Johannes Pauli, Rechtsanwalt aus der Oberpfalz, war den 2001 eingestellten StaatsbriefenHans-Dietrich Sanders von 1990 bis 1997 eng verbunden. Gemeinsam mit anderen Staatsbriefe-Autoren erörterte Pauli die erneuerte Frage nach Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik. Seine Legitimitätsfassade, deren Vorwort der ehemalige Staatsbriefe-Herausgeber verfaßt hat, stellt den Ausbau älterer Aufsätze hin zu einer systematischen Abhandlung von 160 eng bedruckten Seiten dar, die laut Sander einen Beitrag dazu leisten könne, »einen klaren Strich durch diese heimtückische Rechnung zu ziehen« – die darin bestehe, trotz der westlichen Agonie zumindest Deutschland fortwährend niederzuhalten.
Pauli bemüht die Klassiker der deutschen Staatsrechtslehre des 20. Jahrhunderts (Schmitt, Huber, Forsthoff), um die Legitimität deutscher Staatlichkeit von ihren frühesten Anfängen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation an zu analysieren. »Legitimität« steht dabei synonym für »Gerechtigkeit«, da bei mangelnder Legitimität »ein König und seine Gefolgschaft zur ›Räuberbande‹« würden. Besonderes Augenmerk verdient dabei die Reichsgründung 1871 mit ihrer complexio oppositorum einer monarchisch-demokratischen Doppellegitimation der Verfassung.
Im Hinblick auf die Ereignisse nach der Novemberrevolution stellt Pauli den späteren Reichspräsidenten Ebert infolge seiner Niederschlagung der bolschewistischen Umsturzversuche in der Geburtsstunde der Weimarer Republik als Patrioten heraus, der sich »königlich bewährt« habe. Ja, die Weimarer Reichsverfassung sei sogar »im Grunde die beste Verfassung, die Deutschland jemals hatte« gewesen und Weimar immerhin souverän – »die BRD hingegen war und ist ein besetztes Elend«. Hieran schließen sich erhellende Definitionen zum Demokratiebegriff an sich (und den in der Bundesrepublik bereits ein gutes Stück weit beschrittenen Weg hin zu einer »totalitären Demokratie« vom Zuschnitt Rousseaus, in der nur der »aufgeklärte« Teil des Volks den Souverän stellt) sowie zur Stellung des Weimarer Reichspräsidenten an.
Zwei Drittel des Buchs gelten indes den Vorgängen seit 1945. Darunter sind Überlegungen zur staatlichen Wesenheit der Bundesrepublik unter Besatzung durch die Siegermächte, wie sie bis in die 1960er Jahre hinein von westdeutscher Seite in bezug auf die DDR angestellt wurden. Unter Rückgriff auf Hans Herbert von Arnim erläutert Pauli die Rechtsansicht, daß das Grundgesetz als Fundament der FDGO nicht legitimiert sei, ebenso wie den Unterschied zwischen geschriebener und Realverfassung im Sinne einer »Demokratie ohne Volk«. Desgleichen will der Autor mit Illusionen über die Arbeit von Verfassungsschutz und Bundesverfassungsgericht aufräumen: Beide hätten sich bei der »Umwandlung der BRD in einen tendenziell totalitären Parteien- und Gesinnungsstaat« in unrühmlicher Weise hervorgetan, wofür Pauli verschiedene Fälle von 1993 bis 2012 referiert.
Insgesamt liefert Paulis Werk eine Fülle von Einblicken in die staats- und verfassungsrechtlichen Wirkmechanismen der Bundesrepublik Deutschland, auch wenn seine Folgerungen in ihrer Systematik teils radikal erscheinen. Denkwürdig ist vor allem die Feststellung, daß auch das GGnach strenger Auslegung keinen Ewigkeitsanspruch hat, sobald das deutsche Volk als Souverän willens ist, sich eine neue Verfassung zu geben.
Legitimitätsfassade. Zur Staatlichkeit der Deutschen von Johannes Pauli kann man hier bestellen.