Wer einmal in den Bann von Pier Paolo Pasolini geraten ist, wird niemals mit ihm fertig werden. Sein Werk als Dichter, Romancier, Filmemacher und Polemiker ist anziehend und abstoßend, scharfsinnig und verquast, widersprüchlich und konsequent zugleich, und nicht minder kantig und rätselhaft war auch die Person Pasolinis selbst. Entsprechend vielfältig fiel die Rezeption des skandal-umwitterten Querdenkers aus. »Linke wie Rechte, Konservative wie Progressive, Katholiken wie Atheisten, Anhänger traditioneller wie fortschrittlicher Geschlechterrollen, Bauern wie Beatniks, Hippies wie Pfadfinder« fänden bei ihm Anknüpfungspunkte – so Fabien Kunz-Vitali im Vorwort des Buches Pasolini. Der dissidente Kommunist,das im tiefroten Laika-Verlag erschienen ist.
Der 1928 geborene Politologe Giorgio Galli betont darin, daß seine Deutung Pasolinis dem gängigen Bild des schillernden Vor-allem-Dichters scharf widerspricht. Dessen politisches Denken sei weitaus kohärenter und praxisorientierter gewesen, als allgemein angenommen wird, und daher sei es »ein schwerwiegender Fehler von der italienischen Linken, dieses rein oberflächlich zu betrachten.«
Der erste Teil des Buches ist eine politische Biographie Pasolinis, die seine Positionierungen historisch kontextualisiert. Galli zeigt, daß sich der Marxismus Pasolinis zu einem erheblichen Teil überraschend dogmatisch artikulierte; von Bedeutung blieb für ihn etwa die These des »bipolaren Klassenkonflikts«, in dem »das aufstrebende Proletariat die langsam niedergehende Bourgeoisie herausfordert und letztlich besiegt.«
Schemata wie diese waren auch noch wirksam, als in er den Jahren der »Freibeuterschriften« zum eigenwilligen Kritiker der »Konsumgesellschaft« wurde, der er vorwarf, einen »anthropologischen Genozid« und eine »Gleichschaltung« des menschlichen Daseins zu betreiben. Wer dem Marxismus eher abgeneigt ist, wird hier allerdings der Ansicht sein, daß die hellsichtigsten Stellen der späten Schriften Pasolinis jene sind, in denen er die ideologischen Raster auf verblüffende Weise zu sprengen verstand. Umgekehrt fällt Gallis Versuch, Pasolinis »Aktualität« durch dessen »dissidente« kommunistische Theorie zu beweisen, wenig überzeugend aus.
Das wird insbesondere im zweiten Teil des Buches deutlich, der eine »Hypothese der Veränderung« zu formulieren versucht. Der 86 jährige Autor bietet »einen einfachen und gleichzeitig logischen Vorschlag« an, um die Krise der Globalisierung zu überwinden: »Die Ausweitung des Wahlrechts, so daß ein Teil der Führungskräfte der circa 500 westlichen Großkonzerne, die über das Schicksal unseres Planeten entscheiden, demokratisch bestimmt werden kann.« Hier lachte der Rezensent schallend auf und klappte das ansonsten lesenswerte Buch wieder zu.
Pasolini. Der dissidente Kommunist von Giorgio Galli kann man hier bestellen.