Als Hitlers Variante des Nationalsozialismus zur Macht gelangte, kam der Widerstand gegen ihn bekanntermaßen in weiten Teilen von »rechts«. Gänzlich ungleiche Akteure – aristokratische Reichswehr-Kreise ebenso wie originäre nationale Sozialisten um die »Schwarze Front« Otto Strassers – versuchten, einen entscheidenden Beitrag zur Opposition gegen das sich konstituierende Regime zu leisten.
Auch Publizisten aus dem Umfeld der Konservativen Revolution (KR) begehrten auf: Edgar Julius Jung (1894−1934) dürfte der bekannteste von ihnen sein. Der jungkonservative Philosoph war nicht nur einer der wirkmächtigsten Rechtsintellektuellen der Weimarer Republik und Verfasser des antiparlamentarischen Standardwerkes Die Herrschaft der Minderwertigen (1927/1930).
Er wirkte zudem realpolitisch als Vertrauter des prominenten Hitler-Gegenspielers Franz von Papen. Für diesen verfaßte er die später als »Marburger Rede« (17. Juni 1934) bekannte Abrechnung mit den tatsächlichen und zu erwartenden Zumutungen des jungen NS-Staates. Offen kritisierte Jung den Nationalsozialismus sowohl aus christlicher als auch aus rechter Sicht – ein Engagement, das er zwei Wochen später mit dem Leben bezahlte.
Trotz der Bedeutung Jungs als konservativ-revolutionären Antipoden des rassenbiologistischen Nationalsozialismus – im übrigen schon zu frühen Weimarer Zeiten – ist eine gültige Biographie weiterhin Forschungsdesiderat. Es wäre wohl Karlheinz Weißmann als dem besten lebenden Kenner der KR bvorbehalten, diese Lücke zu schließen. Immerhin liegt nun eine Annäherung an eine solche Lebens- und Werkgeschichte vor. Weißmann widmet sich erwartungsgemäß kenntnisreich dem persönlichen und politischen Werdegang Jungs und stellt deutlich heraus, weshalb und wie konkret sich der »Volkskonservative« so vehement gegen Hitler positionierte.
Das Denken Jungs im konkreten Kontext der Weimarer Unzulänglichkeiten wird dem Leser konzise dargebracht und Kernvorstellungen sowie wichtige Schriften erläutert, wenngleich der ein oder andere Leser manche Stelle bereits aus Weißmanns Jung-Porträts in Criticón oder dem Aufsatzband Alles was recht(s) ist kennen dürfte.
Ungeachtet dessen wird anhand der Jung’schen Leitmotive deutlich, weshalb just der radikal rechte Faschismuskritiker Julius Evola in Jung – trotz dessen christlicher Grundierung, die der italienische Traditionalist nicht teilte – einen der wenigen Repräsentanten einer authentischen Rechten im 20. Jahrhundert sah. Die Sympathie war beiderseitig vorhanden: Evola und Jung standen in regem Austausch, schließlich pflegten sie eine ähnlich ausgefallene Denkweise nicht zuletzt im Hinblick auf die »ghibellinische« Reichsidee und einen »organischen«, antidemokratischen wie antiliberalen Staatsaufbau.
Ebenso umfangreich wie Weißmanns Skizze zur politischen Biographie Edgar J. Jungs gerät der Appendix, der keineswegs als bloßes Anhängsel gewertet werden sollte, enthält er doch beinah vergessene und teils unbekannte Schlüsseltexte Jungs (u.a. »Was ist konservativ?«, 1931; »Volkskonservative Richtlinien zu deutscher Erneuerung«, o. J.; Denkschrift an Papen vom April 1934). Mehrere teils unveröffentlichte Abbildungen runden die gelungene Einführung in Edgar J. Jungs politische Biographie ab.
Edgar J. Jung. Zur politischen Biographie eines konservativen Revolutionärs von Karlheinz Weißmann kann man hier bestellen.