Michael Klonovsky: Bitte nach Ihnen. Reaktionäres vom Tage. Acta Diurna 2012–2014, Waltrop und Leipzig: Manuscriptum 2015. 471 S., 22.80 €
Angenommen, ein bislang nicht als rechtsstehend wahrgenommener Autor schriebe ein neues Buch, darin er Partei für Wladimir Putin (»der moderateste russische Herrscher überhaupt«, »womöglich der aktuelle Katechon«), die katholische Kirche (nicht zu verwechseln mit manchem ihrer derzeitigen Vertreter) und den frühen Ernst Jünger ergriffe, Hochachtung vor Lenin (nicht wegen der politischen Ansichten und Taten, sondern wegen dessen Nervenkraft und Schneid) bezeugte und die kleinen Geister und armen Seelen unserer Polit- und Medienkirmes wie Sibylle Berg (»geradezu exorbitant dämlich«), Joachim Gauck (»Eurokraten-Mietmaul«) und Hermann Gröhe (»würdelos«, »Speichellecker«) mit harten Worten belegte, Wortführer wie Habermas als »Kommunikationstheologen« sowie Fortschritt und Modernität verspottete und schließlich direkt und indirekt ständig der Differenz und der Elite das Wort redete!
Ein solcher fiktiver Autor, der die »Blähzwergenprosa« eines gefeierten jüdischen Schriftstellers kritisierte, PEGIDA-Demonstranten als »Bürgerrechtler« einer verlogenen und verkommenen Führungsschicht gegenüberstellte und schließlich immer wieder darauf hinwiese, daß das Abendland (oder »Europa«) als Wiege einer einzigartigen Geistigkeit und Kulturhöhe, das selbstverständlich über viele andere Weltregionen sich erhebe, seit Jahrzehnten unter Kuratel eines so kultur- wie moralfernen transatlantischen Lügenimperiums stehe – was hätte er hier und heute zu gewärtigen?
Die soziale Brandmarkung als Rechtsaußennazi, als Unmensch und Insekt träfe ihn sicherlich, wohl auch ein De-facto-Schreibverbot durch gelenkte Redaktionen. Wenn nun all dies nicht passiert, weil der Autor sich nicht als rechts bezeichnet, sondern durch die Reife und Weite seines Werks eher über als inmitten solcher Zuschreibungen steht und es hierzulande nicht darauf ankommt, was jemand sagt, sondern wer es wie sagt – welcher Schluß ist daraus zu ziehen?
Wenn die getroffenen Journalistenhunde zwar bellen, aber den ersehnten Kehlenbiß nicht hinbekommen, unter anderem, weil Güte und Kraft ihrer Beißwerkzeuge gletscherspaltentief unter dem Vermögen des zu Kritisierenden rangieren? Sagt es mehr aus über den Autor, hier Klonovsky, und seinen unter Zeitgenossen sonst fast nicht mehr aufzufindenden kristallsplitterlichten Stil, mehr über die Medien und Politiker in ihrer Beurteilungsunsicherheit, mehr über den Geist der Zeit? Ich kann die Frage nicht beantworten, nur darauf hinweisen, daß Bitte nach Ihnen eines der manchmal schönsten, manchmal beklemmendsten, jedenfalls der wichtigsten Bücher des Jahres ist.
Der geübte Konservative kennt die Pfeile in diesem Köcher bereits. Die Texte wurden zuvor auf der Netzseite des Verfassers veröffentlicht, wo sie inzwischen nicht mehr abrufbar sind. Klonovsky führt ein öffentliches Tagebuch, das in der Beschreibung und Auslegung kultureller Genüsse (von der Oper bis zum Wein) wie in der – manchmal vielleicht zur Schau gestellten – geschmacklichen Beispielgabe Höhen beschreitet, die einfacher gestrickte Zeitgenossen wie den Rezensenten überfordern, aber dadurch zugleich heben. Immer wieder handelt Klonovsky von der Musik, der seine Liebe gehört, vor allem von Strauss und Wagner, wobei er ein Wissen voraussetzt, das auch im Bürgertum kaum jemand mehr für voraussetzbar halten wird. Nur wenige Seiten vom Musikalischen entfernt wird Heidegger anhand der inkriminierten Stellen aus den Schwarzen Heften gerechtfertigt und werden Kritiker auf Zwergenmaß zurechtgestutzt. Themensprünge machen einen Gutteil des Reizes des Buchs aus, lassen sie doch den Leser schier atemlos zurück.
Wer noch ein Geschenk sucht – sei es für sich, für Orientierung suchende neue Neue Rechte, PEGIDA-Bürger, AfD-Enttäuschte oder weltanschaulich Heimatlose –, sollte zu diesem Buch greifen. In seiner unideologischen Offenheit, thematischen Breite und Klugheit, durch seine stilistische Brillanz und Nachdenklichkeit ist es mehr als eine Empfehlung wert. Manche Bücher sind Zündfunken, manche Fackeln. Dieses Werk ist ein Sprengsatz.
Michael Klonovskys Bitte nach Ihnen kann man hier bestellen.