Johannes Ludewig: Unternehmen Wiedervereinigung.

Eine Rezension von Detlef Kühn

Johan­nes Lude­wig: Unter­neh­men Wie­der­ver­ei­ni­gung. Von Pla­nern, Machern, Visio­nä­ren, Ham­burg: Osburg 2015. 288 S., 22 €

Die Wie­der­ver­ei­ni­gung Deutsch­lands kam 1990 wie eine Sturm­flut über die Ver­ant­wort­li­chen in Bonn und Ost-Ber­lin. Unter dem Druck von Hun­dert­tau­sen­den DDR-Bür­gern, die nach der Öff­nung der Mau­er droh­ten, in den Wes­ten abzu­wan­dern, wenn sich nicht umge­hend etwas Ent­schei­den­des im geteil­ten Deutsch­land ände­re, erkann­te vor allem die poli­ti­sche Klas­se im Wes­ten end­lich, daß die DDRnicht mehr zu sta­bi­li­sie­ren war. Die Ein­heit muß­te schnell kom­men, der Anfang mit einer Wirtschafts‑, Wäh­rungs- und Sozi­al­uni­on gemacht wer­den. Plä­ne für die­sen Fall gab es nicht. Der For­schungs­bei­rat für Fra­gen der Wie­der­ver­ei­ni­gung Deutsch­lands, der als Gre­mi­um von Fach­leu­ten einst ent­spre­chen­de Plä­ne aus­ge­ar­bei­tet und lau­fend aktua­li­siert hat­te, war 1975 im Zuge der neu­en Ost­po­li­tik auf­ge­löst wor­den. Das soll­te ein beru­hi­gen­des Zei­chen an die SED-Füh­rung sein, an dem auch die Bun­des­re­gie­rung Kohl nach 1982 nichts änderte.

Johan­nes Lude­wig, der Autor des hier anzu­zei­gen­den Buches, betont zu Recht, daß 1990 und spä­ter unter Zeit­druck impro­vi­siert wer­den muß­te. Es gab kei­nen Prä­ze­denz­fall einer Ver­ei­ni­gung kom­mu­nis­ti­scher und markt­wirt­schaft­lich-kapi­ta­lis­ti­scher Sys­te­me. Lude­wig, der als Fach­mann für Wirt­schafts­po­li­tik seit 1983 dem Bun­des­kanz­ler­amt ange­hör­te und sich dort nicht inten­siv mit den Ver­hält­nis­sen in der DDR beschäf­ti­gen muß­te, avan­cier­te nun zu Kohls »rech­ter Hand« bei der Vor­be­rei­tung der Wirt­schafts- und Wäh­rungs­uni­on zum 1. Juli 1991. Spä­ter war er ver­ant­wort­lich für den wei­te­ren »Auf­bau Ost«.

Wer sich einen Über­blick über die Fül­le der dabei zu lösen­den Pro­ble­me und die Über­le­gun­gen der Akteu­re, Beam­te und Poli­ti­ker, ver­schaf­fen will, ist mit dem Buch gut bedient. Daß vor allem Kohl in einem mil­den Licht erscheint, ver­steht sich von selbst, das Opfer der Deut­schen Mark, um den fran­zö­si­schen Prä­si­den­ten Mit­te­rand für die deut­sche Ein­heit zu gewin­nen, wird nicht ange­spro­chen. Der 1991 von der RAF­er­mor­de­te Prä­si­dent der Treu­hand­an­stalt Det­lev Roh­wed­der wird gelobt, eben­so der aus der DDR­stam­men­de spä­te­re Bun­des­mi­nis­ter für Ver­kehr Gün­ther Krau­se. Die Umstän­de von des­sen nicht ganz frei­wil­li­gem Aus­schei­den aus der Poli­tik im Jah­re 1993 wer­den weder ana­ly­siert noch bewertet.

Ein Kapi­tel wid­met Lude­wig den »offe­nen Ver­mö­gens­fra­gen und Alt­ei­gen­tü­mern«, die er »Fast-Stol­per­stei­ne« nennt. Es geht dabei um die Ent­eig­nun­gen unter sowje­ti­scher Regie zwi­schen 1945 und 1949 sowie um Ent­eig­nun­gen durch die DDR­nach 1949. In letz­te­rem Fal­le ver­stän­dig­te man sich auf den Vor­rang der Rück­ga­be vor finan­zi­el­ler Ent­schä­di­gung, was sich anfangs als Inves­ti­ti­ons­hin­der­nis erwies. Bei der Boden­re­form von 1946 setz­te sich die DDR-Sei­te durch, die kei­ne (wei­te­re) Ent­eig­nung der eta­blier­ten Neu­bau­ern wünsch­te. War­um sich jedoch die Bun­des­re­pu­blik bis heu­te nicht ent­schlie­ßen konn­te, wenigs­tens den jetzt im Staats­be­sitz befind­li­chen Grund­be­sitz zurück­zu­ge­ben, erör­tert auch Johan­nes Lude­wig nicht.

Unter­neh­men Wie­der­ver­ei­ni­gung von Johan­nes Lude­wig kann man hier bestel­len.

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