Karlheinz Weißmann: Edgar J. Jung. Zur politischen Biographie eines konservativen Revolutionärs

Karlheinz Weißmann: Edgar J. Jung. Zur politischen Biographie eines konservativen Revolutionärs (= Erträge: Schriftenreihe der Bibliothek des Konservatismus, Bd. 3), Berlin: FKBF 2015. 150 S., 9.95 €

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Als Hit­lers Vari­an­te des Natio­nal­so­zia­lis­mus zur Macht gelang­te, kam der Wider­stand gegen ihn bekann­ter­ma­ßen in wei­ten Tei­len von »rechts«. Gänz­lich unglei­che Akteu­re – aris­to­kra­ti­sche Reichs­wehr-Krei­se eben­so wie ori­gi­nä­re natio­na­le Sozia­lis­ten um die »Schwar­ze Front« Otto Stras­sers – ver­such­ten, einen ent­schei­den­den Bei­trag zur Oppo­si­ti­on gegen das sich kon­sti­tu­ie­ren­de Regime zu leisten.

Auch Publi­zis­ten aus dem Umfeld der Kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­ti­on (KR) begehr­ten auf: Edgar Juli­us Jung (1894−1934) dürf­te der bekann­tes­te von ihnen sein. Der jung­kon­ser­va­ti­ve Phi­lo­soph war nicht nur einer der wirk­mäch­tigs­ten Rechts­in­tel­lek­tu­el­len der Wei­ma­rer Repu­blik und Ver­fas­ser des anti­par­la­men­ta­ri­schen Stan­dard­wer­kes Die Herr­schaft der Min­der­wer­ti­gen (1927/1930).

Er wirk­te zudem real­po­li­tisch als Ver­trau­ter des pro­mi­nen­ten Hit­ler-Gegen­spie­lers Franz von Papen. Für die­sen ver­faß­te er die spä­ter als »Mar­bur­ger Rede« (17. Juni 1934) bekann­te Abrech­nung mit den tat­säch­li­chen und zu erwar­ten­den Zumu­tun­gen des jun­gen NS-Staa­tes. Offen kri­ti­sier­te Jung den Natio­nal­so­zia­lis­mus sowohl aus christ­li­cher als auch aus rech­ter Sicht – ein Enga­ge­ment, das er zwei Wochen spä­ter mit dem Leben bezahlte.

Trotz der Bedeu­tung Jungs als kon­ser­va­tiv-revo­lu­tio­nä­ren Anti­po­den des ras­sen­bio­lo­gis­ti­schen Natio­nal­so­zia­lis­mus – im übri­gen schon zu frü­hen Wei­ma­rer Zei­ten – ist eine gül­ti­ge Bio­gra­phie wei­ter­hin For­schungs­de­si­de­rat. Es wäre wohl Karl­heinz Weiß­mann als dem bes­ten leben­den Ken­ner der KR bvor­be­hal­ten, die­se Lücke zu schlie­ßen. Immer­hin liegt nun eine Annä­he­rung an eine sol­che Lebens- und Werk­ge­schich­te vor. Weiß­mann wid­met sich erwar­tungs­ge­mäß kennt­nis­reich dem per­sön­li­chen und poli­ti­schen Wer­de­gang Jungs und stellt deut­lich her­aus, wes­halb und wie kon­kret sich der »Volks­kon­ser­va­ti­ve« so vehe­ment gegen Hit­ler positionierte.

Das Den­ken Jungs im kon­kre­ten Kon­text der Wei­ma­rer Unzu­läng­lich­kei­ten wird dem Leser kon­zi­se dar­ge­bracht und Kern­vor­stel­lun­gen sowie wich­ti­ge Schrif­ten erläu­tert, wenn­gleich der ein oder ande­re Leser man­che Stel­le bereits aus Weiß­manns Jung-Por­träts in Cri­ticón oder dem Auf­satz­band Alles was recht(s) ist ken­nen dürfte.

Unge­ach­tet des­sen wird anhand der Jung’schen Leit­mo­ti­ve deut­lich, wes­halb just der radi­kal rech­te Faschis­mus­kri­ti­ker Juli­us Evo­la in Jung – trotz des­sen christ­li­cher Grun­die­rung, die der ita­lie­ni­sche Tra­di­tio­na­list nicht teil­te – einen der weni­gen Reprä­sen­tan­ten einer authen­ti­schen Rech­ten im 20. Jahr­hun­dert sah. Die Sym­pa­thie war bei­der­sei­tig vor­han­den: Evo­la und Jung stan­den in regem Aus­tausch, schließ­lich pfleg­ten sie eine ähn­lich aus­ge­fal­le­ne Denk­wei­se nicht zuletzt im Hin­blick auf die »ghi­bel­li­ni­sche« Reichs­idee und einen »orga­ni­schen«, anti­de­mo­kra­ti­schen wie anti­li­be­ra­len Staatsaufbau.

Eben­so umfang­reich wie Weiß­manns Skiz­ze zur poli­ti­schen Bio­gra­phie Edgar J. Jungs gerät der Appen­dix, der kei­nes­wegs als blo­ßes Anhäng­sel gewer­tet wer­den soll­te, ent­hält er doch bei­nah ver­ges­se­ne und teils unbe­kann­te Schlüs­sel­tex­te Jungs (u.a. »Was ist kon­ser­va­tiv?«, 1931; »Volks­kon­ser­va­ti­ve Richt­li­ni­en zu deut­scher Erneue­rung«, o. J.; Denk­schrift an Papen vom April 1934). Meh­re­re teils unver­öf­fent­lich­te Abbil­dun­gen run­den die gelun­ge­ne Ein­füh­rung in Edgar J. Jungs poli­ti­sche Bio­gra­phie ab.

Edgar J. Jung. Zur poli­ti­schen Bio­gra­phie eines kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­tio­närs von Karl­heinz Weiß­mann kann man hier bestel­len. 

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)