Carl Schmitt/Ernst Rudolf Huber: Briefwechsel 1926–1981

Carl Schmitt/Ernst Rudolf Huber: Briefwechsel 1926–1981. Mit ergänzenden Materialien. Hrsg. von Ewald Grothe, Berlin: Duncker & Humblot 2014. 617 S., 79.90 €

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Der Brief­wech­sel zwi­schen Carl Schmitt (1888–1985) und sei­nem Schü­ler und Kol­le­gen Ernst Rudolf Huber (1903–1990) gehört zu den lang­erhoff­ten Desi­de­ra­ta der Schmitt-For­schung. Der Mühe der Her­aus­ge­ber­schaft hat sich mit Ewald Gro­the, seit 2011 Lei­ter des Archivs des Libe­ra­lis­mus der Fried­rich-Nau­mann-Stif­tung, jemand unter­zo­gen, der bis­lang in der CS-Gemein­de kaum in Erschei­nung getre­ten ist. Als Rechts­his­to­ri­ker (mit Schwer­punkt Ver­fas­sungs­ge­schich­te) bringt er aber gute Vor­aus­set­zun­gen mit.

Die Kom­men­tie­rung der Brie­fe ist soli­de, wenn­gleich an eini­gen Stel­len etwas unein­heit­lich. So wird bei­spiels­wei­se zwar erklärt, was Nihi­lis­mus bedeu­tet, nicht aber, was Huber mei­nen könn­te, wenn er 1947 rück­bli­ckend schreibt, daß es »not­wen­dig und wich­tig« gewe­sen sei, daß »wir damals die Schif­fe hin­ter uns ver­brannt haben«. Gera­de aber in die­ser Rück­halt­lo­sig­keit, die auch in der Nach­schau nicht ver­schwie­gen wird, liegt die Bedeu­tung des Brief­wech­sels, der sei­nen Kul­mi­na­ti­ons­punkt in den Jah­ren 1932 bis 1936 hat.

Die Kor­re­spon­denz umfaßt 219 Schrei­ben und erstreckt sich über einen Zeit­raum von 56 Jah­ren, von 1926 bis 1981. Dabei war die Aus­gangs­si­tua­ti­on ein Leh­rer-Schü­ler-Ver­hält­nis. Huber, für den das Erleb­nis der Jugend­be­we­gung prä­gend war und blieb, pro­mo­vier­te 1927 bei Schmitt in Bonn und wur­de anschlie­ßend von Schmitt beim aka­de­mi­schen Fort­kom­men gefördert.

In der End­pha­se der Wei­ma­rer Repu­blik publi­zier­te Huber unter ver­schie­de­nen Pseud­ony­men in den Orga­nen der Jung­kon­ser­va­ti­ven. Oft han­delt es sich dabei um Tex­te, die sich auf Arbei­ten von Schmitt bezie­hen. Er setz­te sich aber auch in Fach­or­ga­nen mit Schmitt aus­ein­an­der und ließ schon früh durch wohl­be­grün­de­te Kri­tik eine eigen­stän­di­ge Posi­ti­on erken­nen, die Schmitt, sonst sehr emp­find­lich, zu schät­zen wuß­te. Das Ver­trau­ens­ver­hält­nis führ­te dazu, daß Schmitt Huber zu sei­nen Bera­tun­gen der Prä­si­di­al­ka­bi­net­te und Reichs­wehr­füh­rung her­an­zog. Beim soge­nann­ten »Preu­ßen­schlag« gegen die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Regie­rung in Ber­lin gab es eine Arbeits­tei­lung: Schmitt hielt sein Plä­doy­er in Leip­zig, und Huber über­nahm mit sei­ner Schrift Reichs­ge­walt und Staats­ge­richts­hof (1932) die publi­zis­ti­sche Rechtfertigung.

