Bernhard Lassahn hat folgenden Aufruf als Überschrift für seine antifeministische Trilogie Frau ohne Welt gewählt:»Frauen, liebt Männer! Männer, liebt Frauen! Lest Frau ohne Welt!« Das ist als wegweisende Anleitung zu verstehen. Antifeministische Mottos lauten nämlich gern so: Warum Frauen unser Untergang sind. Oder noch böser: Wie das verlogene Geschlecht zum Herrschergeschlecht geworden ist. Solche claims sind Wasser auf die Mühlen vieler: der Zahlväter, der entsorgten Männer, der Frauenquotenopfer. Jene, die unter Etiketten wie »Maskulisten« sich sammeln, haben die (oft verständliche) Wut der Ge- und Enttäuschten im Bauch. Macht sie das zu Rechthabern? Liebenswert macht es sie jedenfalls nicht. Es läßt sie als schnaubende Verlierer mit Zornesfalten aussehen.
Lassahns Buch, nach Der Krieg gegen den Mann (2013, siehe Sezession 55) Teil II seiner Trilogie, hebt sich in mehrfacher Weise positiv von vielen Verdammungs- oder Jammerschriften des Genres ab. Man könnte sagen: Der Autor denkt cum ira et studio.Und er schreibt glänzend, mit souveränem Witz, der nur ausnahmsweise zur Häme wird – obgleich ein gewisses Überschnappen angesichts der Lage der Dinge bisweilen naheläge.
Dem Schriftsteller (bekannt für seine Käpt’n Blaubär-Geschichten) und Liedermacher geht es in diesem Band um den »Krieg gegen das Kind«. Er konstatiert eine politische und mediale Agenda, die erstens der Kinderverhinderung diene und zweitens alles tue, um die Lebensbedingungen von Kindern »an die Bedürfnisse mit sich selbst beschäftigter Erwachsener« anzupassen. Klingt zu drastisch? Nach der Lektüre gewiß nicht.
Lassahn geht mit seiner Analyse weit über die mittlerweile bekannten Schaustücke des Genderzirkus, der Sexpädagogik und der Scheidungsscharmützel auf den Rücken von Kindern hinaus. In siebenundzwanzig kurzen Kapiteln wird die »staatliche Marschmusik« interpretiert, in deren Rhythmus als »Nebengeräusch immer die Verspottung der Familie« mitklingt. »Wenn man das Verhältnis Mann-Frau isoliert betrachtet und dabei Kinder und die gesamte Frage der Fruchtbarkeit ausklammert, dann versucht man, mit einer zweidimensionalen Sicht ein dreidimensionales Problem zu lösen. Das geht nicht. So bekommen wir nicht nur keine Kinder mehr, wir halten es auch miteinander nicht mehr aus.« Der Angelpunkt wäre hiermit umrissen. Wie gehen wir mit ihr um, mit dieser »dritten Dimension«, die doch die Frucht der Liebe sein soll?
Besonders schockierend ist, was uns Lassahn über die wenig bekannten Seiten der Kinsey-Studien aufdeckt. Alfred Kinsey, »Dr. Sex«, wird heute als Säulenheiliger der Aufklärung verehrt. Man lobt, wie er durch die Veröffentlichung seiner Umfragen und Untersuchungen in Diensten der Rockefeller Foundation die Amerikaner und Europäer von ihrer »spießigen« Sexualmoral befreit hatte. Seither durfte über geheime Vorlieben (von Homosexualität bis Sex mit Tieren und Minderjährigen) offener verhandelt werden. Kinsey hat sich in besonderem Maße für die Orgasmusfähigkeit kleiner Jungen interessiert. In seinen »Studien« an 317 Säuglingen und Kindern ermittelte er, daß bereits knapp Einjährige zu bis zu »14 Orgasmen innerhalb von 38 Minuten« gelangen könnten, was Kinsey »zuverlässig« an Zeichen wie Schluchzen oder heftigem Schreien erkannt haben wollte.
Lassahn interessieren nicht nur die Knackpunkte und Sollbruchstellen der modernen Auffassung von Kindheit, er kennt auch das Gelingende und Gelingenkönnende. Immerhin ist er von Berufs wegen Poet. Das macht die Lektüre trotz aller Schauder lohnend: Hier wird verdichtet!
Zu einigen Details könnte man einwenden, daß Lassahn Sonderfälle unlässig als heutige Normalität beschreibt. Die allerwenigsten Kindergärten besuchen Trauungen lesbischer Paare, auf deutschen Amtsformularen werden Mutter und Vater immer noch nicht mit »Elter 1« und»Elter 2« bezeichnet. Ausgeschlossen ist hingegen nicht, daß sich Lassahn bei all dem seismographisch betätigt.
Bernhard Lassahns Frau ohne Welt kann man hier bestellen.