Döner darf gemäß der Berliner Verkehrsauffassung für das Fleischerzeugnis Dönerkebap nur dann Döner heißen, wenn das im Produkt befindliche Hack im Fleischwolf gewolft wurde. Wurde das Fleisch hingegen mit Hilfe einer Kuttermaschine gekuttert, handelt es sich nicht um »Döner«, sondern um einen »Spieß nach Döner Art«. Na und!
Neugebaute Straßen und Plätze müssen im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nach Frauen benannt werden, bis auf dem Stadtplan eine Quote von 50 Prozent erreicht ist. Na ja!
Wo es an Frauen mangelt, ist Kreativität gefragt: Der neue Platz vor dem Jüdischen Museum heißt jetzt Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz. Fromet war die Frau des Philosophen. Na gut!
Spiegel-Wirtschaftsredakteur Alexander Neubacher kennt Hunderte solcher Beispiele, die belegen, daß es kein Zufall ist, daß der Deutsche auf die Frage »Wie geht’s?« gern mit »Alles in Ordnung!« antwortet. Europa ist regelungswütig, Deutschland ist Vorreiter. Hier gibt es peinlich überwachte Sprachregelungen, Sandburgenbauverbote, Normen, die die Innenmaße von Schlafsäcken regeln, Weichmacherverbote für Sexspielzeuge und eine Verpackungsverordnung, die vorsieht, daß Kleiderbügel, die zusammen mit einem Kleidungsstück gekauft wurden, in den gelben Sack gehören, Kleiderbügel, die einzeln erworben wurden, hingegen mit dem Restmüll entsorgt werden müssen.
Der Nannystaat, sagt Neubacher, »nötigt uns seine Hilfe auf, ob wir wollen oder nicht. Er befreit uns von der Verpflichtung, selbst zu entscheiden, was gut für uns ist.« Wo das Verbot das Argument ersetze, werde den Bürgern das Denken abgewöhnt. Wer in ein allzu enges Korsett gezwängt werde, verlerne, aus eigener Kraft aufrecht zu gehen und seinen eigenen Weg zu finden. Neubacher fuhrwerkt dabei keineswegs wie mit der Axt im Walde. Er weiß genau, gerade ein großer Staat hat Regelungsbedarf, auch zum Schutz der Bürger.
Den Punkt, wo die Fürsorge zur Gängelung wird, sieht er – und belegt es – längst überschritten. »Es beschleicht einen der Verdacht, daß wir zum Opfer von Ablenkungsmanövern werden, mit denen Politiker Handlungsfähigkeit demonstrieren wollen, wenn sie bei wichtigen Themen [Neubacher nennt das Bankgewerbe und den Datenschutz] nicht vorankommen.« In sieben Kapiteln (etwa »Dinkeldeutschland: Der Sittlichkeitsstaat«,»Vorsicht Trottelbürger: Der Sicherheitsstaat«,»Das gute Leben und seine Feinde: Der Enthaltsamkeitsstaat«) führt der Autor nicht nur bizarre Paragraphen und Verbote vor, er geht auch auf das Menschenbild der Verbieter und Reglementierer ein und prägt uns ein Hegel-Zitat ein: »Es kann nur der zu etwas gezwungen werden, der sich zwingen lassen will.«
Neubacher weiß auch: »Den moralischen Konformitätsdruck der Masse muß man auch erst mal aushalten.« Muß man! Darf man! Soll man! Ein Buch als Argumentationsfundus!
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