Meine Herren, was für ein suchmaschinenoptimierter Titel! Tatsächlich aber hat sich Martin Voigt unter sprachwissenschaftlichen und soziologischen Gesichtspunkten mit der Kommunikation von Schulmädchen in Internet-Netzwerken beschäftigt. Daß der »virtuelle Pausenhof« alles andere als ein akademischer Nebenschauplatz ist, wird rasch deutlich. Heutige Schulmädchen (die Gruppe der Zwölf- bis 16-jährigen) sind ständig online, und zwar in den seltensten Fällen, um die Deklamation eines Gedichts einzuüben oder politische Kommentare abzurufen, sondern: um innerhalb einschlägiger elektronischer Netzwerke zu schwatzen, zu teilen, zu mögen.
Einen hohen Stellenwert in der Kommunikation nimmt die überbordende Inszenierung der intimen Freundschaft zu einer je »allerbesten Freundin« ein. Voigt hat dieses Verhalten im Netz über viele Jahre (etwa seit 2003; Voigt selbst ist Jahrgang 1984) genau beobachtet. Er kennt die Standardphrasen (»luv ya; du bedeutest mir sooo viiieel!!!«) und ihren modischen Wechsel. Er hat zighundert Kulleraugen- und Schmollschnütchenselfies gesehen, photogen frisierte Dekolletes, er kennt Tränenmotive, Armritzbildchen und das notorische Gleisbettmotiv: Mädchen, die sich auf Schienen photographieren, schinante X‑Beine machen und dazu eine tränenverzierte Botschaft (Muster: nothing can tear us apart) in den Äther schicken: gerichtet an die »AFFL«, die Allerbeste Freundin für’s Leben.
Voigt skizziert die (europaweit) standardisierte und an Pathos zunehmende Entwicklung der Schulmädchenkommunikation im Netz. 2003 war der Tonfall noch distanzierter und meist auf konkrete Fragen (Hausaufgaben etc.) bezogen. Ab etwa 2007 (da wurde die Onlinepräsenz der gesamten Klasse, etwa bei SchülerVZ virulent) wurde ein dualer »Wir«-Ton mit artikulierten Liebesbotschaften (»daß ich dich soo sehr lieb hab!!!) im Online-Sozialverhalten gängig.
Zum Ende der Sommerferien 2010 hatte Facebook die Oberhand über andere Netzwerke gewonnen, und der Austausch von (kaum unterschwellig) sexuell inszenierten Photos nahm an Fahrt auf. Laut Voigt ist es ein geradezu streng begrenztes Repertoire an Botschaften, das zur Veröffentlichung kommt. Je ausschließlicher ihre Gleichaltrigenorientierung sei, desto sicherer wollten die Mädchen gehen, daß ihre Performanz dem Geschmack der Bezugsgruppe entspräche.
Der Darstellung der phänomenologischen Basis läßt Voigt eine Interpretation des Materials folgen. Der Autor faßt die narzisstisch anmutenden Selbstdarstellungen im Rahmen eines sexualisierten Schönheitsideals, die symbiotischen Mädchenfreundschaften nach standardisiertem Muster mit ihrer Gefühlskommunikation als »Schulmädchensyndrom« zusammen. Woher rührt’s? Eine Ursache sei die allgemeine familiäre Erosion, eine weitere die zunehmende außerhäusliche Ganztagsbetreuung; hinzu komme der notorische Distanzverlust zu den Medien.
#Einschlägige Serien wie »How I met your Mother« pflanzten sich in das Bewußtsein auch solcher Mädchen ein, die eine sichere Elternbindung und ein »gesundes Schamgefühl« hätten. Hinzu kämen bundesamtlich geförderte Aufklärungsschriften wie solche von Pro familia, die offen zum Ausprobieren sexueller Abenteuer »ohne Romantik« einlüden.
Voigts Arbeit ist harter Tobak. Als Feldstudie steht sie für sich. Daß der Verfasser als flankierende Literatur Autoren wie Gordon Neufeldt, Birgit Kelle, Christa Meves und Gabriele Kuby heranzieht, zeigt, mit welchen Wassern er gewaschen ist. Es sind jedenfalls keine verunklarenden. Was es mit einem 31jährigen Mann macht, der seit Jahren über sexualisierter Mädchenstilisierung sitzt – hoffentlich und vermutlich ausschließlich Gutes! Ende 2015 wurde Voigt für sein Wirken in punkto Mädchenkommunikation der Gerhard-Löwenthal-Preis für Journalisten der Wochenzeitung Junge Freiheit verliehen.
Mädchen im Netz. Süß, sexy und immer online von Martin Voigt kann man hier bestellen.