Im Mai 1933 tra­ten bei­de in die NSDAP ein, Schmitt wech­sel­te an die Fried­rich-Wil­helms-Uni­ver­si­tät nach Ber­lin, Huber erhielt einen Lehr­stuhl in Kiel (spä­ter Leip­zig und Straß­burg). Die Jah­re bis 1936, als Schmitts Ent­mach­tung erfolg­te, sind von gro­ßer Über­ein­stim­mung im gemein­sa­men Ziel, dem Auf­bau einer natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Staats- bzw. Rechts­wis­sen­schaft, geprägt. Es geht im Brief­wech­sel um Per­so­nal­fra­gen, Ver­öf­fent­li­chun­gen und Tagun­gen, die alle dazu die­nen, die­sem gemein­sa­men Ziel näher zu kommen.

Dann kommt es zu einer nahe­zu zwei­jäh­ri­gen Unter­bre­chung des Brief­wech­sels, ohne daß die Grün­de dafür recht deut­lich wer­den. Die Wie­der­auf­nah­me setz­te 1938 ein, als bei­de über den real exis­tie­ren­den Natio­nal­so­zia­lis­mus des­il­lu­sio­niert waren. Schmitt hat­te das mit sei­nem Levia­than für Ein­ge­weih­te sicht­bar gemacht. Huber leg­te mit Heer und Staat in der deut­schen Geschich­te eine ver­fas­sungs­ge­schicht­li­che Publi­ka­ti­on vor, die man als eine Absa­ge an die Unter­wer­fung des Staa­tes unter die Par­tei lesen konn­te. Den­noch blieb Huber durch sei­ne Ver­fas­sung (1937), die 1939 als Ver­fas­sungs­recht des Groß­deut­schen Rei­ches eine zwei­te Auf­la­ge erfuhr, der maß­geb­li­che Ver­fas­sungs­recht­ler des Drit­ten Reiches.

Die inter­es­san­tes­te Pha­se des Brief­wech­sels setzt daher ein, als sich das Drit­te Reich sei­nem Ende nähert und vor allem Huber die Moti­ve sei­nes Han­delns hin­ter­fragt und die Situa­ti­on kri­tisch zu beur­tei­len beginnt. Die­se Aus­ein­an­der­set­zung wird nach einer Unter­bre­chung des Brief­wech­sels in der unmit­tel­ba­ren Nach­kriegs­zeit fort­ge­setzt. Huber ist als guter Pro­tes­tant durch­aus bereit zu einem Schuld­ein­ge­ständ­nis, was dem Katho­li­ken Schmitt völ­lig fern­lag, der sich vor allem unge­recht behan­delt fühlt. Huber gelingt es, nach schwe­ren Jah­ren, in denen sei­ne Frau als Anwäl­tin das Geld für den Unter­halt der Groß­fa­mi­lie (fünf Söh­ne, dar­un­ter der ehe­ma­li­ge EKD-Vor­sit­zen­de Wolf­gang Huber) ver­dien­te, den Weg zurück an die Uni­ver­si­tät zu fin­den. Schmitt bleibt außen vor.

Huber hat dazu eine Recht­fer­ti­gungs­schrift über sei­ne NS-Zeit ver­faßt (die neben ande­ren wert­vol­len Zeug­nis­sen im umfang­rei­chen Anhang des Ban­des abge­druckt ist), in der er sein Enga­ge­ment als Ver­hin­de­rung des Schlim­me­ren recht­fer­tigt (was nicht über­zeu­gen kann). Ehr­li­cher urteilt er 1950 in einem Brief an Schmitt: »Die Chan­ce, das Gesetz des Han­delns für die Mit­te zu gewin­nen, für die wir unse­re Exis­tenz aufs Spiel gesetzt haben, ist ver­lo­ren, und wird nicht wie­der­keh­ren. Euro­pa hät­te nicht anders als durch ein hege­mo­nia­les Sys­tem zu einer drit­ten Posi­ti­on wer­den kön­nen.« In die­sem Bekennt­nis liegt der Schlüs­sel für so man­ches poli­ti­sche Enga­ge­ment der drei­ßi­ger Jah­re, nicht nur für das von Schmitt und Huber.

Den von Ewald Grot­te her­aus­ge­ge­be­nen Brief­wech­sel zwi­schen Carl Schmitt und Ernst Rudolf Huber kann man hier bestel­len. 

 

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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