Thomas Meyer: Die Unbelangbaren.

Thomas Meyer: Die Unbelangbaren. Wie politische Journalisten mitregieren, Berlin: Suhrkamp 2015. 186 S., 15 €

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

Jour­na­lis­ten haben außer­or­dent­lich viel Macht. Wenn es ihnen gelingt, ein The­ma zu skan­da­li­sie­ren, kön­nen sie eine Gesell­schaft auf ein neu­es Leit­the­ma ein­stim­men und so poli­ti­sche Ver­än­de­run­gen vor­be­rei­ten. Das gelingt so gut, weil Poli­ti­ker die Pres­se fürch­ten und des­halb in vor­aus­ei­len­dem Gehor­sam das umset­zen, was gera­de die­je­ni­gen Jour­na­lis­ten for­dern, die zur Hyper­mo­ral neigen.

Logi­scher­wei­se gibt es dabei ein gro­ßes demo­kra­tie­theo­re­ti­sches Pro­blem: Wäh­rend Poli­ti­ker abge­wählt wer­den kön­nen, gibt es für Jour­na­lis­ten kei­nen Sank­ti­ons­me­cha­nis­mus, über den sie zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den könn­ten, wenn sich ihre Ideen in der Rea­li­tät als ver­hee­rend erwie­sen haben. Poli­ti­sche Jour­na­lis­ten sind des­halb die »Unbe­lang­ba­ren«. Sie brin­gen Ver­än­de­run­gen auf den Weg. Doch statt sich irgend­wann einer Erfolgs­kon­trol­le stel­len zu müs­sen, sind sie es, die die Mög­lich­keit zum letz­ten Wort haben und das bewer­ten dür­fen, was sie womög­lich mit ihrer Ein­fluß­nah­me mit­ver­schul­det haben.

Tho­mas Mey­er beschreibt die­se Grund­ei­gen­schaft der gegen­wär­ti­gen Skan­da­lok­ra­tie detail­liert und wei­test­ge­hend kor­rekt. Auch wenn bei ihm die Lin­ken immer die Opfer der Medi­en­meu­te sind und er die Aus­gren­zung der Rech­ten kom­plett außen vor läßt, kann man ihm bei sei­ner Ana­ly­se der Struk­tu­ren des Jour­na­lis­mus zustim­men. Poli­ti­sche Jour­na­lis­ten berich­ten heut­zu­ta­ge ent­we­der emo­tio­na­li­sie­rend über Bana­li­tä­ten, was beim Leser auf­grund der Abnut­zungs­er­schei­nun­gen die­ses Stil­mit­tels Gleich­gül­tig­keit aus­löst, oder sie arbei­ten sich an Per­so­nen ab, die sie stür­zen wollen.

Die Empö­rung, die sie dabei aus­lö­sen, rich­tet sich jedoch nicht mehr aus­schließ­lich gegen die ver­meint­li­chen Skan­dal­ver­ur­sa­cher. Viel­mehr gera­ten Jour­na­lis­ten häu­fi­ger selbst unter Beschuß und wer­den für ihre sen­sa­tio­na­lis­ti­sche Form der Bericht­erstat­tung in Online­kom­men­tar­spal­ten geta­delt. Es fällt jedoch auf, daß die­se Form der Kon­trol­le durch die Leser die inhalt­li­che Aus­rich­tung, den Stil und das Per­so­nal der Pres­se kaum beein­flus­sen kann.

Bei der Fra­ge, wie Kon­trol­le ermög­licht wer­den könn­te, die auch ech­te Kon­se­quen­zen beinhal­ten muß, zeigt Tho­mas Mey­er kei­nen gro­ßen Ein­falls­reich­tum. Er schlägt eine öffent­li­che Fach­ta­gung über die­ses Pro­blem vor und wünscht sich eine »Stär­kung der jour­na­lis­ti­schen Selbst­be­ob­ach­tung« – als ob Jour­na­lis­ten sich nicht bereits viel zu viel mit ihrem eige­nen Bauch­na­bel beschäf­ti­gen würden.

Tho­mas Mey­ers Die Unbe­lang­ba­ren kann man hier bestel­len. 

Felix Menzel

Felix Menzel ist Chefredakteur des Schülerblogs blauenarzisse.de.

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