Der Briefwechsel zwischen Carl Schmitt (1888–1985) und seinem Schüler und Kollegen Ernst Rudolf Huber (1903–1990) gehört zu den langerhofften Desiderata der Schmitt-Forschung. Der Mühe der Herausgeberschaft hat sich mit Ewald Grothe, seit 2011 Leiter des Archivs des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung, jemand unterzogen, der bislang in der CS-Gemeinde kaum in Erscheinung getreten ist. Als Rechtshistoriker (mit Schwerpunkt Verfassungsgeschichte) bringt er aber gute Voraussetzungen mit.
Die Kommentierung der Briefe ist solide, wenngleich an einigen Stellen etwas uneinheitlich. So wird beispielsweise zwar erklärt, was Nihilismus bedeutet, nicht aber, was Huber meinen könnte, wenn er 1947 rückblickend schreibt, daß es »notwendig und wichtig« gewesen sei, daß »wir damals die Schiffe hinter uns verbrannt haben«. Gerade aber in dieser Rückhaltlosigkeit, die auch in der Nachschau nicht verschwiegen wird, liegt die Bedeutung des Briefwechsels, der seinen Kulminationspunkt in den Jahren 1932 bis 1936 hat.
Die Korrespondenz umfaßt 219 Schreiben und erstreckt sich über einen Zeitraum von 56 Jahren, von 1926 bis 1981. Dabei war die Ausgangssituation ein Lehrer-Schüler-Verhältnis. Huber, für den das Erlebnis der Jugendbewegung prägend war und blieb, promovierte 1927 bei Schmitt in Bonn und wurde anschließend von Schmitt beim akademischen Fortkommen gefördert.
In der Endphase der Weimarer Republik publizierte Huber unter verschiedenen Pseudonymen in den Organen der Jungkonservativen. Oft handelt es sich dabei um Texte, die sich auf Arbeiten von Schmitt beziehen. Er setzte sich aber auch in Fachorganen mit Schmitt auseinander und ließ schon früh durch wohlbegründete Kritik eine eigenständige Position erkennen, die Schmitt, sonst sehr empfindlich, zu schätzen wußte. Das Vertrauensverhältnis führte dazu, daß Schmitt Huber zu seinen Beratungen der Präsidialkabinette und Reichswehrführung heranzog. Beim sogenannten »Preußenschlag« gegen die sozialdemokratische Regierung in Berlin gab es eine Arbeitsteilung: Schmitt hielt sein Plädoyer in Leipzig, und Huber übernahm mit seiner Schrift Reichsgewalt und Staatsgerichtshof (1932) die publizistische Rechtfertigung.
Im Mai 1933 traten beide in die NSDAP ein, Schmitt wechselte an die Friedrich-Wilhelms-Universität nach Berlin, Huber erhielt einen Lehrstuhl in Kiel (später Leipzig und Straßburg). Die Jahre bis 1936, als Schmitts Entmachtung erfolgte, sind von großer Übereinstimmung im gemeinsamen Ziel, dem Aufbau einer nationalsozialistischen Staats- bzw. Rechtswissenschaft, geprägt. Es geht im Briefwechsel um Personalfragen, Veröffentlichungen und Tagungen, die alle dazu dienen, diesem gemeinsamen Ziel näher zu kommen.
Dann kommt es zu einer nahezu zweijährigen Unterbrechung des Briefwechsels, ohne daß die Gründe dafür recht deutlich werden. Die Wiederaufnahme setzte 1938 ein, als beide über den real existierenden Nationalsozialismus desillusioniert waren. Schmitt hatte das mit seinem Leviathan für Eingeweihte sichtbar gemacht. Huber legte mit Heer und Staat in der deutschen Geschichte eine verfassungsgeschichtliche Publikation vor, die man als eine Absage an die Unterwerfung des Staates unter die Partei lesen konnte. Dennoch blieb Huber durch seine Verfassung (1937), die 1939 als Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches eine zweite Auflage erfuhr, der maßgebliche Verfassungsrechtler des Dritten Reiches.
Die interessanteste Phase des Briefwechsels setzt daher ein, als sich das Dritte Reich seinem Ende nähert und vor allem Huber die Motive seines Handelns hinterfragt und die Situation kritisch zu beurteilen beginnt. Diese Auseinandersetzung wird nach einer Unterbrechung des Briefwechsels in der unmittelbaren Nachkriegszeit fortgesetzt. Huber ist als guter Protestant durchaus bereit zu einem Schuldeingeständnis, was dem Katholiken Schmitt völlig fernlag, der sich vor allem ungerecht behandelt fühlt. Huber gelingt es, nach schweren Jahren, in denen seine Frau als Anwältin das Geld für den Unterhalt der Großfamilie (fünf Söhne, darunter der ehemalige EKD-Vorsitzende Wolfgang Huber) verdiente, den Weg zurück an die Universität zu finden. Schmitt bleibt außen vor.
Huber hat dazu eine Rechtfertigungsschrift über seine NS-Zeit verfaßt (die neben anderen wertvollen Zeugnissen im umfangreichen Anhang des Bandes abgedruckt ist), in der er sein Engagement als Verhinderung des Schlimmeren rechtfertigt (was nicht überzeugen kann). Ehrlicher urteilt er 1950 in einem Brief an Schmitt: »Die Chance, das Gesetz des Handelns für die Mitte zu gewinnen, für die wir unsere Existenz aufs Spiel gesetzt haben, ist verloren, und wird nicht wiederkehren. Europa hätte nicht anders als durch ein hegemoniales System zu einer dritten Position werden können.« In diesem Bekenntnis liegt der Schlüssel für so manches politische Engagement der dreißiger Jahre, nicht nur für das von Schmitt und Huber.
Den von Ewald Grotte herausgegebenen Briefwechsel zwischen Carl Schmitt und Ernst Rudolf Huber kann man hier bestellen.