Christophe Fricker (Hrsg.): Ernst Jünger – André Müller

Christophe Fricker (Hrsg.): Ernst Jünger – André Müller. Gespräche über Schmerz, Tod und Verzweiflung, Köln u.a.: Böhlau 2015. 234 S., 24.90 €

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Der Jour­na­list André Mül­ler (1946–2011) ist durch sei­ne Inter­views bekannt gewor­den. Seit den sieb­zi­ger Jah­ren hat­te er sich dar­auf spe­zia­li­siert, berühm­ten Zeit­ge­nos­sen mit uner­bitt­li­chen Fra­gen auf den Leib zu rücken. Mül­ler konn­te die­se Inter­views in gro­ßen Tages- und Wochen­zei­tun­gen, aber auch Maga­zi­nen wie Play­boy oder dem Spie­gel unter­brin­gen. Der ein oder ande­re Skan­dal folg­te dar­aus. So mach­te Claus Pey­mann, damals Inten­dant des Wie­ner Burg­thea­ters, aus sei­ner Ver­ach­tung für eini­ge Per­so­nen kei­nen Hehl, was ent­spre­chen­de Reak­tio­nen zur Fol­ge hat­te. Oder Hans-Jür­gen Syber­berg, der Mül­ler zum Duell for­dern wollte.

Bei sei­nen Gesprä­chen mit Ernst Jün­ger ist bei Mül­ler dage­gen offen­bar ech­te Sym­pa­thie im Spiel, die bald auch von Jün­ger erwi­dert wird. Die drei Gesprä­che, die Mül­ler mit Jün­ger führ­te, fan­den 1989, 1990 und 1993 in Wilf­lin­gen und Mün­chen (in der Woh­nung von Jün­gers Nef­fen) statt, zwei erschie­nen in der Zeit. Dar­über hin­aus stan­den bei­de in Brief- und Tele­fon­kon­takt und tra­fen sich gele­gent­lich. Die Brie­fe, Tele­fo­na­te (als Notiz oder Anruf­be­ant­wor­ter­spruch) und vor allem die wört­li­chen Tran­skrip­te der Inter­views lie­gen jetzt gesam­melt vor. Jün­ger zeigt sich dar­in als hell­wa­cher Gesprächs­part­ner, der aller­dings auf vie­le Fra­gen Mül­lers recht ein­sil­big antwortet.

Im Band wird zwar gezeigt, mit wel­cher Akri­bie Mül­ler die Tran­skrip­tio­nen bear­bei­tet hat, um die Druck­fas­sun­gen zu erstel­len – die Druck­fas­sun­gen selbst sind jedoch nicht doku­men­tiert. Dabei zeigt gera­de der Ver­gleich, daß Mül­ler aus dem Roh­ma­te­ri­al des Gesprächs etwas ganz Neu­es geschaf­fen hat. Er konn­te sich dabei des Ver­trau­ens von Jün­ger offen­bar gewiß sein, da er die Druck­fas­sun­gen nicht zur Auto­ri­sie­rung vor­le­gen muß­te. Um ein Bei­spiel für die Umar­bei­tung zu geben:

In der Druck­fas­sung des ers­ten Gesprächs ant­wor­te­te Jün­ger auf die Fra­ge »Sind Sie Christ?«: »Nein. Das ist gar nicht nötig. Der ein­zel­ne tritt, wie Stir­ner sagt, dem Ver­ein ab und zu bei. Das kann die Nati­on sein, die Fami­lie oder auch eine Glau­bens­ge­mein­schaft. Er sieht sich das an wie im Zir­kus, fin­det das eine gut, das ande­re weni­ger, und geht dann wie­der hin­aus. Was immer er tut, er bleibt er selbst. Ich habe ihn den Anarch genannt.«

Im Gespräch selbst wird Stir­ner bei der Ant­wort auf eine ganz ande­re Fra­ge, näm­lich bei der nach dem eige­nen Weg unter extre­men Bedin­gun­gen, ange­führt. Aller­dings hat Mül­ler Jün­gers Hal­tung damit nicht ver­fälscht, da die­ser auf Mül­lers Aus­sa­ge »Kier­ke­gaard und die sind alle spä­ter Chris­ten gewor­den. Das ent­täuscht mich immer so« antwortet:»Ja, ich werd’ aber nicht Christ.« Jün­ger betont die­se Hal­tung noch ein­mal im zwei­ten Gespräch, wenn er sagt: »Ich bin aber kein Christ.« Er ist bekannt­lich weni­ge Jah­re spä­ter zum katho­li­schen Glau­ben übergetreten.

Die von Chris­to­phe Fri­cker her­aus­ge­ge­be­nen Gesprä­che zwi­schen Ernst Jün­ger und And­re Mül­ler kann man hier bestel­len.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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