Giorgio Galli: Pasolini. Der dissidente Kommunist

Giorgio Galli: Pasolini. Der dissidente Kommunist, Hamburg: Laika 2014. 200 S., 28 €

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Wer ein­mal in den Bann von Pier Pao­lo Paso­li­ni gera­ten ist, wird nie­mals mit ihm fer­tig wer­den. Sein Werk als Dich­ter, Roman­cier, Fil­me­ma­cher und Pole­mi­ker ist anzie­hend und absto­ßend, scharf­sin­nig und ver­quast, wider­sprüch­lich und kon­se­quent zugleich, und nicht min­der kan­tig und rät­sel­haft war auch die Per­son Paso­li­nis selbst. Ent­spre­chend viel­fäl­tig fiel die Rezep­ti­on des skan­dal-umwit­ter­ten Quer­den­kers aus. »Lin­ke wie Rech­te, Kon­ser­va­ti­ve wie Pro­gres­si­ve, Katho­li­ken wie Athe­is­ten, Anhän­ger tra­di­tio­nel­ler wie fort­schritt­li­cher Geschlech­ter­rol­len, Bau­ern wie Beat­niks, Hip­pies wie Pfad­fin­der« fän­den bei ihm Anknüp­fungs­punk­te – so Fabi­en Kunz-Vita­li im Vor­wort des Buches Paso­li­ni. Der dis­si­den­te Kom­mu­nist,das im tief­ro­ten Lai­ka-Ver­lag erschie­nen ist.

Der 1928 gebo­re­ne Poli­to­lo­ge Gior­gio Gal­li betont dar­in, daß sei­ne Deu­tung Paso­li­nis dem gän­gi­gen Bild des schil­lern­den Vor-allem-Dich­ters scharf wider­spricht. Des­sen poli­ti­sches Den­ken sei weit­aus kohä­ren­ter und pra­xis­ori­en­tier­ter gewe­sen, als all­ge­mein ange­nom­men wird, und daher sei es »ein schwer­wie­gen­der Feh­ler von der ita­lie­ni­schen Lin­ken, die­ses rein ober­fläch­lich zu betrachten.«

Der ers­te Teil des Buches ist eine poli­ti­sche Bio­gra­phie Paso­li­nis, die sei­ne Posi­tio­nie­run­gen his­to­risch kon­tex­tua­li­siert. Gal­li zeigt, daß sich der Mar­xis­mus Paso­li­nis zu einem erheb­li­chen Teil über­ra­schend dog­ma­tisch arti­ku­lier­te; von Bedeu­tung blieb für ihn etwa die The­se des »bipo­la­ren Klas­sen­kon­flikts«, in dem »das auf­stre­ben­de Pro­le­ta­ri­at die lang­sam nie­der­ge­hen­de Bour­geoi­sie her­aus­for­dert und letzt­lich besiegt.«

Sche­ma­ta wie die­se waren auch noch wirk­sam, als in er den Jah­ren der »Frei­beu­ter­schrif­ten« zum eigen­wil­li­gen Kri­ti­ker der »Kon­sum­ge­sell­schaft« wur­de, der er vor­warf, einen »anthro­po­lo­gi­schen Geno­zid« und eine »Gleich­schal­tung« des mensch­li­chen Daseins zu betrei­ben. Wer dem Mar­xis­mus eher abge­neigt ist, wird hier aller­dings der Ansicht sein, daß die hell­sich­tigs­ten Stel­len der spä­ten Schrif­ten Paso­li­nis jene sind, in denen er die ideo­lo­gi­schen Ras­ter auf ver­blüf­fen­de Wei­se zu spren­gen ver­stand. Umge­kehrt fällt Gal­lis Ver­such, Paso­li­nis »Aktua­li­tät« durch des­sen »dis­si­den­te« kom­mu­nis­ti­sche Theo­rie zu bewei­sen, wenig über­zeu­gend aus.

Das wird ins­be­son­de­re im zwei­ten Teil des Buches deut­lich, der eine »Hypo­the­se der Ver­än­de­rung« zu for­mu­lie­ren ver­sucht. Der 86 jäh­ri­ge Autor bie­tet »einen ein­fa­chen und gleich­zei­tig logi­schen Vor­schlag« an, um die Kri­se der Glo­ba­li­sie­rung zu über­win­den: »Die Aus­wei­tung des Wahl­rechts, so daß ein Teil der Füh­rungs­kräf­te der cir­ca 500 west­li­chen Groß­kon­zer­ne, die über das Schick­sal unse­res Pla­ne­ten ent­schei­den, demo­kra­tisch bestimmt wer­den kann.« Hier lach­te der Rezen­sent schal­lend auf und klapp­te das ansons­ten lesens­wer­te Buch wie­der zu.

Paso­li­ni. Der dis­si­den­te Kom­mu­nist von Gior­gio Gal­li kann man hier bestel­len.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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