Mathias Bröckers/Paul Schreyer: Wir sind die Guten

Eine Rezension von Michael Paulwitz

Mathi­as Bröckers/Paul Schrey­er: Wir sind die Guten. Ansich­ten eines Putin­ver­ste­hers oder wie uns die Medi­en mani­pu­lie­ren, Frank­furt a.M.: West­end 2014. 208 S., 16.99 €

»Putin­ver­ste­her« ist das – erfolg­los zum»Unwort des Jah­res« 2014 nomi­nier­te – außen­po­li­ti­sche Schimpf­wort der Sai­son. Mathi­as Brö­ckers und Paul Schrey­er neh­men es als Geu­sen­wort: Wenn »Ver­ste­her« zum Nega­tive­ti­kett für jeden wird, der sich wei­gert, Kon­flik­te wie die Ukrai­ne-Kri­se als »Schwarz­weiß­film mit ein­deu­ti­ger Rol­len­ver­tei­lung« zu sehen, kommt das für sie einer »Dif­fa­mie­rung jeder Art von Ana­ly­se« gleich.

Im Ukrai­ne-Kon­flikt geht es um macht­po­li­ti­sche und geo­stra­te­gi­sche Inter­es­sen und nicht um »Frei­heit« und »Men­schen­rech­te«, das ist der Aus­gangs­punkt für die Ana­ly­se der bei­den Jour­na­lis­ten, die den poli­ti­schen Beweg­grün­den hin­ter der bei­der­sei­ti­gen »Wir sind die Guten«-Propaganda nach­spü­ren und dabei auch den rus­si­schen Stand­punkt ver­ständ­lich zu machen suchen. Dabei gehen sie von der »Heartland«-Theorie des bri­ti­schen Geo­po­li­ti­kers Hal­ford Mack­in­der aus, die sowohl den US-Stra­te­gen Zbi­gniew Brze­zinski als auch den rus­si­schen »Eurasien«-Theoretiker Alex­an­der Dugin inspi­riert hat: Bei den fort­ge­setz­ten US-ame­ri­ka­ni­schen Ver­su­chen, die Ukrai­ne und wei­te­re ost­eu­ro­päi­sche Staa­ten in ihren Ein­fluß­be­reich zu zie­hen, geht es um die Kon­trol­le über das »Herz­land« und damit über ganz Euro­pa, die Degra­die­rung Ruß­lands zur »Regio­nal­macht« (Oba­ma) eingeschlossen.

Das ist anschau­lich geschrie­ben, lesens­wert ins­be­son­de­re die Dar­stel­lung der ener­gie­po­li­ti­schen Rän­ke­spie­le im von Olig­ar­chen-Kor­rup­ti­on domi­nier­ten ukrai­ni­schen »Pipe­lini­stan« und der CIA-gelenk­ten Instal­lie­rung einer US-geneh­men Regie­rung im Zuge des Mai­dan-Put­sches, gar­niert mit in der Öffent­lich­keit wenig geläu­fi­gen Per­so­na­li­en wie den kri­mi­nel­len Machen­schaf­ten der von west­li­cher Pro­pa­gan­da zur Iko­ne hoch­sti­li­sier­ten »Gas­prin­zes­sin« Timo­schen­ko oder zu denUS-Strip­pen­zie­hern Ian Brze­zinski, Sohn des Sicher­heits­stra­te­gen und Enkel eines pol­ni­schen Ade­li­gen aus der West­ukrai­ne, und Vic­to­ria »Fuck the EU« Nuland, Enke­lin des ortho­dox-jüdi­schen Emi­gran­ten Mey­er Nudel­man aus Bes­sa­ra­bi­en, das, etwa deckungs­gleich mit dem heu­ti­gen Mol­da­wi­en, vor der Abtre­tung an Ruß­land 1812 aller­dings zu Rumä­ni­en gehörte.

Die ein­lei­ten­de »kur­ze Geschich­te der Ukrai­ne« nimmt etwas ein­sei­tig den her­ab­las­sen­den rus­si­schen Stand­punkt ein. Die Nega­tiv-Bewer­tung ukrai­ni­scher Unab­hän­gig­keits­kämp­fer wie Simon Petl­ju­ra (nach dem Ers­ten Welt­krieg) und Ste­pan Ban­de­ra, der als »SS-Kollaborateur«abgetan wird, ist wie die frei­ge­bi­ge Ver­wen­dung des Ter­mi­nus »faschis­tisch« eher in Ruß­land fort­wir­ken­der Sowjet-Pro­pa­gan­da als his­to­ri­scher Genau­ig­keit ver­pflich­tet. Rich­tig gleich­wohl die Fest­stel­lung, daß die Ukrai­ne in ihrer heu­ti­gen Gestalt auf­grund ihrer his­to­ri­schen Zer­ris­sen­heit im knap­pen Vier­tel­jahr­hun­dert ihrer Unab­hän­gig­keit kei­ne ver­bin­den­de Iden­ti­tät ent­wi­ckeln konnte.

Um so schlüs­si­ger die Kri­tik von Brö­ckers und Schrey­er an der Selbst­gleich­schal­tung deut­scher Leit­me­di­en in den »Kriegs­mo­dus« und an der Rol­le von US-Lob­by­netz­wer­ken wie dem Atlan­tic Coun­cil bei der Her­stel­lung die­ser poli­tisch-media­len Ein­tö­nig­keit. Die deut­sche Poli­tik sol­le sich aus der treu­en Unter­stüt­zung der uni­po­la­ren US-Vor­herr­schafts­be­stre­bun­gen lösen, sich auf die mul­ti­po­la­re Rea­li­tät der Welt ein­stel­len und erken­nen, daß Deutsch­land auch in einer »geo­gra­phi­schen Gemein­schaft mit den Rus­sen« steht: Für die­se über­zeu­gend her­ge­lei­te­te Schluß­fol­ge­rung sieht man den Autoren auch den ein oder ande­ren über­flüs­si­gen eige­nen Rück­fall ins Pro­pa­gan­da-Sprech – Kost­pro­be: Deutsch­land sei »den Rus­sen« noch »etwas schul­dig«, weil sie »den höchs­ten Blut­zoll opfer­ten, um Deutsch­land vom Faschis­mus zu befrei­en« – nach.

Wir sind die Guten. Ansich­ten eines Putin­ver­ste­hers oder wie uns die Medi­en mani­pu­lie­ren von Mathi­as Brö­ckers und Paul Schrey­er kann man hier bestel­len. 

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