu einer sys­te­ma­ti­schen Abhand­lung von 160 eng bedruck­ten Sei­ten dar, die laut San­der einen Bei­trag dazu leis­ten kön­ne, »einen kla­ren Strich durch die­se heim­tü­cki­sche Rech­nung zu zie­hen« – die dar­in bestehe, trotz der west­li­chen Ago­nie zumin­dest Deutsch­land fort­wäh­rend niederzuhalten.

Pau­li bemüht die Klas­si­ker der deut­schen Staats­rechts­leh­re des 20. Jahr­hun­derts (Schmitt, Huber, Forst­hoff), um die Legi­ti­mi­tät deut­scher Staat­lich­keit von ihren frü­hes­ten Anfän­gen im Hei­li­gen Römi­schen Reich deut­scher Nati­on an zu ana­ly­sie­ren. »Legi­ti­mi­tät« steht dabei syn­onym für »Gerech­tig­keit«, da bei man­geln­der Legi­ti­mi­tät »ein König und sei­ne Gefolg­schaft zur ›Räu­ber­ban­de‹« wür­den. Beson­de­res Augen­merk ver­dient dabei die Reichs­grün­dung 1871 mit ihrer com­ple­xio oppo­si­torum einer mon­ar­chisch-demo­kra­ti­schen Dop­pel­le­gi­ti­ma­ti­on der Verfassung.

Im Hin­blick auf die Ereig­nis­se nach der Novem­ber­re­vo­lu­ti­on stellt Pau­li den spä­te­ren Reichs­prä­si­den­ten Ebert infol­ge sei­ner Nie­der­schla­gung der bol­sche­wis­ti­schen Umsturz­ver­su­che in der Geburts­stun­de der Wei­ma­rer Repu­blik als Patrio­ten her­aus, der sich »könig­lich bewährt« habe. Ja, die Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung sei sogar »im Grun­de die bes­te Ver­fas­sung, die Deutsch­land jemals hat­te« gewe­sen und Wei­mar immer­hin sou­ve­rän – »die BRD hin­ge­gen war und ist ein besetz­tes Elend«. Hier­an schlie­ßen sich erhel­len­de Defi­ni­tio­nen zum Demo­kra­tie­be­griff an sich (und den in der Bun­des­re­pu­blik bereits ein gutes Stück weit beschrit­te­nen Weg hin zu einer »tota­li­tä­ren Demo­kra­tie« vom Zuschnitt Rous­se­aus, in der nur der »auf­ge­klär­te« Teil des Volks den Sou­ve­rän stellt) sowie zur Stel­lung des Wei­ma­rer Reichs­prä­si­den­ten an.

Zwei Drit­tel des Buchs gel­ten indes den Vor­gän­gen seit 1945. Dar­un­ter sind Über­le­gun­gen zur staat­li­chen Wesen­heit der Bun­des­re­pu­blik unter Besat­zung durch die Sie­ger­mäch­te, wie sie bis in die 1960er Jah­re hin­ein von west­deut­scher Sei­te in bezug auf die DDR ange­stellt wur­den. Unter Rück­griff auf Hans Her­bert von Arnim erläu­tert Pau­li die Rechts­an­sicht, daß das Grund­ge­setz als Fun­da­ment der FDGO nicht legi­ti­miert sei, eben­so wie den Unter­schied zwi­schen geschrie­be­ner und Real­ver­fas­sung im Sin­ne einer »Demo­kra­tie ohne Volk«. Des­glei­chen will der Autor mit Illu­sio­nen über die Arbeit von Ver­fas­sungs­schutz und Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt auf­räu­men: Bei­de hät­ten sich bei der »Umwand­lung der BRD in einen ten­den­zi­ell tota­li­tä­ren Par­tei­en- und Gesin­nungs­staat« in unrühm­li­cher Wei­se her­vor­ge­tan, wofür Pau­li ver­schie­de­ne Fäl­le von 1993 bis 2012 referiert.

Ins­ge­samt lie­fert Pau­lis Werk eine Fül­le von Ein­bli­cken in die staats- und ver­fas­sungs­recht­li­chen Wirk­me­cha­nis­men der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, auch wenn sei­ne Fol­ge­run­gen in ihrer Sys­te­ma­tik teils radi­kal erschei­nen. Denk­wür­dig ist vor allem die Fest­stel­lung, daß auch das GGnach stren­ger Aus­le­gung kei­nen Ewig­keits­an­spruch hat, sobald das deut­sche Volk als Sou­ve­rän wil­lens ist, sich eine neue Ver­fas­sung zu geben.

Legi­ti­mi­täts­fas­sa­de. Zur Staat­lich­keit der Deut­schen von Johan­nes Pau­li kann man hier bestel­len.

 

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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